Kaffee-Neuheiten von der IFA 2020 – Virtuelle Partys und digitales Neuland

Falls es euch noch nicht aufgefallen sein sollte, hat sich 2020 entschieden, ein Arschloch zu sein. Bereits im März war absehbar, dass sich die IFA in diesem Jahr erledigt hat. Spätestens im August war klar, dass es so ist.

Falls es euch noch nicht aufgefallen sein sollte, hat sich 2020 entschieden, ein Arschloch zu sein. Bereits im März war absehbar, dass sich die IFA in diesem Jahr erledigt hat. Spätestens im August war klar, dass es so ist.

Zwar wurden die Berliner Messehallen auch dieses Jahr für Besucher geöffnet. Doch es gab nur eine einzige Halle, die von sehr wenigen Menschen besucht wurde. Einige Hersteller von Consumer-Produkten haben sich an den digitalen IFA-Ausweichangeboten beteiligt, andere sind eigene Wege gegangen, wieder andere haben die Messe gleich ganz ignoriert.

Normalerweise sind mein Team und ich jährlich auf der IFA unterwegs, weil Kaffeevollautomaten-Hersteller und Siebträger-Produzenten hier ihre neuesten Entwicklungen präsentieren.

Wir treffen uns mit Marketingteams und tatschen neue Kaffeevollautomaten an, wir fühlen PR-Geschwurbel auf den Zahn und suchen für euch nach Trends und Prognosen.

Und dieses Jahr? Machen wir das auch. Nur eben virtuell, mit weniger Budenzauber und den gleichen Vorbehalten. Wie immer lautet die Frage, ob es wirklich etwas Neues zu entdecken gibt.

Wenn wir den ganzen Messezirkus abziehen, bleibt am Ende nur die Erkenntnis, dass die Innovationsfähigkeit von Kaffee-Equipment endlich ist. Und sobald kein gut gelaunter Promoter um einen schnieke designten Messestand herumspringt, merkt man das ziemlich deutlich.

Dennoch will ich euch natürlich nicht vorenthalten, was sich die Marken ausgedacht haben und welches Motto für das Jahr 2020 ausgegeben wurde. Komischerweise sind sich mal wieder alle einig: Intuition ist Trumpf – und ein bisschen Quatsch muss auch sein.

Nivona: Käffchen mit Diashow

Wie wir alle wissen, sind Nivona Kaffeevollautomaten schrecklich Massenmarkt-scheu. Dabei wäre jetzt die perfekte Gelegenheit, dieses elitäre Gehabe zu überdenken!

Fehlt nämlich ein Messestand wie auf der IFA, gibt es für die kauffreudige Amazon-Kundschaft praktisch keine Gelegenheit mehr, die Nivona-Geräte überhaupt wahrzunehmen. Das passt zwar ins selbst designte Fachhandels-Image, könnte sich aber in der neuen digitalen Realität als Halsbruch erweisen.

IFA 2020 Nivona CafeRomatica 769

Denn so überzeugend Modelle wie der NIVONA CafeRomatica 769 auch sind – sie haben keinen so großen „Klang“ wie Geräte von Melitta oder DeLonghi. Aber gut, auch das ist Teil des elitären Selbstverständnisses.

Umso witziger finde ich die „Neuerung“, die ihr auf der IFA 2020 hättet bewundern können: Das Flaggschiff-Modell Nivona NICR CafeRomatica 960 kann jetzt nämlich Diashow.

Über den sogenannten „Flying Picture Mode“ könnt ihr eure besoffenen Selfies von letzter Nacht per Bluetooth direkt auf dem großen Display der Kaffeemaschine anzeigen lassen! Woooow.

Nivona ist natürlich auf einem ganz anderen Pferd unterwegs und faselt was von Firmenlogos und Familienfotos für den Ruhemodus. Frage an die Regie: Braucht das irgendjemand?? Muss man darum ein Gewese machen? Nö.

IFA 2020 neuer Nivona NICR 930

Zur Variante Nivona NICR 930 präsentieren die überzeugten Fachhandels-Jünger außerdem ein behutsam erneuertes Grunddesign, bei dem ich mir noch nicht sicher bin, ob es elegant oder ein bisschen schief wirkt.

Noch immer ist das „Barista in a Box“-System an Bord, das uns weder bei der IFA 2018 noch bei der IFA 2019 irgendjemand so erklären konnte, dass wir es kapiert hätten. Wenn ich die Marketingsätze richtig interpretiert habe, hat sich ansonsten nix unter der sleeken Haube getan.

Siemens Kaffeevollautomaten: Den Gaul reiten, bis er tot ist

Nachdem es bei der IFA 2019 bei Siemens mit dem EQ.500 integral und der Kooperation mit Coffee Circle zwei interessante Themen zu besprechen gab, schnarcht uns der Klassiker-Lieferant in diesem Jahr wieder mit ollen Kamellen voll.

Das könnte ein Grund sein, warum Siemens keine großen Ankündigungen oder virtuellen Launch-Events veranstaltet hat. Insofern ist die Absage der IFA vielleicht ein finanzieller Segen.

Einmal mehr hat die Oberklassereihe Siemens EQ.9 Zuwachs bekommen und wurde jüngst um die Versionen Siemens EQ.9 plus connect s700 sowie EQ.9 plus connect s700 Extraklasse ergänzt. Auch hier geht’s zunächst um die Optik. Die Pressemitteilung liest sich wie folgt:

Die beiden neuen Kaffeevollautomaten EQ.9 plus connect s700 bieten alle Eigenschaften und Funktionen des klassischen EQ.9 plus-Modells. Darüber hinaus bestehen sie aus den neuesten hochwertigen Materialien und sind in zwei eleganten Farbkombinationen erhältlich.

Muss ich das noch „übersetzen“, oder sind wir uns einig, dass hier der EQ9-Gaul zu Tode geritten wird?

IFA 2020 Siemens EQ.9 plus s700 extraKlasse neues Design

Um den UVP von knapp 2.800 Euro zu rechtfertigen, folgen auf dieses Eingeständnis der eigenen Einfallslosigkeit noch zahlreiche Worte, die jedoch auf eines hinauslaufen: Haben wir schon, kennen wir schon, brauchen wir nicht nochmal!

DeLonghi: Immerhin Spaß dabei

IFA 2020 DeLonghi virtuelle Kuechenparty Vorstellung PrimaDonna Soul

DeLonghi scheint jedes Jahr richtig Bock auf Messe haben. Denn die Italiener haben den IFA-Ausfall nicht einfach hingenommen und stattdessen zur „virtuellen Küchenparty“ geladen:

Hübsche Menschen standen in einer hübschen Showküche rum und haben hübsch an den neuen DeLonghi Kaffeevollautomaten und Küchengeräten rumgespielt. Ich saß vor dem Bildschirm.

Das war durchaus eine nette Abwechslung zum ansonsten eher verhaltenen nicht vorhandenen Alternativprogramm anderer Hersteller.

Ob der Aufwand nötig war, lasse ich dahingestellt. Man muss DeLonghi aber einräumen, dass sie sich mit solchen Bespaßungen einmal mehr ins Gedächtnis wühlen. Und auch ihre Neuvorstellung ist ein paar Worte wert.

IFA 2020 DeLonghi PrimaDonna Soul mit Arne

Fürs Weihnachtsgeschäft 2020 geht der DeLonghi PrimaDonna Soul an den Start. Ähnlich wie bei Siemens ist auch die PrimaDonna-Reihe schon vollkommen mit Maschinenvarianten zugemüllt. Anders als bei Siemens hat das Soul-Upgrade jedoch einen klaren Vorteil:

Dieses Oberklasse-Modell bringt das vollautomatische Mahlwerk mit, dass wir vor zwei Jahren zum ersten Mal im Luxusschlitten DeLonghi Maestosa bewundern durften. Die PrimaDonna hat jedoch ein wesentlich realistischeres Preisschild. Is ja klar, dass ich den neuen Delonghi PrimaDonna Soul Vollautomaten sofort getestet habe.

Krups: Keen Bock auf IFA, aber Bock auf Neuerungen

Krups hat eine Teilnahme an allen virtuellen Alternativen zur Präsenz-IFA ausgeschlossen und klang bei der Kommunikation schon fast trotzig.

Es könnte daran liegen, dass sich die Submarke der Groupe SEB seit Jahren in einem unauffindbaren Pavillon in einer Ecke des Messegeländes verstecken muss, während Schreihälse wie Jura oder Miele ganze Hallen besetzen.

Ich habe bereits zur IFA 2019 und dem damals vorgestellten Krups Evidence prophezeit, dass diese Marke wieder mehr an Fahrt gewinnen könnte. Ich glaube, damit habe ich richtig gelegen. Nach Jahren der vollkommenen Gleichgültigkeit geht es nun fast Schlag auf Schlag:

Ab Oktober steht der KRUPS Intuition Preference EA875E Kaffeevollautomat zum Kauf bereit, der je nach Ausführung knackig über 1.000 Euro kosten soll. Sein wichtigstes Verkaufsmerkmal scheint abermals die einfache und intuitive Bedienung zu sein, die schon beim Evidence im Vordergrund steht.

IFA 2020 Krups Intuition Preference Plus Kaffeevollautomat Neuvorstellung

Ich habe mich bereits für ein Testgerät angemeldet, da ich herausfinden will, ob „einfache Bedienung“ als Alleinstellungsmerkmal ausreicht, um in der Oberklasse mitzuspielen. Ich bin zwar etwas skeptisch, aber Krups hat mich schon vergangenes Jahr positiv überrascht.

Jura, Melitta & Miele: How to Messe in Zeiten von Corona?

Ich bin ganz ehrlich: Selbst wenn Miele und Jura, deren Stände bei der IFA traditionell nebeneinander liegen, Neuerungen zu präsentieren hätten – Es würde mir wahrscheinlich nicht auffallen.

Beide Marken sind Experten darin, ihre Maschinen auf merkwürdig seelenlose Weise anzupreisen. Bei Miele werden die Geräte meist mehr oder weniger „sich selbst“ überlassen – ob am Stand oder auf der Website. Bei Jura lautet das Einstellungskriterium für Promoter hingegen totale Überforderung und möglichst wenig Informationen.

Mit ein bisschen Wühlen konnte ich jedoch erfahren, dass es bei Miele zwei neue Vollautomaten gibt, die ihre größten Vorteile jeweils schon im Namen tragen: Der CM6 MilkPerfection soll richtig guten Milchschaum können, der Miele CM5 Silence soll beim Zubereiten die Schnute halten.

IFA 2020 Krups Intuition Preference Plus Kaffeevollautomat Neuvorstellung

Hier seid ihr gefragt: Klingt das spannend genug, um einen neuen Miele-Test an den Start zu bringen? Oder besetzt diese Marke inzwischen eine Oberklassen-Nische, die wir alle ignorieren?

Jura Kaffeevollautomaten haben dank des Jura Z8 inzwischen bei mir einen fetten, vergoldeten Stein im Brett, auch wenn ich in Sachen Marketing immer noch ein Problem mit den Schweizern habe.

Auch sie haben sich etwas „Neues“ ausgedacht, von dem ihr aber nix erfahrt, wenn ihr nicht danach sucht.

Mit der neuen S-Klasse macht Jura exakt dasselbe wie DeLonghi mit der PrimaDonna Soul: Die Features aus dem Luxusmodell Z8 werden in eine vernünftigere Maschine übersetzt. Auch hier kommt zum Beispiel das elektronisch steuerbare Mahlwerk unter eine nicht ganz so teure Haube.

Es juckt mich in den Fingern, die PrimaDonna Soul gegen eine Jura S8 antreten zu lassen. Interesse?

IFA 2020 Gastroback virtueller Messestand

Ich erwähne beide Marken auch deswegen, weil sie sich eine günstige Gelegenheit haben entgehen lassen: Wenn althergebrachte Marketing-Mechanismen wie Consumer-Messen fürs Erste unmöglich sind, wäre genau jetzt die Gelegenheit, alternative Präsentationsformate auszuprobieren!

Selbst die eher unsexy Marke Gastroback hat es hinbekommen, einen virtuellen Messestand zu konzipieren und so zumindest einen Hauch von Interaktion mit den Kunden zu erzeugen. Der Stand erzeugt zwar Schwindelgefühle – aber er bleibt im Gedächtnis.

IFA 2020 Gastroback virtueller Messestand

Genau dieses „Im-Gedächtnis-Bleiben“ wird ohne echte Touchpoints wie Messen und Events immer schwerer! Auch bei mir als Profi haben sich vor allem jene Kaffeevollautomaten eingegraben, zu denen mir die Marke irgendeine Form von Online-Erlebnis mitliefert.

Darum ist es auch „gefährlich“, dass ausgerechnet Melitta wiederum nicht an IFA interessiert gewesen ist, sondern mich direkt mit seiner Neuerung angeschrieben hat. Diese Neuerung heißt „LatteSelect“ und kommt ab November auf den Markt.

Auf den ersten Blick wirkt sie wie eine Melitta CI Touch. Sie soll aber „noch intuitiver“ sein – auch hier wird die „einfache Handhabung“ in den Vordergrund gespielt.

Ich bin mir fast sicher, dass diese Maschine einmal mehr überzeugt. Doch die Frage ist, ob das irgendwer mitbekommt. Denn Melitta läuft derzeit auf einem Mute-Modus, der so gar nicht zum sonst plappernden, freundlichen Image passt.

Plappern und freundlich sein – im virtuellen, übertragenen Sinne – gehört jedoch zu unserer neuen Realität. Denn wir müssen vorerst davon ausgehen, dass auch die IFA 2021 sowie alle anderen wichtigen (Kaffee-)Messen ins Wasser fallen.

Also ist es an der Zeit, sich in dieser neuen Realität lautstark und erinnerungswürdig einzurichten. Davon könnte am Ende das Überleben der eigenen Marke abhängen.

Habt ihr noch Neuigkeiten entdeckt, die ich featuren sollte? Lasst es mich in den Kommentaren wissen!

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