Ist entkoffeinierter Kaffee gesund, ungesund oder nicht gesund?

Moin! Ich bin Arne. Nach einigen Jahren als Barista habe ich mich einer Mission verschrieben: mehr guten Kaffee unter die Leute zu bringen. Dafür stellen mein Team und ich eine breite Wissensbasis zum Thema Kaffee für euch bereit.

Wie wir testen | Unser Team

Entkoffeinierter oder „koffeinfreier“ Kaffee ist in etwa dasselbe wie glutenfreies Brot oder veganes Essen: Plötzlich stehen alle drauf, weil die koffeinbefreiten Bohnen angeblich gesünder sind als ihre koffeinhaltigen Verwandten.

Entkoffeinierter oder „koffeinfreier“ Kaffee ist in etwa dasselbe wie glutenfreies Brot oder veganes Essen: Plötzlich stehen alle drauf, weil die koffeinbefreiten Bohnen angeblich gesünder sind als ihre koffeinhaltigen Verwandten.

Wir haben schon mehrfach besprochen, dass Koffein und Kaffee gute und schlechte Seiten haben können. Im Sport, zum Beispiel. Oder im Schlaf, beim Stoffwechsel und in Schwangerschaft oder Stillzeit.

Zur Feier meiner entkoffeinierten Kaffeebohnen für Vollautomaten und Siebträger drehen wir das Ganze um und fragen, was „koffeinfreier Kaffee“ für euer Wohlbefinden tun kann – oder auch nicht. Und das fragen wir nicht irgendwen, sondern die Wissenschaft.

Vorteile & Nebenwirkungen: Warum ist entkoffeinierter Kaffee (nicht) gesund?

  • Hoher Anteil an Chlorogensäure mit vielen positiven Eigenschaften
  • Keine negativen Auswirkungen von Koffein (etwa bei hohem Blutdruck)
  • Specialty Coffee Röstungen kaum von normalem Kaffee zu unterscheiden
  • Neue Entkoffeinierungsmethoden ohne jegliche Gesundheitsbedenken
  • Ohne Koffein heißt nicht automatisch verträglicher (Kaffee enthält über 1.000 Stoffe)
  • Für den „Entzug“ bei gewohnheitsmäßig hohem Konsum eher ungeeignet
  • Mit der Entkoffeinierung verlieren Bohnen stets an Aromen
  • Industrielle Decafbohnen weiterhin von schlechter Qualität

Koffein & Gesundheit: Was steckt (noch) in Decaf-Kaffeebohnen?

Kaffee besteht aus über 1.000 bekannten Stoffen, von denen noch längst nicht alle vollständig erforscht sind. Koffein ist dabei zwar Wirkstoff Nummer eins, aber eben nicht allein für alles verantwortlich.

Frsche entkoffeinierte Bohnen in Verpackung

Koffein blockiert als sogenannter Adenosin-Rezeptor-Antagonist natürliche Erschöpfungs- und Ermüdungsprozesse im Körper und sorgt so einerseits für den Wachmachereffekt, andererseits aber auch für Probleme wie Herzrasen oder Bluthochdruck.1

Gleichzeitig enthält Kaffee eine hohe Menge an Chlorogensäure (Chlorogenic Acid, CGA). Und diese ist (nicht nur) im Zusammenhang mit entkoffeiniertem Kaffee besonders interessant.

Pflanzen-Chemie für den Zellschutz: Chlorogensäure statt Koffein?

Chlorogensäure ist ein Polyphenol, das ausschließlich in Pflanzen vorkommt und in der Wellness- und Health-Industrie als sogenanntes Antioxidans gefeiert wird. Bis zu acht Prozent einer rohen Kaffeebohne bestehen aus CGA – je nach Herkunft, Varietät, Aufbereitung usw.

Kaffeeaufbereitung Äthiopien

Mit zunehmender Röstdauer sinkt zwar die CGA-Konzentration, trotzdem kann eine Tasse Kaffee zwischen 70 und 350 Milligram enthalten.2 Geht es nach der Herkunft und typischer Röstung, haben hell geröstete Kaffeebohnen aus Äthiopien die höchste CGA-Konzentration (ebd.).

Die Wirkung von Chlorogensäure als Antioxidans und Entzündungshemmer ist ausführlich untersucht.3 Aus diesen beiden Grundeigenschaften ergeben sich viele Vorteile für den Körper:4

  • Zellschutz & Schutz vor „oxidativem Stress“

  • Bindung & Neutralisierung verschiedener Zellgifte

  • Bessere Wundheilung

  • Schutz vor Zellmutationen

  • Schutz der Leber

  • Blutzucker-Regulierung

  • Schutz für das Herz-Kreislauf-System

  • Regulierung von Körpergewicht & Metabolismus

Koffein und Chlorogensäure sind unmittelbar miteinander verbunden – und zwar buchstäblich. Verfahren zur Entkoffeinierung funktionieren nur, weil sie die Chlorogensäure aus der Bohne lösen und das Koffein quasi im Huckepack mitentfernen.

Die gute Nachricht: Eine typische Tasse entkoffeinierter Kaffee mit einer Menge von 270 Milliliter hat in klinischen Messungen dennoch einen CGA-Gehalt von rund 260 Milligramm geliefert.5 Das sind nur rund 15 Prozent weniger als in vergleichbarem Koffein-Kaffee.

Die noch bessere Nachricht: Der Großteil der wissenschaftlichen Untersuchungen findet keine negativen toxischen Eigenschaften von CGA.6

Allerdings enthält Kaffee nicht nur diese Säure, sondern eine ganze Reihe an Verbindungen, deren Wirkung auf den Körper wiederum nicht so umfassend erforscht ist oder die nicht so viele wünschenswerte Effekte haben.7  

Darum ist entkoffeinierter Kaffee eben nicht einfach nur eine CGA-Bombe ohne die negativen Nebenwirkungen von Koffein – sondern ein Stoffkomplex mit über 1.000 Komponenten, die alle zusammenwirken.8 

Aber der CGA-Gehalt ist ein Grund, warum „koffeinfreier“ Kaffee inzwischen als so gesundheitsförderlich gilt. Das war mal andersrum.

Die Methode macht den Unterschied: Welcher entkoffeinierte Kaffee ist gesund oder ungesund?

Die Gesundheitsfrage rund um entkoffeinierten Kaffee stellte sich bisher weniger wegen der Inhaltsstoffe, sondern hauptsächlich wegen der Methoden zur Entkoffeinierung. Alle beruhen auf demselben Grundprinzip:

Rohe Kaffeebohnen werden mit einem Lösungsmittel behandelt, das Koffein herauslöst. Anschließend werden die Bohnen gereinigt und geröstet. 

Der Begriff Lösungsmittel klingt nicht gerade natürlich oder unbedenklich – und bei entkoffeiniertem Kaffee war dieser Eindruck eine ganze Weile korrekt.

Roselius Verfahren: Achtung, krebserregend

Entkoffeinierung Methoden

Die ursprüngliche Methode zur Entkoffeinierung setzte auf Benzol als Lösungsmittel. Dieses Roselius Verfahren war tatsächlich giftig. 

Auch wenn Benzol einen Siedepunkt von 80 Grad Celsius hat und Rückstände beim Rösten (weitestgehend) entfernt wurde, traute niemand dem fertigen Kaffee. Zurecht.

Neue Methoden, besserer koffeinfreier Kaffee?

Entkoffeinierter Kaffee hatte zwar noch nie den gleichen Stand wie klassische Bohnen, war aber schon immer eine wichtige Nische. Darum suchte man nach (günstigen) Lösungsmitteln, die nicht so problematisch sind wie Benzol. Man fand gleich mehrere:

  1. Direktes Verfahren mit Dichlormethan 

  2. Direktes Verfahren mit Ethylacetat (Sugar Cane Verfahren)

  3. Entkoffeinierung mit Stickstoff 

  4. Koffeinhaltiges Wasser als Lösungsmittel (Swiss Water Process)

  5. Entkoffeinierung mit Kohlenstoffdioxid

Schaufel frischer grüner koffeinfreier Kaffee

Auch Dichlormethan ist gesundheitlich zumindest fraglich, war aber bisher die Decaf-Methode der Industriewahl. 

Zwar siedet dieser Stoff schon bei unter 40 Grad Celsius (und Rösten findet bei deutlich höheren Temperaturen statt). Trotzdem bleiben für manche Bedenken – ob sie nun begründet sind oder nicht. Alle anderen Verfahren sind vollkommen unbedenklich – aber in Teilen unwirtschaftlich.

Ist „koffeinfreier“ Kaffee jetzt gesund?

Für unsere Kaffeebohnen kommt zum Beispiel das Sugar Cane Verfahren zum Einsatz. Ethylacetat als Mischung aus Alkohol und Essigsäure wird aus Zuckerrohr-Melasse hergestellt und dockt an die mit Koffein verbundene Chlorogensäure in der Kaffeebohne an.

Im Verfahren wird das gesamte Ethylacetat wieder aus den Bohnen entfernt, auch wenn der natürliche Ester vollkommen unbedenklich ist.

Sollte euch ein Hersteller oder Röster entkoffeinierter Bohnen nichts über das eingesetzte Verfahren verraten, könnt ihr von der Dichlormethan-Methode ausgehen. Mit allen anderen Verfahren wird kräftig Werbung und Marketing betrieben.

Denn: Auch wenn es heute keine ungesunden oder fraglichen Entkoffeinierungsmethoden mehr gibt, besteht zwischen der „natürlichen“ Aufbereitung mit Wasser, Zuckerrohr oder Kohlendioxid und der Verwendung von toxisch klingenden Stoffen wie Dichlormethan ein himmelweiter Kommunikationsunterschied. Und das wissen auch Decaf-Produzenten.

Schädlich – Blutdruck, Herzrasen, Schwangerschaft: Besser koffeinfrei?

Schwangerschaft Kaffee und Koffein

Ob Kaffee gesund oder ungesund ist, wird praktisch diskutiert, seit er existiert. Mit zunehmender Aufklärung über die Wirkung von Koffein wird immer deutlicher, dass:

  1. Menschen unterschiedlich auf die positiven und negativen Wirkungen reagieren

  2. Die meisten Menschen gewohnheitsmäßig zu viel Koffein zu sich nehmen

  3. Gerade diese Menschen stärker auf negative Folgen reagieren

Wer etwa regelmäßig (viel) Kaffee trinkt, leidet häufiger unter Schlafproblemen als Menschen mit geringem Konsum9– selbst, wenn er vor dem Schlafen keinen Kaffee trinkt.

Entkoffeinierter Kaffee ist aber nicht der direkte Weg zur Entwöhnung. Im Gegenteil. Ab einer bestimmten Gewöhnungsstufe kann unser Gehirn in vielen Fällen keinen Unterschied zwischen Caf und Nocaf ausmachen.10 

Bei einer Personengruppe häufen sich jedoch die Indizien, dass sie deutlich weniger Koffein zu sich nehmen sollte als bisher angenommen:

Schwangere und Stillende sollten nach neuesten Hinweisen ihren Konsum nicht nur senken (auf bisher 200 Milligramm Koffein pro Tag), sondern drastisch reduzieren (möglicherweise bis unter 100 Milligramm pro Tag). Entkoffeinierter Kaffee kann hier auf jeden Fall eine Entwöhnungshilfe sein.

Fazit: Mit guten Bohnen & entkoffeiniertem Kaffee zu mehr Gesundheit?

Genauso wenig, wie ihr von einer Tasse Kaffee gleich eine Koffeinvergiftung bekommt, können euch Decafbohnen automatisch gesünder machen. Kaffee ist kein isoliertes Getränk, sondern in eine Lebenswelt eingebettet, in der viele Faktoren zu eurer Gesundheit und zu eurem Wohlbefinden beitragen – oder dagegen arbeiten.

Entkoffeinierter Kaffee ist jedoch eine gute Möglichkeit, euer Gehirn zu überlisten und negative Reaktionen oder Wirkungen eures normalen Konsums abzufedern. 

Das klappt am besten mit hervorragenden, handwerklich gerösteten Bohnen. Die findet ihr in meinem Shop – oder auch in meinem Entkoffeinierte Kaffeebohnen Test 2024.

Bis dahin freue ich mich auf eure Vorschläge: Welche Bohnen ohne Koffein könnt ihr empfehlen? Welche Gesundheitsthemen interessieren euch noch? Hinterlasst mir gern einen Kommentar!

FAQ zu Gesundheit & koffeinfreiem Kaffee

Wer empfindlich auf (zu viel) Koffein reagiert, kann mit entkoffeiniertem Kaffee tatsächlich „gesünder“ leben. Allerdings enthält Kaffee deutlich mehr Stoffe, die auf den Körper und das Wohlbefinden wirken können.

Handwerklich gerösteter entkoffeinierter Kaffee ist von einer normalen Tasse nicht zu unterscheiden, kommt aber ohne biologischen Wachmachereffekt aus.

Das kommt auf euren Körper an. Da Kaffee nicht nur Koffein, sondern viele Säuren enthält, können empfindliche Menschen auch darauf reagieren. 

Dazu konnte ich bisher keine offizielle Empfehlung finden.

Quellen:

  1. Ho et al. (2012) Nutritional neuroscience: „Dietary supplementation with decaffeinated green coffee improves diet-induced insulin resistance and brain energy metabolism in mice“ ↩︎
  2. Awwad et al. (2021) Molecules: „Quantification of Caffeine and Chlorogenic Acid in Green and Roasted Coffee Samples Using HPLC-DAD and Evaluation of the Effect of Degree of Roasting on Their Levels.“ ↩︎
  3. Tajik et al. (2017) European journal of nutrition: „The potential effects of chlorogenic acid, the main phenolic components in coffee, on health: a comprehensive review of the literature.“ ↩︎
  4. Farah & de Paula Lima (2019) Beverages: „Consumption of Chlorogenic Acids through Coffee and Health Implications“ ↩︎
  5. Dijk et al. (2009) Diabetes care: „Acute effects of decaffeinated coffee and the major coffee components chlorogenic acid and trigonelline on glucose tolerance.↩︎
  6. Behne et al. (2023) Molecules: „Risk Assessment of Chlorogenic and Isochlorogenic Acids in Coffee By-Products“ ↩︎
  7. Rune et al. (2023) Current Research in Food Science: „Acids in brewed coffees: Chemical composition and sensory threshold“ ↩︎
  8. Farah & de Paula Lima (2019) Beverages: „Consumption of Chlorogenic Acids through Coffee and Health Implications“ ↩︎
  9. Orbeta et al. (2006) The Journal of adolescent health: „High caffeine intake in adolescents: associations with difficulty sleeping and feeling tired in the morning.“ ↩︎
  10. Mills et al. (2023) Journal of Psychopharmacology: Reduction in caffeine withdrawal after open-label decaffeinated coffee. ↩︎
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Arne Preuss

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