Neben Hyperraum-fähigen Fernsehern und Smartphones mit Fluxkompensator ist Kaffee fast ein Nebenschauplatz auf der IFA 2018 in Berlin. Aber einer, der es gerade in diesem Jahr in sich hatte.
Neben Hyperraum-fähigen Fernsehern und Smartphones mit Fluxkompensator ist Kaffee fast ein Nebenschauplatz auf der IFA 2018 in Berlin. Aber einer, der es gerade in diesem Jahr in sich hatte.
Während die 8K-Technologie für Fernseher oder so manches Gadget für die Haushaltsführung ruhig sinnlos genannt werden dürfen, gibt es in Sachen Kaffeevollautomaten einige Funktionen, die den Markt für Kaffeemaschinen und Co. aufwirbeln werden.
Außerdem hatte das Coffeeness-Team beim IFA-Besuch 2018 das Gefühl, dass die Hersteller von ihrer Höher-Schneller-Weiter-Mentalität abgerückt sind.
Es geht nicht mehr darum, eine Maschine herzustellen, die so viel kann wie ein handelsübliches Raumschiff. Es geht darum, auf die Wünsche der Kunden und Nutzer zu hören.
Die spannendste Erkenntnis der Technikmesse ist jedoch ein Aspekt mit Einerseits-andererseits-Charakter:
Kommt mit auf einen Rundgang über eine IFA, die nach Jahren der Mittelmäßigkeit wirklich so manche Revolution im Ärmel hatte.
Inhaltsverzeichnis
Kaffeetrends auf der IFA 2018: Die Kanne ist zurück!
Bevor wir euch die einzelnen Neuheiten vorstellen, schauen wir erst einmal auf die umfassenden Trends, die sich bei allen Herstellern abzeichneten.
Der wichtigste Hype ist fast schon ein bisschen niedlich. Denn praktisch jeder Promoter pries die neue Kannenfunktion seiner Maschinen an, als hätte er die Kännchen-Mentalität der Deutschen erfunden.
Dabei haben alle Hersteller nur auf ein Manko geantwortet, das Kaffeevollautomaten bisher vom endgültigen Durchbruch in jeder deutschen Küche abgehalten hat:
Ab jetzt könnt ihr bei den meisten neuen Modellen mit einem Knopfdruck und nur ganz wenig Gefummel im Menü eine große Menge „klassischen Kaffee“ zubereiten. Je nach Preisschild und Hersteller sind damit in einem Rutsch bis zu 750 ml drin.
Ein bisschen Augenwischerei ist natürlich schon dabei, schließlich denkt der Kunde dabei an typischen Filterkaffee. Doch ein Kaffeevollautomat produziert nun einmal keinen Filterkaffee, sondern einen Caffe Lungo. Das ist ein Espresso, der mit mehr Wasser aufgebrüht wird.
Mehr zu, Unterschied zwischen diesen Varianten erfahrt ihr im Artikel Kann ein Kaffeevollautomat normalen Kaffee?
So oder so hat sich von Miele bis DeLonghi aber nun das Problem erledigt, wie ihr eine ganze Kaffeetafel mit Kaffee versorgen könnt, ohne zehn Stunden an der Maschine hantieren zu müssen.
Ich lehne mich mal aus dem Fenster und behaupte, dass dies vor allem ein Zipperlein der älteren Zielgruppe ist.
Und gerade diese Zielgruppe rückt nun stärker in den Fokus. Das ist auch nicht dumm, schließlich trifft hier Kaufkraft auf den Wunsch nach einfacher Automatisierung. Darum haben sich die Hersteller vor allem mit der Menüführung und Übersichtlichkeit ihrer Maschinen beschäftigt.
So wurde beispielsweise bei der Siemens EQ 9 in der neuen Plus-Variante das Dreh-Rad für die Menüführung überarbeitet, um eindeutiger einzurasten und damit punktgenau auf dem gewünschten Menüpunkt zu landen – auch, wenn man etwas grobmotorischer unterwegs ist.
Bei der Saeco PicoBaristo in der frisch überarbeiteten Deluxe-Version ist ein Argument für die Promoterin, dass man endlich einmal simpel „Café au lait“ ins Menü geschrieben hat, statt verschwurbelte Hipster-Bezeichnungen zu verwenden.
Diese scheinbaren Kleinigkeiten zeigen gerade in ihrer Häufung, dass sich die Unternehmen so langsam darüber bewusst werden, wer ihre Kaffeevollautomaten eigentlich verwendet: nicht der Ultra-Kaffeefan mit enzyklopädischem Wissen über die Kaffeewelt, sondern der interessierte Laie, für den das Endprodukt in der Tasse zählt.
Davon abgesehen schießen sich die meisten Hersteller immer noch selbst ins Bein: Sie bauen großartige neue Maschinen, engagieren ausnehmend bewanderte Promoter – und kippen dann Sch…bohnen in die Vorführgeräte.
Die Siebträger- und Filterkaffeeabteilung von DeLonghi servierte wirklich ekelhaft saure Lavazza-Bohnen. Die Saeco-Modelle wurden mit einer zur Unkenntlichkeit schockgerösteten Jacobs „Barista“-Mischung befüllt, die einen Bruchanteil aufwies, der fast schon peinlich war.
Der Witz daran: Ausnahmslos alle Experten an den Maschinen waren sich über diesen Widerspruch bewusst! Manche Promoter sagten frei heraus, dass der Kaffee gar nicht schmecken kann, eben weil die Bohnen billiger Mist sind. Manche versuchten noch die Kurve zu kriegen und wollten deutlich machen, dass eine gute Maschine auch aus diesem Kaffee das Beste herausholen kann.
Und die Coffeeness-Gemeinde so im Chor: KANN SIE NICHT!
Gute Kaffeebohnen sind die Grundlage für guten Kaffee. Punkt, Aus, Ende!
Lediglich bei Nivona wurden wir in Sachen perfekte Grundlage für perfekten Kaffee doch noch fündig. Aber dazu gleich mehr.
An dieser Stelle nur noch einmal der Aufruf an die Hersteller, sie mögen aufhören, sich in Sachen Kaffeebohnen selbst in die Tasche zu lügen – und damit den Kunden zu verarschen!
Philips und Saeco: Aufwand ist zu anstrengend
Wie schon erwähnt, ging es im Philips-Premiumsegment bei den Saeco-Maschinen hauptsächlich um die Optimierung der gesamten Produktrange. Die Xelsis-Reihe hat eine Druckoptimierung und einen besseren Schlauch für die Cappuccinatore erhalten, die PicoBaristo redet jetzt weniger Mist bei ihren Kaffeespezialitäten. Außerdem kann sie bis zu 400 ml direkt in eine Kanne produzieren.
„Insgesamt ist alles noch wertiger“, sagte die Promoterin am rege besuchten Stand. Äußerlich unterschieden sich die neuen Versionen von ihren Vorgängern tatsächlich vor allem in der Menüführung und im etwas reduzierteren Look, der die Maschinen um einiges „erwachsener“ wirken ließ.
Eine wirkliche Neuigkeit gab es jedoch eher in der Mittelklassemarkenwelt bei Philips. Die EP 5000er Serie mit Preisen ab rund 600 Euro bringt nicht etwa noch mehr Funktionen und noch mehr Einstellmöglichkeiten mit. Ihr größtes Verkaufsargument ist die reduzierte Einfachheit.
Das lässt sich am besten am „Latte Go“-Milchschaumsystem ablesen. Diese anklickbare Cappuccinatore im überschaubaren Format kommt völlig ohne Schlauchsystem aus.
Die Milch wird auch nicht durch die Maschine geführt, sondern direkt in dem kleinen Behälter erhitzt und geschäumt. Der darf außerdem mit einer Abdeckung direkt in den Kühlschrank und lässt sich superleicht reinigen.
Die Promoterin unterstrich mehrfach, dass die 5000er-Reihe mit ihren gerade einmal sechs Kaffeevarianten eine Antwort auf die Wünsche älterer Kunden sei, die mit den spacigen Maschinen aus der Oberklasse nicht klar kommen.
Die Knöpfe sind erhaben und eindeutig beschriftet, das Display setzt auf eindeutige Symbole mit recht großer Auflösung. Im Vergleich zu den Saeco-Modellen wirkt die Philips-Neuheit fast altbacken. Aber gerade deswegen waren die Messegäste daran auch intensiv interessiert. Sie zeigt schon äußerlich, dass sie wenig Nerv-Potential hat.
Gastroback und WMF: Wer spickt denn da …
Diese beiden Hersteller schmeiße ich nur in einen Topf, weil sie auf unserem Weg direkt hintereinander lagen. Von Gastroback haben wir euch bereits die Gastroback 42612 S Design Espresso Advanced Pro GS vorgestellt, die ein sehr brauchbarer Hybrid aus Kaffeevollautomat und Siebträgermaschine ist.
Dieses Mal fiel uns auf der IFA 2018 die Gastroback Design Brew Advanced ins Auge. Aber nicht etwa, weil diese Filterkaffeemaschine so außergewöhnlich neu ist oder Außergewöhnliches kann. Sie fiel uns auf, weil sie eindeutig bei der grandiosen Moccamaster gespickt hat.
Das betrifft nicht nur die Durchlaufzeit, das betrifft auch die Brühtemperatur – und natürlich in erster Linie das Design. Preislich liegen beide Modelle gar nicht so weit auseinander. Und darum sage ich: Nehmt lieber die unerreichte Moccamaster – auch wenn der Nachäffer noch so gut sein mag.
Ein paar Schritte weiter wartete WMF mit einem sehr aufgeräumten und gut unterteilten Messeauftritt. Das Unternehmen kann sehr gute Bueno Kaffeemaschinen herstellen – ist also in jeder Hinsicht solide.
Auf der Messe fiel uns die neue WMF Lumero Kaffeemaschine ins Auge, die ihr mit einer Glaskanne oder einem Thermobehälter kaufen könnt. Preislich bewegt sich das Gerät zwischen 90 und 120 Euro und wird ab Ende des Jahres erhältlich sein.
Es ist vor allem das sehr schicke Design, das dabei schon auf den ersten Blick überzeugte. Über Sinn und Unsinn eines Ambilights können wir natürlich streiten. Über Sinn und Unsinn eines abnehmbaren Wassertanks hingegen nicht.
Das ist bei Kaffeemaschinen eine Seltenheit und auf jeden Fall ein Pluspunkt in Sachen Bedienkomfort und Reinigung. Wenn ihr wollt, folgt hier demnächst ein Test!
Graef: Hat da jemand Blooming-Funktion gesagt?
Graef: Hat da jemand Blooming-Funktion gesagt?
Bei Graef sind wir eigentlich nur vorbei gegangen, weil wir die Graef Kaffeemühle CM 800 für ihren Preis so super finden und mal schauen wollten, was es in Sachen Kaffeemühlen Neues gibt. Die echte Neuheit wartete jedoch in einer anderen Abteilung.
Zunächst einmal darf sich das Unternehmen ein Sternchen für wahre Kaffee-Expertise anheften. Denn die Marketingbeauftragte sagte beim Angucken der neuen Kaffeemühlen Graef CM 850 mit Abklopfschublade und der CM 202 als automatische Mühle für Einsteiger zwei wichtige Dinge:
- „Wir entwickeln Mühlen immer optisch und funktionell passend zu unseren Siebträgermaschinen.“
- „Wir entscheiden uns bewusst gegen eingebaute Mahlwerke, denn das ist ein Kompromiss. Guter Kaffee beginnt mit der richtigen Mühle“.
Diese Predigt halten wir euch auch andauernd. Das mag ein Grund sein, warum Graef solch hohe Vertrauenswerte genießt. Außerdem erklärten sie uns beim Unterschied zwischen der hochpreisigen Siebträgermaschine Contessa und der neuen, kleineren Einsteigervariante marchesa (für etwa 600 Euro UVP) noch einen interessanten Designfakt:
Silber (im Gegensatz zu Hochglanz-Chrom) wirkt „konsumiger“. Will heißen: An silberne Geräte trauen sich Einsteiger eher heran als an die glänzenden Profi-Maschinen. Darum wurde die marchesa auch bewusst in diesem Look gestaltet.
Doch der wichtigste Fund bei Graef war die Filterkaffeemaschine FK 702. Dieses Gerät ist der erste Vorstoß des Unternehmens in die Filterwelt – und hier scheint es alles richtig gemacht zu haben. Denn die Produktentwickler haben sich die Handfilterung zum Vorbild genommen:
- Auch hier gibt es eine designierte Extramühle für frisch gemahlene Kaffeebohnen. Graef hat dafür die einfache, automatische und mit Tasseneinstellung versehene Filterkaffeemühle CM 202 gebaut.
- Das Wasser wird erst vollständig auf die Brühtemperatur zwischen 92 und 96 Grad Celsius erhitzt, bevor es durchläuft.
- EINE BLOOMING-FUNKTION!!!! Bevor irgendetwas in Sachen Extraktion passiert, wird das Kaffeemehl mit Wasser benetzt und darf 30 Sekunden lang quellen.
- Das Wasser gleitet sanft durch acht Öffnungen und wird nicht aufs Kaffeemehl gespuckt.
Damit hat Graef die Messlatte für Filterkaffeemaschinen nicht nur höher gelegt, sondern mal eben neu gezogen. Denn auch der Look überzeugt auf ganzer Linie. Bei einem UVP von rund 130 Euro sind auch die Voraussetzungen für einen Preis-Leistungssieg auf hohem Niveau gegeben.
Ihr ahnt es schon: Die Graef FK 702 wird demnächst von uns getestet, wenn ihr das gerne wollt. Wir jedenfalls haben mehr als Bock darauf.
Nivona: Weil einfach einfach einfach ist …
Bei allen anderen Herstellern haben wir die Mitarbeiter spontan am Stand überfallen. Bei Nivona haben wir uns einen Termin geholt. Das Nürnberger Unternehmen gehört bei euch seit Jahren zu den Geheimfavoriten. Nur haben wir es bisher nie wirklich auf dem Schirm gehabt.
In unseren FAQ zu Kaffeevollautomaten haben wir euch erklärt, warum das so war: Nivona lässt die Komponenten seiner Kaffeevollautomaten in der Schweiz beim gleichen Zulieferer produzieren wie Miele und ein paar andere bekannte Namen. Darum sind die Maschinen mehr oder minder baugleich mit von uns zigfach getesteten Unternehmen. Außerdem umweht Nivona durchaus der Hauch des Elitären.
Denn die Maschinen gibt es bisher nur im ausgewählten stationären Fachhandel, bei einem Wald-und-Wiesen-Elektromarkt werdet ihr die Geräte niemals finden. Genauso wenig, wie sie im Plebejer-Onlineshop zu kaufen sind.
Auch der Nivona-Stand auf der IFA zog eine klare Trennung zwischen dem Messegeschehen und der eigenen kleinen Welt aus Kaffeevollautomaten: Wer alle Geräte sehen wollte, musste mit gutem Grund am Concierge vorbei.
Ihr habt uns aber solange bearbeitet, dass wir uns demnächst mit der neuen 9er-Baureihe von Nivona im Test auseinandersetzen werden. Und nach unserem Termin mit der großartigen Promoterin Nicole und Marketingmensch Holger John müssen wir eines sagen:
Nicht nur die Mitarbeiter, auch die Marke und die Maschinen sind zutiefst sympathisch. Und obwohl man auf den ersten Blick überteuerten Snobismus unterstellen will, bleibt von diesem Eindruck beim Ausprobieren, Kosten, Antatschen und Zuhören nichts mehr übrig.
Das heißt natürlich nicht, dass der Nivona Test von Anfang mit Vorschusslorbeeren und Höchstnoten feststeht. Wir lassen uns schließlich nicht von Freundlichkeit und lecker Kaffee bestechen.
Nur haben wir nach unserem Besuch das Gefühl, dass Nivona locker so manch andere Marke in Sachen Umsatz und Breitenwirkung aus den Latschen hauen könnte, würde sich das Unternehmen ein wenig zugänglicher präsentieren.
Auf der anderen Seite muss aber auch festgehalten werden: Diese manchmal etwas unzeitgemäße und in jedem Fall konsequente Haltung hat Hand und Fuß und ist hervorragend begründet. Doch der Reihe nach.
Wie überzeugt Nivona von seinen Vollautomaten ist, zeigt sich an der 5er-Baureihe im Preissegment von rund 500 Euro. Damit ist das Unternehmen vor 12 Jahren gestartet – und an den Geräten hat sich bis heute nichts wirklich verändert.
Die Nivona 5er-Maschinen setzen auf einen recht hohen manuellen Arbeitsanteil des Nutzers, sind aber sehr leicht zu bedienen und lassen sich hervorragend und mit viel Raum zum Putzen auseinanderbauen. Die hier verbaute Brühgruppe ist auch bei allen anderen Maschinen bis zum 10er-Modell gleich geblieben.
Ab der 6er-Serie setze Nivona wesentliche Eckpunkte um, die auch in der aktuellen 9er Reihe fast unverändert oder in verbesserter Form vorhanden sind. Dabei ziehen sich zwei Themen durch die gesamte Gerätelandschaft:
- Sauberkeit und Hygiene stehen an oberster Stelle
- Einfachheit und Eindeutigkeit in der Bedienung kommen gleich danach
Während es bei anderen Herstellern gar nicht bunt genug zugehen kann, sind die Displays und Menüs bei Nivona fast schon spartanisch. Dafür sind sie aber ausnehmend intuitiv und vor allem mit klaren Wortaussagen statt haufenweise interpretationswürdigen Icons beschriftet.
Promoterin Nicole erzählte von einer Familie, bei sich der das Kind während der Beratung unbemerkt und ohne Einführung Milchschaum zubereitet hat. Auf die Frage, ob es das schon einmal gemacht habe, soll es geantwortet haben: „Wieso? Ist doch wohl klar, wie das hier geht?!“
Schön ist auch, dass sich sogar direkt im Kaffeebezug noch etwas an den Parametern ändern lässt – sei es bei der Milchmenge oder der Kaffeemenge. Das kann man dann speichern, oder es auch lassen.
Nur das „Barista in a box“-Prinzip, das als optischer Anker am Stand fungiert und nicht nur in der Groß-Kleinschreibung etwas merkwürdig aussieht, ist dann doch erklärungsbedürftig.
Dabei handelt es sich um drei verschiedene Aromaprofile (dynamic, constant, intense), die ihr je nach Kaffee und Vorlieben einstellen könnt. In Grund wird hier von der Maschine nur an der Durchlaufzeit des Wassers gedreht, was die Extraktion verändert. Hätte man auch klarer ausdrücken können, oder?
Die neu entwickelte 9er Baureihe hebt die Nivona-Klassiker dennoch einmal ins neue Jahrtausend. Optisch seht ihr das schon an der eher affigen LED-Disko am Wassertank. „Die Leute stehen drauf“, sagt Marketingmensch Holger John. Ich frage mich immer noch, warum.
Das Display ist hier wesentlich moderner und arbeitet mit mehr Symbolen. Aber immer noch wirkt es unheimlich aufgeräumt und liefert euch alle Informationen auf einen Blick. Außerdem fährt es mit dem verstellbaren Auslauf nach oben und unten. Ich weiß nicht warum, dieses Detail ist großartig.
Eines der wichtigsten Argumente für diese Maschine ist – aus Herstellersicht – die überaus geringe Lautstärke. Gerade einmal 65 bis 70 dB werden hier erzeugt. Und selbst im Messegetümmel war der Unterschied sofort hörbar. Diesen Fakt hat die Nivona Marktforschung übrigens als einen sehr wichtigen Aspekt bei der Kaufentscheidung für Kaffeevollautomaten identifiziert!
Wir könnten euch jetzt noch lang und breit alle Features und Vorteile der Maschine für 1.400 Euro UVP vorbeten. Allerdings wollen wir auch selbst lieber noch genau testen, welche Versprechen sie am Ende hält. Seid gespannt!
Lasst uns lieber noch auf einen Punkt eingehen, der Nivona von allen anderen Herstellern auf der IFA 2018 abgehoben hat: Die Nürnberger arbeiten eng mit kleinen Röstereien zusammen und bieten zu ihren Maschinen aktuell drei verschiedene Röstungen an. Der Caffè Bergamo als 100% Arabica-Mischung ist Bio und Fairtrade. Der Caffé Milano ist eine 50/50 Mischung aus Arabica und Robusta.
Doch das echte Highlight ist der Torino, eine selbstbewusste und eher selten angebotene hundertprozentige Robustaröstung. In unserem Team steigt der Anteil an Kaffeefans, die diese eher stiefmütterlich behandelte Sorte gerade in ihrer Reinform vergöttern, konstant an.
Darum hat uns Nicole gleich einen Espresso Macchiato mit dem Torino gemacht. Es war und blieb der beste Vollautomatenkaffee des Tages. Schokoladig, null Säure, angenehme Bitterkeit, schöne Röstaromen …. So muss KVA-Espresso sein!
Am Ende des Termins bekräftigte Holger John noch einmal, dass Nivona zwar das Online-Geschäft so langsam für sich entdeckt und sich dort nun auch breiter aufstellen will. Massenmarkt-Appeal wird es dennoch nicht geben; „das wäre ein Konzeptbruch“.
Tatsache ist, dass dieses Konzept aufgeht – zumindest, wenn man sich nur ein wenig mit Kaffee auskennt und die Sorgfalt zu würdigen weiß, die der Nürnberger Hersteller in die Produktentwicklung und Features steckt. Jetzt bleibt nur noch, dass sich dieses Konzept auch in unserem Praxistest beweist.
Siemens: Marketing-Matsch und Innovatiönchen
Ähnlich wie Saeco hat sich der direkte Konkurrent Siemens in diesem Jahr auf die Verbesserung seiner aktuellen Modelle verlegt. So wurde die sehr gute Siemens EQ 9 zur Siemens EQ 9 plus aufgewertet.
Updates gab es auch hier in der Menüführung und Bedienbarkeit des Drehrads. Außerdem überschlägt sich Siemens in seiner Freude über die Kannenfunktion, die 400 ml Kaffee mit einem Knopfdruck herstellen kann.
Zudem ist alles ein bisschen größer: mehr Platz im Auffangbehälter, mehr Platz im Bohnenfach – und zwei Mahlwerke, zwischen den ihr komfortabel direkt auf der Maschine wechseln könnt.
So weit, so gut, so sinnvoll. Nur das überall heraustrompetete „iAroma System“ konnte keiner so erklären, dass wir die wirkliche Neuheit daran kapiert hätten.
Das „i“ steht für intelligent und soll dafür sorgen, dass der Durchlauferhitzer, die Pumpe, das Mahlwerk und die Brühgruppe so zusammenarbeiten, dass ein optimaler Kaffee herauskommt.
Unsere freche Frage dazu: Sollte das nicht bei allen Kaffeevollautomaten so sein? Antwort darauf: Es geht darum, dass der Nutzer weniger einstellen muss, um ein optimales Getränk zu erhalten.
Wir verstehen es immer noch nicht. Egal. Wer sich das Plus-Update kaufen möchte, kann dies ab Oktober tun und muss dann rund 2.600 Euro für die s700 auf den Tisch packen.
DeLonghi spielt mal eben die IFA 2018 durch
Geht es nur uns so, oder wärt ihr auch nie auf den Gedanken gekommen, dass der ungekrönte Kaffeesieger einer IFA DeLonghi heißen könnte?
Nicht, dass die Italiener nicht tolle Geräte produzieren würden. Insbesondere im Einsteigerbereich sind und bleiben die Geräte von DeLonghi das Maß aller Dinge. Aber wenn es um echte Innovationen geht, hätten wir dies eher bei Siemens oder Saeco gesucht.
„Nimm schonmal einen neuen Zettel“, sagte der selbstbewusste Promoter am DeLonghi-Stand. Während wir noch dachten „Ja nee Kleiner, ist klar“, steuerte er auf die neue DeLonghi Maestosa zu.
Dieses schicke und ausnehmend hochwertig wirkende Teil hakt zunächst einmal sehr viele, wenn auch bekannte, Premium-Features ab:
- Zwei Bohnenfächer mit zwei getrennten (!) Mahlwerken und zwei getrennten Thermoblöcken
- Clever zuschaltbares Latte Crema-System für zwei Kaffeegetränke mit Milch gleichzeitig. Die Doppeldüse befindet sich an einem Hebel am Thermo-Milchbehälter
- Sensoren an wirklich jedem Punkt – im Bohnenbehälter, am Wasserfilter, am Pulverfach
- Haufenweise individuell einstellbare Features inklusive Temperatur für Americano
Richtiggehend schnuckelig sind all die Nachfüllöffnungen, mit denen die Maschine aufwartet. So könnt ihr etwa Milch und Wasser nachfüllen, ohne das Gerät zu öffnen. Hier lauert allerdings die Gefahr, dass ihr beim Reinigen nachlässig werdet!
Doch der Hammer im 2.500 Euro-Gerät, das noch nicht ganz zu Ende entwickelt ist und damit eine echte Neuheit darstellt, ist etwas ganz anderes.
Meine Damen und Herren, wir präsentieren das erste elektronisch einstellbare Mahlwerk in der Geschichte der Kaffeevollautomaten für den Endkundenmarkt!
Jenes Feature, nach dem auch ihr uns immer wieder gefragt habt, ist nun kurz vor marktreif. Ihr müsst wirklich nichts weiter tun, als den Erklärungen auf dem Display folgen und dann mit einem Touch den Mahlgrad umstellen. Nichts mehr mit Werkzeug, nichts mehr mit Suchen nach der Einstellschraube.
Wie fein und genau das dann funktioniert, muss sich natürlich erst einmal in der Praxis beweisen. Und der Preis der Maschine sorgt natürlich für tränende Augen und Bauchschmerzen. Doch wie wir alle wissen, dürften andere Hersteller beim Erfolg der Idee nachziehen.
Weniger spektakulär, dafür umso günstiger geht es bei der DeLonghi Dinamica Plus zu. Dieses Modell mit der Typenbezeichnung ECAM370.95.T kann jetzt bis zu 750 ml Kaffee auf einmal produzieren (auch ein IFA-Rekord!) und besitzt ein TFT Farbtouch-Display.
Zudem wurde hier die Brühgruppe neu justiert, um so den Brühvorgang zu verbessern. Dieses Modell wird euch demnächst um 999 Euro kosten. Test gefällig? Dann hinterlasst einen Kommentar!
Das ist aber noch längst nicht alles. Einmal um die Ecke hat sich DeLonghi auch für die anspruchsvolleren Connaisseure etwas einfallen lassen. Hier wartete die La Specialista als neuer Hybrid aus Siebträgermaschine und Vollautomat.
Sie ist deswegen ein Hybrid, weil das Mahlwerk direkt eingebaut ist und die Maschine ziemlich viel selbst macht. Auch das Tampen: Wie in Las Vegas am einarmigen Banditen müsst ihr hier nach dem Mahlen nur noch an einem Hebel ziehen, um das Kaffeemehl im Siebträger mit optimalem Anpressdruck zum Puck zu verdichten.
Anschließend setzt ihr den Träger in seiner Halterung an den Auslauf, drückt einen Knopf eurer Wahl und es kommt ein Espresso heraus.
Damit ihr ein „echtes“ Siebträgerfeeling bekommt, seid ihr bei der Einstellung des Mahlgrads und der Bezugsmenge allerdings ein wenig auf euch selbst gestellt und müsst alles selbst ausjustieren.
Aber ähnlich wie die Gastroback 42612 S Design Espresso Advanced Pro GS nimmt euch die DeLonghi Specialista ein paar typische Fehlerquellen beim Espressobezug ab – und die Scheu vor der Mühle.
Außerdem hat die Milchschäumdüse eine umstellbare Funktion, die es euch erlaubt, Milchschaum auch dann zu machen, wenn ihr den Pitcher einfach nur hinstellt und die Düse in die Milch hängt. Nichts mit Anreißphase oder Rollphase. Wie das genau vonstatten gehen soll, konnte die Promoterin allerdings nicht erklären.
Auch diese Maschine ist also noch nicht ganz durchentwickelt und soll erst im ersten Quartal 2019 auf der Marktfläche erscheinen. Es könnte passieren, dass hier noch einmal nachjustiert wird. Zumal die Vorführmaschine ein paar Macken hatte, die den Kaffeebezug unmöglich machten. Wenn ihr dennoch neugierig seid, solltet ihr schon einmal rund 800 Euro ansparen.
Und immer noch waren wir nicht fertig – es fehlte schließlich noch die Abteilung Filterkaffee. Jawohl, auch hier hat DeLonghi Blut geleckt und sich ein bisschen was ausgedacht. Auftritt für die Sanduhr-Maschine Clessidra.
Sie fällt schon rein optisch aus dem Rahmen – vor allem mit einer fast überdimensionierten Kanne. Die ist deswegen so groß, weil der Filterhalter direkt in diese gesetzt wird – ohne Zwischenhalterung in der Maschine.
Außerdem wird das Wasser auch hier – wie bei Graef – zunächst vollständig erhitzt, bis es durchlaufen darf. Die Promoterin betonte dabei einen wichtigen Fakt:
Man habe sich definitiv die Philips HD 5407/60 Café Gourmet Kaffeemaschine zum Vorbild genommen, die mit diesem Feature auch bei uns im Test tolle Ergebnisse geliefert hat. Aber der Philips-Konkurrent hat keine aktiven Sensoren, die die Ventile erst dann öffnen, wenn die optimale Temperatur erreicht ist.
Zusätzlich könnt ihr bei der italienischen Sanduhr zwischen zwei Brühverfahren switchen. Entweder, ihr entscheidet euch für die sanfte Methode, die vom European Coffee Brewing Centre (ECBC) abgesegnet wurde. Oder ihr nutzt das bekannte „Spuckverfahren“, das eigentlich Schwallbrühverfahren heißt und Filterkaffeestandard in Maschinen ist.
Die Frage, warum man nach der ersten Wahl der sanften Filterung wieder zum Spuckverfahren wechseln sollte, hat sich DeLonghi unabsichtlich selbst beantwortet – nur vielleicht nicht so, wie sie es gern hätten.
Wie schon erwähnt, wurden die Vorführmaschinen hier mit unsäglichen Lavazza-Bohnen bestückt. Mit der ECBC-Methode kamen alle Faktoren aus dem Kaffee zum Tragen, die Lavazza so schrecklich machen: Wir probierten eine saure Brühe, die es trotzdem noch schaffte, verbrannt zu schmecken. Im eher rumpeligen Spuckverfahren wurden diese Elemente besser kaschiert – obwohl guter Kaffee immer noch meilenweit davon entfernt war.
Die Grundidee der DeLonghi Clessidra ist trotzdem sehr gut und hat seinen Weg von Philips schließlich auch zu Graef gefunden. Mit etwa 129 Euro seid ihr beim Sanduhr-Modell direkt nach der IFA 2018 dabei.
IFA 2018 – Was sonst noch war. Und was nicht
Ihr fragt euch jetzt vielleicht, warum wir noch kein Wort über unsere Vorjahreslieblinge von Melitta verloren haben. Ganz einfach: Das Mutti-Unternehmen der deutschen Kaffeekultur glänzte in diesem Jahr mit Abwesenheit auf der IFA.
Das fiel auch der Konkurrenz sofort auf – und es gab ein paar Spekulationen, warum Melitta fehlte. Unsere Vermutung: Wenn es nichts Neues zu vermelden gibt, kann man sich den Aufwand auch sparen.
Spätestens beim Layout der Messeauftritte von Miele und Jura gab es nämlich heftige Déjà-vu-Erlebnisse. Nicht nur der Aufbau der Stände entsprach exakt dem Vorjahreslayout. Auch die Maschinen wirkten nicht gerade neu.
Das lag aber nur daran, dass man sich auch hier eher auf Updates und Verbesserungen festgelegt hatte. Bei Miele geht es nach dem Erfolg der Miele CM 5500 nun mit der C7750 CoffeeSelect weiter.
Wenn ihr mal eben 2700 Euro locker machen könnt, dürft ihr ab jetzt aus drei (!) Bohnenbehältern wählen und euch über eine Sensorsteuerung für den Auslauf freuen. Zudem entkalkt sich das schicke Monster selbst.
Natürlich wurde auch hier die Kannenfunktion von der überglücklichen Moderatorin in die Welt hinaus geflötet. Keine Frage, Qualität gibt es auch wieder. Nur der Preis ist dann doch außerhalb des gewohnten Coffeeness-Niveaus.
Bei Jura schien man noch nicht ganz wach. Fragt nicht warum, aber der Stand machte vom Promoter bis zum Maschinenarrangement irgendwie einen lustlosen Eindruck. Dabei hätte zumindest die schnuckelige Jura ena 8 ein bisschen mehr Jazz verdient gehabt.
Sie ist sehr kompakt, bringt Designideen insbesondere am Wassertank und dem Milchbehälter mit, lässt sich einfach bedienen und konzentriert sich auf das Wesentliche bei der Zubereitung. Preislich reden wir je nach Oberflächengestaltung von 1290 bis 1590 Euro UVP. Und das ist für Jura schon fast ein günstiger Einführungspreis.
Wo wir gerade dabei sind: Wenn es um das unterste Preisniveau geht, nutzen die Hersteller die IFA zumindest in diesem Jahr nicht mehr, um Einsteigerprodukte zu promoten. Kaffeevollautomaten – bzw. das Thema Kaffee an sich – sind keine Larifari-Angelegenheiten mehr, die man der Kundschaft schmackhaft machen muss.
Der Andrang an den Ständen machte deutlich, wie dick und lukrativ der Markt inzwischen wirklich ist. Also werden auch nur noch die dicken und lukrativen Geräte entwickelt bzw. vorangetrieben. Klar, das ist der Sinn der IFA.
Nur zeigte sich in diesem Jahr deutlich der Beweis, dass die Bedeutungs- und Image-Lücke von der Kaffeewelt zu Kernprodukten wie Fernsehern oder Smartphones längst geschlossen ist. Und dass wir jetzt in eine Phase kommen könnten, in der das Wettrennen um echte Innovationen bei der automatischen Kaffeezubereitung erst richtig losgeht.
Wie immer war unser Adlerauge bei der IFA 2018 fest auf Kaffeevollautomaten fixiert. Es ist also mehr als wahrscheinlich, dass einer von euch etwas entdeckt hat, das wir übersehen haben. Wenn ihr uns und allen Usern davon erzählen wollt, hinterlasst gerne einen Kommentar!