Ich glaube, ich hätte mir keine bessere Zeit aussuchen können, um meinen Uralt-Artikel zur Frage „Ist Kaffee gesund“ aufzumöbeln. Schließlich leben wir in einem Zeitalter, in dem Menschen genauso intensiv nach der Gesundheitsformel suchen wie in den Neunzigern nach dem perfekten Neon-Top.
Ich glaube, ich hätte mir keine bessere Zeit aussuchen können, um meinen Uralt-Artikel zur Frage „Ist Kaffee gesund“ aufzumöbeln. Schließlich leben wir in einem Zeitalter, in dem Menschen genauso intensiv nach der Gesundheitsformel suchen wie in den Neunzigern nach dem perfekten Neon-Top.
Und weil das Internet nun einmal so ist wie es ist, darf jeder seine ultimative Wahrheit in die Welt hinausposaunen – und keiner weiß mehr, was am Ende stimmt. Zahlreiche Lebens- und Genussmittel werden in jüngster Zeit praktisch im Wochentakt neu bewertet. Kaffee ergeht es dabei genauso wie Brot, Avocados oder Kokosöl:
Koffein ist mal ein Segen und mal eine nukleare Katastrophe für den Körper. Die enthaltenen Bestandteile der Kaffeebohnen in eurem Cappuccino oder Filterkaffee sind mal krebserregend und dann wieder die Ursache für ein langes Leben und glänzende Haare.
Ich bin kein Mediziner und werde mich davor hüten, euch eine definitive Antwort auf die Frage „Ist Kaffee gesund“ zu geben. Ich möchte euch vielmehr einen Überblick über wissenschaftliche Lehrmeinungen und grassierende Glaubenssätze liefern. Außerdem will ich darstellen, an welchen Stoffen sich die Diskussion um Kaffeebohne und Koffein eigentlich entzündet – und warum das so ist.
Dabei nehme ich die Sache oft nicht ganz so ernst, wie man es in einem solchen Text vielleicht erwartet. Denn ich finde, dass der Diskurs viel zu verbissen geführt wird und dem Kaffee eine „medizinische“ Bedeutung unterstellt, die er gar nicht hat.
Das mag vielleicht daran liegen, dass viele Annahmen zum Kaffee, die unreflektiert durch die Gegend schwirren, unserem Verständnis von „Fitness, Health und Instagram-Schönheit“ zuwider laufen. Es mag auch daran liegen, dass hinter bestimmten Informationen häufig bestimmte Interessen stehen.
Mir ist es völlig egal, welchen Schluss ihr aus diesem Wissen zieht und wie es euren Kaffeekonsum beeinflusst – oder nicht. Mir ist es nur wichtig, dass ihr einen wichtigen Satz
Inhaltsverzeichnis
Der feine Unterschied zwischen Gefühl, Hinweis und Tatsache
Bevor wir uns an die einzelnen medizinischen Indikationen und Bestandteile im Kaffee machen, will ich etwas vorwegschicken, das ich bereits im Artikel zum Unterschied zwischen Robusta und Arabica gesagt habe:
Ein Großteil der Diskussion um den Gesundheitswert von Kaffee beruht wortwörtlich auf dem Bauchgefühl.
Manche bekommen schon nach einem Espresso ein Magengrimmen und machen dafür erst einmal den Kaffee verantwortlich. Andere kippen sich literweise Filterkaffee in den Bauch und spüren noch nicht einmal ein kleines Ziehen.
Es ist tatsächlich für keinen einzigen relevanten Bestandteil der Kaffeebohne erwiesen, dass er der definitive Verursacher bestimmter Kaffeesymptome ist – Bauchgrimmen, hoher oder niedriger Blutdruck, die Sache mit dem Wasserentzug und so weiter, und so weiter. Genauso wenig ist erwiesen, dass die positiven Eigenschaften im Kaffee tatsächlich wahr sind.
Schon die schiere Flut an Artikeln und Studien zur Frage „Ist Kaffee gesund“ zeigt euch, dass man nur die Perspektive verändern muss, um zu einem anderen Ergebnis zu kommen.
Dennoch gibt es Studien zu bestimmten Stoffgruppen im Kaffee, die nahelegen, dass ein direkter Zusammenhang zwischen der Gesundheit und dem Kaffeegenuss bestehen könnte. Eine relativ neue Untersuchung von 2018 verweist darauf, dass Kaffeetrinker tendenziell ein geringeres Sterberisiko haben. Diese Langzeitstudie wird von ähnlichen Untersuchungen untermauert.
Man muss sich aber davor hüten, diesen Zusammenhang über zu bewerten. Wie auch der Abstract der eben erwähnten Studie sagt, muss das Wörtchen kann betont werden, außerdem ist der Kaffeegenuss nur ein kleiner Teil unserer Lebensweise. Und nur, weil ein Zusammenhang besteht, heißt dies immer noch nicht, dass der Kaffee dafür verantwortlich ist. Erst einmal macht er nur nichts schlimmer.
Denn wenn wir genau hinsehen, ist diese Studie nur dazu dagewesen, die negative Korrelation von Sterblichkeit und Kaffeekonsum zu untersuchen. Von einer positiven Erwartungshaltung war gar nicht die Rede.
Ich werde hier so kleinlich, weil ich uns alle dazu anregen möchte, sexy Schlagzeilen wie „Kaffeetrinker leben länger“ (Zeit-Artikel von 2017) genau zu hinterfragen. Für Schlagzeilen wie „Wie gefährlich ist Koffein?“ (Spiegel Online-Artikel von 2017) gilt dies natürlich genauso.
Hier erfahrt ihr nämlich im Text, dass ein 16-Jähriger aus den USA gestorben ist, nachdem er innerhalb von zwei Stunden mehrere Liter Energydrinks, koffeinversetzte Limo und „einen Caffè Latte“ getrunken hatte. Die reißerische Überschrift hätte also eigentlich lauten müssen „Jugendlicher stirbt an einer tödlichen Mischung mehrerer Koffeingetränke in rauen Mengen“ – oder so ähnlich.
Im gleichen Maße, wie Kaffee als Lifestyle-Thema immer wichtiger wird, sinkt das Objektivitätsniveau der Berichterstattung. Das ist keine Überraschung.
Wenn euch also das nächste Mal der Magen drückt, nachdem ihr einen Kaffee getrunken habt, solltet ihr nicht pauschal das Getränk dafür verantwortlich machen, sondern überlegen, welche Faktoren zusammenspielen, um euch dieses Gefühl zu bescheren.
Doch stellen wir uns nun die wichtigsten Fragen rund um die Gesundheits- und Krankheitsversprechen zum Thema Kaffee.
Entzieht Kaffee dem Körper Wasser?
Diese Frage ist mein absoluter Favorit – ich frage mich ernsthaft, wie man überhaupt auf die Idee kommen kann. Trinken wir einen Kaffee, kippen wir ein Gemisch in uns hinein, das zu 98 Prozent aus Wasser besteht.
Und wie es die Natur will, kommt Flüssigkeit, die wir oben reinkippen, am Ende als Pipi wieder aus uns heraus. Das ist der Lauf der Dinge. Die Frage suggeriert jedoch, dass Kaffee eine wie auch immer geartete „Saugfunktion“ hat, die uns mit jedem Schluck näher an den Mumien-Look bringt.
Selbst ohne medizinischen Abschluss kann ich euch sagen: Das ist kompletter Quark – zumindest, was den WasserENTZUG betrifft.
Kaffee hat zwar eine harntreibende und nierenaktivierende Wirkung, aber auch dabei gilt das eben erwähnte Rein-Raus-Prinzip: Von der Flüssigkeit, die wir in Form von Kaffee zu uns nehmen, werden rund 84 Prozent unverändert und unverarbeitet wieder ausgeschieden. Im Körper verbleiben nur einige Makronährstoffe des Kaffees sowie das Koffein, das sich im Blut breitmacht.
Doch das Plörre-Molekül als solches ist gar nicht in der Lage, irgendwo noch mehr Flüssigkeit aus den Zellen zu ziehen und mitzunehmen. Von Entzug kann also keine Rede sein. Experten nennen dies die „extrazelluläre“ Wirkung des Kaffees – im Gegensatz zur intrazellulären Wirkung, die hinter der Frage nach der Dehydrierung durch Kaffee steht.
Hinzu kommt, dass sich die harntreibende Wirkung laut Ernährungsexperten erst beim Genuss von mehr als sechs Tassen bemerkbar macht und bei regelmäßigem Konsum durch Gewöhnungseffekte verfliegt. Wäre dies anders, müssten Kaffeebars die Urinale gleich an die Theke montieren – alles andere wäre fahrlässig.
Doch warum haben wir dennoch stets den Eindruck, dass wir nach dem Kaffeetrinken erst einmal aufs Klo müssen? Da wären wir wieder bei der Sache mit dem Gefühl – und unserer Kaffeekultur. Schaut euch mal euren Kaffeekonsum genauer an:
Im Café haben wir uns angewöhnt, zum Espresso und anderen Kaffees ein obligatorisches Glas Leitungswasser zu trinken – eben wegen der antrainierten „Entzugserscheinungen“. Die menschliche Harnblase zeigt bei Männern ab rund 350 Millilitern einen stärkeren Harndrang an. Bei Frauen passiert das schon bei rund 250 Millilitern.
Das Glas Wasser fasst um die 150 Milliliter, je nach Kaffee kommen dann noch einmal 25 bis 250 Milliliter Flüssigkeit obendrauf. Bumms, die Toilette ruft relativ schnell – solange unsere Nieren gut funktionieren. Bei einem Latte Macchiato habt ihr mit bis 350 Milliliter euer Flüssigkeitsmaximum sowieso schnell erreicht.
Zuhause trinken wir ebenfalls meist riesige Becher Kaffee und dazu noch Wasser, Tee oder andere Dinge, um den Durst zu löschen. Denn der Kaffee ist dafür nicht vorgesehen. Der Kaffee ist hier also ebenfalls nicht das Problem, es sind die „flankierenden“ Flüssigkeiten. Aber weil wir alle noch diesen Mythos verinnerlicht haben, geben wir dem Kaffee die Schuld an der Wasserlasserei.
Andersherum: Zählt Kaffee zum täglichen Flüssigkeitsbedarf?
Auch diese Frage wird ausnehmend intensiv diskutiert – könnte aber schon an der Tatsache scheitern, dass keiner so genau weiß, wieviel wir eigentlich täglich trinken sollen. Die gängige Lehrmeinung hat sich momentan bei rund 1,5 bis zwei Litern festgesetzt.
Eines meiner Teammitglieder ist aber nur funktionsfähig, wenn sie wenigstens vier Liter am Tag in sich hinein schüttet – glaubt sie zumindest. Andere im Coffeeness-Team haben auch mit einem Liter keine Probleme.
Einig sind sich alle nur, dass zwar auch Nahrung und flüssige Leckereien zur Bedarfsdeckung beitragen. Doch reines Wasser und ungesüßte Kräutertees sollten den Löwenanteil ausmachen, um unsere Zellen und den Stoffwechsel frisch zu halten. Wer täglich drei Liter Cola trinkt, bekommt zwar genug Wasser ab, hat aber mit Übergewicht und anderen Problemen zu kämpfen.
So ähnlich sehe ich das auch bei Kaffee. Auch wenn dieser grundsätzlich zur Tagesmenge beiträgt, sollte man ihn raus rechnen und für sich als „Genussmittel“ stehen lassen. Damit nimmt man der Kaffeepause den Zwangsfaktor, denkt nicht an den Flüssigkeitshaushalt, sondern konzentriert sich auf den Genuss. Und ansonsten sollte man schlicht und einfach auf sein Durstgefühl hören – und dann ein Glas Wasser trinken.
Darum finde ich den folgenden Mediziner-Satz aus einem Expertenforum für Ernährung auch so gut: „Trinkt jemand täglich mehr als vier bis fünf Tassen, ist fraglich, ob sie auch ausreichend Flüssigkeit aus anderen Getränken aufnimmt.“ Will heißen: Wer Kaffee als Flüssigkeitslieferanten betrachtet, macht grundsätzlich irgendwas falsch.
Der große Zoff ums Koffein
Wollte ich alle Diskussionen rund um Koffein erschöpfend abbilden, müsste ich das halbe Internet für diesen Artikel reservieren. Unbestritten ist, dass das Alkaloid zu den psychoaktiven Substanzen gehört.
Tatsache ist auch, dass es laut GHS-Gefahrstoffkennzeichnung und der Verordnung EG 1272/2008 mit dem Ausrufezeichen für „Achtung“ versehen werden muss. Es hat nämlich ab einer bestimmten Konzentration eindeutig toxikologische Eigenschaften. Mit diesen ganzen Schreckensbegriffen lässt sich eine hübsche Negativpresse stricken – siehe der Spiegel-Artikel.
Der Stoff mit der komplizierten Summenformel C8H10N4O2 hat eine direkte stimulierende Wirkung auf unterschiedlichste Nerven. Dadurch „pumpt“ das Herz schneller, der Puls beschleunigt sich, wir können teilweise tiefer atmen, der Blutfluss im Gehirn wird schneller et cetera.
All das stellt sich rund 30 Minuten nach dem Kaffeegenuss ein. Das Ausmaß der Wirkung ist natürlich bei jedem Menschen unterschiedlich. Manche von uns haben bereits den Kolibri, wenn sie ein Stückchen Bitterschokolade essen. Denn auch in Kakao ist Koffein enthalten.
Andere sind schon so sehr daran gewöhnt, dass sie gar nichts mehr zu spüren meinen. Eine super Übersicht zur Wirkung von Koffein findet ihr in diesem Artikel der Apotheken Umschau.
Koffein ist also tatsächlich anderen „Drogen“ sehr ähnlich: Mit zunehmender Gebrauchskarriere braucht der Körper mehr, um noch darauf zu reagieren.
Die Diskussion um Koffein dreht sich gern auch um die Frage, ob es den Blutdruck erhöht oder nicht – und deshalb für Menschen mit Problemen in diesem Bereich ungeeignet ist. Hier gilt aktuell die Erkenntnis, dass Koffein den Blutdruck nur minimal steigen lässt – und dies ebenso nur bis zu einem gewissen Gewöhnungsgrad.
Dieser Auffassung folgt zumindest die Deutsche Herzstiftung – und die sollte ja wissen, was sie da propagiert. Die Experten dort gehen sogar so weit, auch Menschen mit nachgewiesen erhöhtem Blutdruck den Genuss von bis zu fünf (!) Tassen pro Tag zu erlauben.
Schön finde ich, dass auch der zitierte Herzspezialist aussagt, man solle seinen eigenen Körper genau beobachten und bei eventuellen „Kaffee-Symptomen“ einfach vorsichtiger mit dem Genuss sein. Kein Dogma, kein erhobener Zeigefinger, einfach gesunder Menschenverstand.
Falls ihr den perfekten Aluhut-Rant zum Thema Koffein und dessen Wirkung lesen wollt, schaut den Artikel „Kaffee ist ungesund“ auf der Seite „Zentrum der Gesundheit“ an, den ich hier bewusst nicht verlinken will.
Dahinter steht eine sehr dubiose „Plattform“ für Nahrungsergänzungsmittel, doch die Seite wird als hoch vertrauenswürdig eingestuft – zumindest von den unbedarften Lesern. Ich will euch damit sensibilisieren, dass ihr bei Reizthemen wie auch der Kaffeefrage „Gesund oder nicht“ immer genau auf den Absender achten solltet.
Magenrumpeln aus der Tasse? Das Thema Chlorogensäure (und die Bitterstoffe)
Kommen wir zurück zum schon erwähnten Artikel zum Unterschied zwischen Robusta und Arabica. Einer dieser Unterschiede ist der Gehalt an Chlorogensäure – Robusta enthält doppelt so viel wie Arabica.
Dieser Kaffeesäureester ist so etwas wie der Sündenbock für die Magenprobleme, die viele häufig nach dem Kaffeekonsum verspüren. Irgendwann hat irgendjemand mal herausgefunden, dass diese Säure eventuell Magenschmerzen verursachen könnte. Und weil der Name allein schon fies klingt, war das perfekte Schreckgespenst neben Gluten und Zucker gefunden.
Dabei existieren Gegenstudien an Mäusen, die gezeigt haben, dass Magengeschwüre und Krebszellen positiv durch Chlorogensäure beeinflusst werden können. Gleichzeitig sollen Abnehmwillige neuerdings Chlorogensäure-Kapseln oder grünen Kaffee zu sich nehmen, damit die Zahl auf der Waage wieder Freude macht. Denn die Säure soll den Fettstoffwechsel anregen. Auch hier wieder: zumindest bei Mäusen.
Für uns ist indes aber eher wichtig, dass diese Säure in nennenswerter Konzentration vor allem in der Rohbohne vorkommt und beim Rösten signifikant reduziert wird. Je langsamer und schonender das passiert, desto besser gelingt der Abbau.
Außerdem gilt auch hier wieder eine klare Ansage: Die Dosis macht das Gift! Der Fitzel Chlorogensäure im fertig gebrühten Kaffee kann vielleicht für Magenprobleme verantwortlich sein, muss es aber nicht.
Und wenn wir es ganz genau nehmen, sollten wir uns auch die Bitterstoffe im Kaffee anschauen. Diese sind nämlich nachgewiesene Trigger für Unverträglichkeitsreaktionen, zu denen auch – here we go – Magenschmerzen gehören können.
Neumodisch redet man in diesem Fall gern von einer „Histaminunverträglichkeit“, die allerdings wieder mal in merkwürdigen Kreisen populärwissenschaftlich durchs Dorf gejagt wird.
Die Hysterie à la Gluten kann ich jetzt schon am Horizont sehen und möchte deshalb auch keine „wissenschaftliche“ Quelle verlinken – die ich bis jetzt nicht finden konnte.
Für uns ist nur wichtig zu verstehen, dass es mehrere Ursachen für Magengrummeln nach dem Kaffeegenuss geben kann – aber es kann genauso gut nichts passieren.
Ich mag diesen Artikel im „Magen-Darm-Ratgeber“ zur Frage „Blähungen, Sodbrennen und Magenschmerzen durch Kaffee?“, weil er vorbildlich mit Begriffen wie „vermutlich“, „kann“ und „gelegentlich“ arbeitet.
Macht Kaffee schlank, gesund und sexy?
Je nach Studie findet ihr Hinweise darauf, dass Kaffee die Fettverbrennung anregt und deshalb beim Abnehmen hilft. Da Koffein den Stoffwechsel beschleunigen kann, ist diese Idee gar nicht so dumm.
Aber auch hier müssen wir wieder genauer lesen: Eine dieser Studien untersucht den Zusammenhang von Koffein mit dem erfolgreichen Halten des Gewichts. Keiner hat was von Abnehmen gesagt.
Allerdings müsstet ihr über den Daumen gepeilt nach anderen Angaben 12 Tassen pro Tag trinken und vorher niemals Kaffee zu euch genommen haben, damit ihr überhaupt was spürt. Und der Effekt wäre wegen der Gewöhnung schnell wieder vorbei. Dennoch führt dieses tolle Versprechen zu Artikeln wie „Kaffee ist ein Kalorienkiller“ (Bild der Frau).
Hier kommt in meinen Augen der sogenannte „Halo Effekt“ zum Tragen. Aufgebrühter Kaffee hat praktisch keine Kalorien und sorgt dafür, dass wir uns für eine Weile aktiv und angeregt fühlen. Null Kalorien und ein vitales Gefühl sorgen schnell dafür, dass wir von Kaffee als Schlankmacher reden – wir schließen als von bekannten positiven Eigenschaften auf unbekannte positive Eigenschaften.
Das erklärt auch, warum selbst wirklich gesundheitsfanatische Menschen allen Ernstes davon ausgehen, dass ihr dritter Triple Moccacino Latte mit Karamellsirup an diesem Tag kein Problem ist – ist ja Kaffee, ergo gesund.
Dass aus einem Null-Kaloriengetränk dann schnell mal 400 Kilokalorien-Kracher werden, angereichert mit Fett, Zucker und Chemie, ignorieren sie schon wegen des Halo-Effekts. Und genau deshalb verstecken große Kaffeehausketten ihre Nährwerte in praktisch unlesbaren Tabellen. Nicht wahr, Starbucks?
In diesem Zusammenhang will ich auch noch einmal kurz auf Bulletproof Coffee eingehen. Bis vor kurzem war die Mischung aus Kaffee, Kokosfett und Butter ein absoluter Health-Hype, der auch das Wörtchen „Schlankmacher“ mehr als einmal benutzt hat.
Inzwischen sieht und hört man davon nichts mehr. Warum? Erstens, weil sich unsere Einstellung zu Kohlenhydraten und dem „Gegenspieler“ Fett gerade einmal mehr verschiebt. Zweitens, weil sich die Mischung einfach nicht so richtig massenwirksam vermarkten ließ. Drittens, weil auch dieser Health-Claim in Zusammenhang mit Kaffee dafür sorgt, dass wir etwas falsch verstehen:
Kaffee soll keine wie auch immer geartete Wirkung haben müssen. Kaffee ist. Ein Genussmittel, eine Philosophie, ein Stück Kultur, eine Kunst. Alle Effekte, die er möglicherweise hat, sind Nebenschauplätze.
Den Blick erweitern: Was „gesunden Kaffee“ wirklich ausmacht
Nach der ganzen Medizin möchte ich euch noch eine andere Perspektive auf das Thema eröffnen. Die World Health Organisation (WHO) definiert Gesundheit als „Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“
Ich finde diese Sichtweise gerade in Zusammenhang mit Kaffee sehr wichtig. Denn bei diesem Luxusgut wird zwar heftig über die körperlichen Aspekte diskutiert, doch die soziale Komponente bleibt gern mal außen vor.
Dabei wäre sie gerade hier angebracht. Schließlich importieren wir Kaffee aus den ärmsten Ländern der Welt, wo er von hart arbeitenden Menschen für uns angebaut, geerntet und aufbereitet wird.
Dafür zahlen wir einen gewissen Betrag, der bisher noch nicht flächendeckend den eigentlichen Wert des Gutes abbildet. Mehr dazu im Text „Was bekommen Kaffeebauern?“
Ich will natürlich darauf hinaus, dass ein Pfund Supermarktkaffee für 3,90 Euro ganz sicher nicht gesund ist, eben weil er auf Ausbeutung und damit sozialer Ungleichheit beruht.
Aus dieser sozialen Kluft ergeben sich in den Herstellerländern dann auch höhere Krankheits- und Sterblichkeitsraten, ein niedrigerer Bildungs- und Lebensstandard und allgemein ein stark herabgesetztes Wohlergehen. Also alles andere als Gesundheit.
Ist Kaffee gesund? Für mich ja!
Meine Uroma war felsenfest davon überzeugt, dass Kaffee schlaffördernd wirkt. Sie hat früher ein Altenheim geleitet und berichtete, sie habe den Bewohnern, wenn diese nicht schlafen konnten, Kaffee gegeben.
Danach wurden diese schleunigst ins Bett befördert und schliefen meist schnell ein. Heute weiß man, dass das Schlafzentrum im Gehirn durch den Kaffeekonsum besser durchblutet wird. Allerdings sollte man sich schnell hinlegen, denn sonst gewinnt die aufputschende Wirkung die Oberhand.
Bis ich eine biologische Erklärung für die Behauptung meiner Uroma fand, war sie für mich wissenschaftlich ungefähr genauso haltbar wie meine persönliche Einstellung, dass Kaffee das Leben schöner und besser macht.
Die Wirkung von Kaffee ist so individuell und wird von so vielen Faktoren bestimmt, dass sie nur auf Erfahrungswerten beruhen kann. Dennoch können wir davon ausgehen, dass all das Schlechte, was jemals über Kaffee gesagt wurde, zu großen Teilen nicht stimmt. Es gilt also auf jeden Fall:
Und ich sage auch:
Doch er ist eben auch kein Medikament, sonst müssten eure Kaffeebohnen mit Beipackzettel verkauft werden. Wäre er wirklich so ungesund, würden im Umkehrschluss Warnhinweise und -bilder auf der Verpackung prangen.
Wenn Kaffee jedoch dazu beiträgt, dass ihr mit guter Laune in den Tag startet oder nachmittags ein bisschen runterkommt, dann ist das eine unbestreitbar positive Wirkung, für die es keine Studien braucht.
Wenn ihr aber merkt, dass ihr euch nach jedem Schluck Kaffee weniger gut fühlt, solltet ihr erstens euren Konsum überprüfen, zweitens die Bohnenqualität, Zubereitungsmethode und die dazugehörigen Parameter checken und erst drittens überlegen, ob es dafür physikalisch-chemische Ursachen im Körper geben könnte.
Ich möchte aber auch nicht unter den Tisch fallen lassen, dass Risikogruppen wie Schwangere, Stillende und Menschen mit sehr starkem Bluthochdruck ihren Kaffeekonsum minimieren und kontrollieren müssen. Das gebietet schon der gesunde Menschenverstand.
Und genau den wünsche ich mir in der Debatte um die Gesundheitsfrage bei Kaffee.
Wie ist eure Meinung dazu? Hinterlasst mir gerne einen Kommentar!