Entkoffeinierter Kaffee: Neustart für den Widerspruch?

Ich habe es schon mehrfach groß und breit angekündigt: Entkoffeinierter Kaffee wird uns demnächst intensiver beschäftigten. Dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens: die Nachfrage an Kaffee ohne Koffein nimmt beständig zu. Zweitens: die Hersteller scheinen den Markt für sich zu entdecken.

Entkoffeinierter Kaffee im Test

Ich habe es schon mehrfach groß und breit angekündigt: Entkoffeinierter Kaffee wird uns demnächst intensiver beschäftigten. Dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens: die Nachfrage an Kaffee ohne Koffein nimmt beständig zu. Zweitens: die Hersteller scheinen den Markt für sich zu entdecken.

Anno Knips habe ich schon einmal einen Text zum Thema entkoffeinierter Kaffee geschrieben, war aber der Meinung, dass er dringend ein Update benötigt, ergänzt und neu bewertet werden sollte.

Denn ich finde, dass wir die Frage, ob Kaffee ohne Koffein überhaupt noch Kaffee ist, mal genauer betrachten sollten: nicht nur chemisch, sondern auch geschmacklich. Denn hier tut sich wirklich eine Menge. Und der Kolumbien Decaf Quindio Pijao von Tres Cabezas Berlin ist dafür ein schöner Beweis.

Entkoffeinierter Kaffee im Vergleich

Außerdem will ich das Glossar zu Entkoffeinierungsmethoden erweitern und ergänzen und mich noch einmal intensiver mit den verschiedenen Techniken auseinandersetzen. Was ich aber definitiv NICHT tun werde, ist ein Urteil darüber zu fällen, ob entkoffeinierter Kaffee nun gesünder ist oder nicht.

Denn erstens gibt es keine wirklich endgültige Aussage zur Frage „Ist Kaffee gesund?“, zweitens ließe sich bestens darüber debattieren, welche Rolle das Koffein dabei überhaupt spielt.

Ich lasse jedoch zwingend das Argument gelten, dass manche auf Koffein empfindlich reagieren oder sich abends lieber nichts Aufputschendes mehr gönnen wollen. Und da ist entkoffeinierter Kaffee grundsätzlich eine gute Idee.

Einige Kommentatoren haben mich auch darauf hingewiesen, dass Koffein zum Beispiel ihren Tinnitus verstärkt und sie deshalb meiner damaligen Aussage, entkoffeinierter Kaffee sei Unsinn, unbedingt widersprechen müssen.

Und das Wort „Unsinn“ würde ich nach all diesen Erfahrungen bzw. Hinweisen von euch sicher nicht mehr benutzen. Für mich ist und bleibt entkoffeinierter Kaffee dennoch erst einmal ein Widerspruch. Und das liegt nun einmal in der Natur des Verfahrens, wie der Stoff aus der Bohne gelöst wird.

Diese Meinung kann ich mir von meinem hohen Blogger-Ross ohne Koffein-Probleme natürlich leicht leisten. Andere haben kaum eine Wahl, wenn sie nicht vollständig auf Kaffee verzichten möchten.

Kaffeebohnen-Test und Bohnenbild

Darum lasse ich die Gesundheitsfrage bewusst außen vor und debattiere lieber, was Koffein mit dem Kaffeearoma zu tun hat. Schon einmal vorweg: an sich nicht viel. Doch weil es ja erst einmal aus der Bohne rausgeholt werden muss, schon wieder eine ganze Menge.

Ihr seht: Entkoffeinierter Kaffee ist für mich immer noch eine sehr ambivalente Angelegenheit. Und dieser wollen wir uns jetzt einmal intensiv widmen.

Entkoffeinierter Kaffee – Zahlen, Daten, Fakten

Der von mir immer wieder zitierte Kaffeereport 2017 als Gemeinschaftswerk von Tchibo, Statista und brandeins hat auch etwas zum Thema entkoffeinierter Kaffee zu sagen.

Auf Seite 25 hält er fest, dass der Produktionswert von Rohkaffee ohne Koffein in Deutschland zwischen 2005 und 2015 beständig angestiegen ist. Gleiches gilt auch für Spanien, während in Italien wohl eine gegenläufige Entwicklung stattfindet.

Anders sieht die Entwicklung jedoch bei geröstetem entkoffeinierten Kaffee aus: Hier gehen die Produktionswerte zurück, lediglich Spanien legt beständig zu.

Deutschland holt sich seinen entkoffeinierten Röstkaffee vor allem aus Italien, der Schweiz und den Niederlanden (Seite 95), wobei der Schweizer Kaffee den höchsten Importwert hat. Aber Deutschland röstet eben auch immer häufiger lieber selbst, was den steigenden Anteil an Rohkaffee erklärt.

Leider ist es mir bisher unmöglich, eine verlässliche Zahl zum Pro-Kopf-Konsum an entkoffeiniertem Kaffee zu finden. Aber wir können da etwas um die Ecke schlussfolgern. 2016 betrug der Marktanteil von Kaffee HAG, dem deutschen Synonym für entkoffeinierten Kaffee, nur noch mickrige 2,4 Prozent.

Kaffee aus dem Handfilter - Entkoffeiniert

Ob am Gesamtmarkt oder im Decaf-Segment hält der Artikel der Stuttgarter Zeitung leider nicht fest. Und Statista rückt seine erhellenden Zahlen mal wieder nicht ohne teuren Premium-Account raus.

Insgesamt ist es aber weiterhin so, dass entkoffeinierter Kaffee ein Nischenprodukt mit einer bestimmten Zielgruppe ist und bleibt. Allerdings wird diese Zielgruppe immer diverser und legt zu. Schließlich ist das Gesundheitsthema der Hype der Stunde und Koffein spielt dabei – ob nun gerechtfertigt oder nicht – eine große Rolle.

Jede große {Kaffeemarke im Supermarkt}, gleich welcher Herkunft, hat wenigstens einen Decaf im Angebot und auch die kleinen Röstereien bieten immer öfter ein solches Produkt an. Zwar muss man diese (vermutlich besseren) Mischungen immer noch mit der Lupe suchen, aber hier bleibe ich für euch am Ball.

Decaf nicht Nocaf: Wie viel Koffein ist im entkoffeinierten Kaffee?

Chemisch gesehen ist Koffein ein Alkaloid aus der Gruppe der Xanthine. Und würde man es in kristalliner Form zu sich nehmen (was geht), würde es einen bitteren Geschmack haben. In einer ungerösteten Kaffeebohne ist das Alkaloid bis zu 2,6 Prozent vertreten, geröstet sind davon noch bis zu 2 Prozent da.

Dieser Anteil unterscheidet sich auch je nach Bohnensorte: Robusta enthält mehr Koffein als Arabica, wie ich in meinem Artikel zum Unterschied zwischen den beiden Varianten schon einmal erklärt habe.

Was davon in der Tasse ankommt, erfahrt ihr in meinem Artikel zum Thema „Wie viel Koffein ist im Kaffee und anderen Getränken“?

Es leuchtet ein, dass ein Produkt, aus dem ein unerwünschter Stoff erst entfernt werden muss, praktisch niemals zu 100 Prozent frei von diesem Stoff ist. Das gilt bei Bier genauso wie bei Kaffee. Darum ist die Bezeichnung koffeinfreier Kaffee inzwischen auch lebensmittelrechtlich verboten.

Denn zumindest in der EU dürfen immer noch bis zu 0,1 Prozent Koffein enthalten sein, wie die Verordnung über Kaffee, Kaffee- und Zichorien-Extrakte festhält. In den USA sind sogar bis zu 3 Prozent Koffein (in der ungerösteten Bohne) erlaubt, wie zum Beispiel dieser englische Abstract festhält.

Entkoffeinierung: Wie kommt das Koffein aus der Bohne?

Die Masterfrage bei der Entkoffeinierung lautet: Wie kriege ich aus dem dichten Substanzgebilde der Kaffeebohne einen Stoff raus, ohne gleich die anderen Stoffe mit heraus zu spülen?

Im Laufe der Jahrzehnte gab es viele Ansätze, von denen wir heute einige durchaus als gescheitert betrachten können.

Tatsächlich ist diese Frage so kniffelig, dass Forscher versuchen, kommerziell nutzbaren entkoffeinierten Kaffee zu züchten. Bisher ist ihnen das noch nicht gelungen, wie auch dieser ZEIT-Artikel verrät.

Denn die Kaffeepflanze hält an ihrem Koffein fest, weil es den Stoff zum Überleben braucht. In meinem Artikel zu Kaffee-Mythen und Kuriositäten habe ich schon einmal ausgeführt, dass das Koffein zur Abwehr von Fressfeinden dient, die beim Anknabbern der Bohne sterben.

Das erklärt auch, warum es mit der koffeinfreien Kaffeepflanze bisher nicht klappen will. Schließlich widerspricht diese Züchtung den Darwin’schen Überlebenstheorien.

Kaffee ohne Koffein Geruchs Test

Ich stelle euch jetzt einmal alle Verfahren vor und schließe der Vollständigkeit halber auch solche Varianten mit ein, die heute nicht mehr angewendet werden, weil sie schlichtweg giftig sind und in die chemische Mottenkiste gehören.

Grundsätzlich laufen alle Entkoffeinierungsverfahren aber nach dem gleichen Grundprinzip ab: Die Rohbohnen werden in irgendeiner Form ein- oder aufgeweicht, dann kommen sie in ein auf das Koffein abzielendes Lösungsmittelgemisch oder werden damit behandelt.

Anschließend werden sie von diesem Lösungsmittel gereinigt, dann getrocknet und zu guter Letzt geröstet.

Roselius Verfahren

Auch wenn der „Entdecker“ des Koffeins Friedlieb Ferdinand Runge heißt, ist der eigentliche Mastermind in Sachen Koffeinfreiheit ein Bremer Kaufmann namens Ludwig Roselius. Ihm gelang es als erster, Koffein in einem industriellen Prozess aus den Bohnen zu extrahieren.

Voila, das Unternehmen und die Marke Kaffee HAG war 1906 geboren. Damals allerdings hätte man statt des neuen „schonenden“ Kaffees auch Gift trinken können. Denn das Roselius Verfahren nutzt Benzol als Lösungsmittel, was in höchstem Maße toxisch und krebserregend ist.

Direktes Verfahren: Entkoffeinierung mit Dichlormethan

Diese Methode ist heute sehr weit verbreitet, weil das Lösungsmittel Dichlormethan ziemlich günstig ist. Bei diesem Verfahren werden die Rohkaffee-Bohnen zuerst in heißem Wasser eingeweicht und das Lösungsmittel anschließend direkt dazu gegeben. Darum auch der Name direktes Verfahren.

Blöd ist nur, dass Dichlormethan auch kein gesundheitlicher Chorknabe ist, sondern im Verdacht steht, Krebs zu erregen. Dafür hat es einen sehr niedrigen Siedepunkt von 39,8 Grad Celsius und eventuelle Reste des Hilfsmittels werden damit beim Rösten (hoffentlich) vollständig entfernt.

Entkoffeinierung mit flüssigem Stickstoff

Diese Variante ist eigentlich eine gute Idee, denn Stickstoff ist geschmacksneutral und als Lösungsmittel ungiftig. Nur leider ist das Verfahren so teuer, dass es selten angewendet wird.

Angeblich setzte die italienische Kaffeebutze Illy eine Weile lang auf dieses Verfahren, um seine Decaf-Bohnen herzustellen. Aber laut verschiedener Quellen sind sie heute zu anderen Methoden übergegangen.

Entkoffeinierung mit „entkoffeiniertem Kaffee“ – Swiss Water® Process (Schweizer-Wasser-Verfahren)

Wait, what?! Jupp, auch diese Idee gibt es. Und sie ist nicht dumm, setzt sie doch auf das Feuer-mit-Feuer-bekämpfen-Prinzip. Der Swiss Water Process wurde Ende der Siebziger von der Water Decaffeinated Coffee Company entwickelt und funktioniert in mehreren Schritten:

  1. Einlegen von Bohnen in heißes Wasser, bis alle festen Bestandteile (inklusive Koffein) herausgelöst sind.
  2. Dieses Wasser (was man getrost als ungerösteten Kaffeeaufguss bezeichnen kann) kommt durch einen Aktivkohlefilter, der das Koffein zurückhalten soll.
  3. Anschließend werden neue Bohnen zu diesem entkoffeinierten Wasser dazugegeben und das Koffein wird so aus den Bohnen herausgelöst.
  4. Wiederholen, bis Entkoffeinierung nach Wunsch erreicht ist.
  5. Bohnen werden dann getrocknet und anschließend geröstet.

Der Gedanke dahinter ist einfach: Das gereinigte „Kaffeewasser“ enthält zwar kein Koffein, dafür aber die anderen wichtigen Aromasubstanzen. Und im dritten Schritt des Entkoffeinierungsprozesses wird daher aus den frischen Bohnen wirklich nur das Koffein entfernt, während der Geschmack insgesamt erhalten bleiben soll.

Soll, wohlgemerkt. Denn so ganz geht auch hier die Rechnung nicht auf, weil beim Lösen des Koffeins selbst in angereichertem Wasser immer noch mehr Stoffe als nur Koffein gelöst werden, die im Kohlefilter verschwinden. Und was einmal aus der Bohne raus ist, kriegt man hinterher nur schwer wieder rein.

Zudem kann man das extrahierte Koffein anschließend nicht mehr trocknen und weiterverkaufen (was ein großer Markt ist, siehe Softdrinks) und die notwendigen Bohnen, Filter sowie der Zeitaufwand gehen auch ganz schön ins Geld.

Es gibt auch noch eine Variante dieses Prozesses, der wiederum mit Dichlormethan arbeitet, das hier anstelle des Aktivkohlefilters zum Einsatz kommt.

Entkoffeinierung mit Kohlenstoffdioxid

Dieses Verfahren klingt ziemlich gut, weil Kohlenstoffdioxid als Lösungsmittel in dem Sinne auch keiner Fliege etwas zuleide tut. Hier werden die Bohnen erst einmal in Wasserdampf eingeweicht, damit sie freigiebiger werden.

Dann werden sie bei hohem Druck mit CO2 gespült, was das Koffein flüssig herauslöst. Anschließend verdampft das Kohlendioxid, zurück bleibt Koffein in fester Form, das anschließend weiterverwendet werden kann.

Das Kohlendioxid-Verfahren ist aktuell besonders populär und wird vor allem von Bio-Röstern eingesetzt. Das wundert nicht, schließlich kommt es ohne Chemie aus und funktioniert rein physikalisch.

Auch manche großen Namen setzen laut Eigenaussage auf dieses Verfahren. Da gilt zum Beispiel für Lavazza, deren Kaffee aber von Hause aus so schrecklich ist, dass ich auch der Decaf-Variante keine Chance geben will.

Kaffeebohnen im Test

Entkoffeinierung mit Triglycerid

Auch bei dieser Methode kommt zunächst eine Wasser-Kaffee-Lösung zum Einweichen zum Einsatz. Dann kommen die eingeweichten Bohnen in einen Behälter mit heißen Kaffeeölen. Diese Triglyeride lösen das Koffein, lassen aber die anderen Aromen in Ruhe. Nach dem Trennen von Öl und Bohne werden die Bohnen getrocknet und dann weiterverarbeitet.
Bisher konnte ich leider nicht in Erfahrung bringen, wer mit dieser Methode arbeitet.

Wann ist Kaffee „natürlich entkoffeiniert“?

Auf vielen entkoffeinierten Kaffees steht der Begriff „natürlich entkoffeiniert“, was erst einmal gut klingt, aber eine Falle sein kann. Grundsätzlich verbirgt sich dahinter das direkte Verfahren, das wir schon mit dem Lösungsmittel Dichlormethan kennengelernt haben.

Als zweites Lösungsmittel, das in diesem Verfahren zum Einsatz kommt, gibt es aber noch Ethylacetat. Dieser Stoff ist eine Mischung aus Alkohol und Essigsäure und kommt in natürlicher Form in vielen Obstsorten vor. Weil das so ist, dürfen die Hersteller den schnieken Begriff auch auf die Packung schreiben.

Der Knackpunkt ist jedoch, auf welche Weise das Ethylacetat für den jeweiligen Kaffee gewonnen wurde. Die Rösterei Tres Cabezas aus Berlin geht dabei den wirklich natürlichen Weg und fermentiert zunächst Melasse aus Zuckerrohr, um den Alkohol zu erhalten. Anschließend kommt natürliche Essigsäure dazu, was dann Ethylacetat ergibt. „Natur pur“, also.

Das heißt indes aber nicht, dass große Hersteller sich auch diese Mühe machen. Schließlich kann man alles, was in der Natur vorkommt, auch günstiger im Labor nachbauen. Siehe „natürliches Aroma“.

Darum solltet ihr bei entkoffeiniertem Kaffee aus dem Supermarkt entweder hinterfragen, woher das Lösungsmittel kommt – oder diese Varianten zugunsten transparenter Produkte lieber gleich meiden.

Woran erkenne ich Qualität bei entkoffeiniertem Kaffee?

Auch wenn ich gerade lang und breit über die Entkoffeinierungsverfahren palavert habe, ist dieser Schritt in Sachen Kaffeequalität doch eben nur ein kleiner bzw. eine Zwischenstation im Veredelungsprozess.

Und darum gelten für entkoffeinierten Kaffee genau dieselben Qualitätsmerkmale wie für die normalen Varianten auch: Es braucht beste Bohnen, die schonend und im richtigen Grad geröstet werden müssen und anschließend schnell bei euch zuhause landen, damit sie dort frisch gemahlen werden.

Dann fehlt nur noch die richtige Zubereitungsmethode und fertig ist höchster Kaffeegenuss. Oder doch nicht? Finden wir es einfach mal an einem wirklich gelungenen Beispiel und mit einem wirklich unfairen Vergleich heraus!

Der Tres Cabezas Kolumbien Decaf Quindio Pijao im Test

Seitdem ich meinen jüngsten Kaffee Adventskalender Test durchgeführt habe, bin ich ein ausgesprochener Fan der Berliner Rösterei Tres Cabezas. Gerade mit ihren „Yogurette-Aromen“-Kaffees haben sie mich drangekriegt.

Tres Cabezas Adventsklander

Als sie erfahren haben, dass ich einen Text zum Thema entkoffeinierter Kaffee schreiben will, haben sie Coffeeness gleich mal ein ganzes Probierpaket rübergeschickt, in dem der Kolumbien Decaf Quindio Pijao den Beweis antreten soll, was ich eben über den Zusammenhang (oder eben Nicht-Zusammenhang) zwischen Qualität und Entkoffeinierung gesagt habe.

Und ja, der Beweis ist gelungen. Zwar bilde ich mir ein, dass dem Aromengerüst irgendwas fehlt. Aber ich bin mir sicher, dass ich zu diesem Ergebnis nicht gekommen wäre, hätte ich den Kaffee blind verkostet. Schauen wir mal im Detail hin.

KategorieEintrag
NameKolumbien Decaf Quindio Pijao
RöstungEspresso
HerkunftQuindio Pijao
VarietätCaturra und Castillo (100 % Arabica)
AufbereitungGewaschen, sonnengetrocknet
EnkoffeinierungsverfahrenSugar Cane Methode
Röstdatum09.11.2017
MHD„12 Monate nach Röstdatum“
Preis pro kg
28,90 €
Empfohlen fürVollautomat / Siebträger /
Espresso
RösterTres Cabezas Berlin

Die Sugar Cane Methode ist das, was ich bereits weiter oben als „natürliches Entkoffeinierungsverfahren“ vorgestellt habe. Da in Kolumbien Zuckerrohr wie Sand am Meer wächst, wird die Methode auch gleich dort vor Ort von den Kaffeebauern der Region Quindio umgesetzt.

Laut Tres Cabezas geht die Methode so:

  1. Lösungsmittel wird aus der Melasse des Zuckerrohrs gewonnen und mit natürlicher Essigäure vermischt.
  2. Kaffeebohnen werden erst mit Wasser bedampft und kommen dann in ein Bad aus Wasser und Lösungsmittel
  3. Danach werden die Bohnen noch einmal gedampft und gewaschen

In der Theorie überzeugt an diesen Aussagen schon einmal, dass Tres Cabezas erstens den Prozess und die Zutaten zum Koffeinentzug genau aufführt (was nicht selbstverständlich ist) und zweitens dieses Verfahren auch direkt bei den Kaffeebauern mit einem sowieso vorhandenen Rohstoff durchgeführt wird.

Das spart Beschaffungs- und Logistikkosten und ist ein Schritt, den die Farmen dem Importeur aus Berlin in Rechnung stellen dürfen. Außerdem ist es schon eine starke Nummer, dass der Kolumbianer als Single Origin so gar nichts mit den gesichtslosen Mischungen aus dem Supermarkt zu tun hat.

Natürlich könnte das alles zunichte gemacht werden, wenn der Kaffee schlecht geröstet würde. Aber da habe ich mir sowieso keine Sorgen gemacht.

Entkoffeinierter Kaffee Geschmack

Die Optik und die Formalia

Fehlten bei den Tütchen aus dem Adventskalender Röstdatum und MHD, ist bei dieser Packung alles dabei, was ihr zum transparenten Nachvollziehen des Kaffeeweges benötigt.

Ich habe diesen Test am 17. November geschrieben, angekommen ist das Paket am 14. November. Geröstet wurde er am 9. November von Krakelkrakel-Röster XY (wie ihr an der Unterschrift auf dem Foto seht).

Es wäre also für den perfekten Genuss fast noch eine gute Idee, den Espresso in seiner Tüte ein bisschen reifen zu lassen. Warum, er fahrt ihr im Artikel zur Kaffeeaufbewahrung bzw. Kaffeedose.

Aber sei’s drum, ich war gespannt und konnte es nicht erwarten. Als erstes fielen mir die tolle Färbung und Regelmäßigkeit der Bohnen auf.

Wo viele Espressos (oder Espressi) sehr dunkel sind, setzt der Kolumbien Decaf auf ein sattes Mittelbraun, was schon einmal auf fruchtigere Nuancen hindeutet – und auch erklärt, warum die Zubereitungsempfehlung dafür alle Arten an Equipment miteinbezieht.

Der Duft

Der Charakter wird als „dunkle Schokolade, brauner Zucker, getrocknete Feigen“ beschrieben, wobei meine Nase eher zu dem Schluss Karamell, Marzipan, Getreide plus irgendeine Blume gekommen ist.

Hin wie her, lecker ist der Duft auf jeden Fall. Nur nicht ganz so voll, wie man es von einem Espresso vielleicht mitunter erwartet. Doch wie gesagt, ich glaube, das ist Absicht.

Der Geschmack

Hier biss sich nach der Zubereitung die Katze ein wenig in den Schwanz. Denn ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nur deswegen ein wenig Körper vermisst habe, weil ich das Wörtchen „Decaf“ vor Augen hatte.

Denn eigentlich schmeckt der Espresso voll, rund und ziemlich frisch – und lässt nichts vermissen. Ich finde aber, dass alle Espresso-nahen Methoden wie Siebträger, Vollautomat oder Mokkakanne die bessere Wahl sind, da etwa der Handfilter viel vom Körper weggenommen hat. Der Abgang war sehr nett, das Zungengefühl wurde auf breiter Ebene angesprochen.

Der Kolumbien Decaf Quindio Pijao hat sich geschmacklich insgesamt nicht ganz so sehr ins Gedächtnis gefressen wie die anderen Kaffees von Tres Cabezas (siehe etwa Guatemala Cup of Excellence Finca La Esperanza oder der köstliche Costa Rica Finca Las Lajas Perla Negra Natural).

Aber er bleibt allein schon deswegen haften, weil er definitiv beweist, dass entkoffeinierter Kaffee mit eigener Stilistik und großer Aromatik absolut möglich ist.

Da ich aber nicht der Versuchung aufsitzen wollte, den Tres Cabezas Decaf wegen meines Fan-Daseins überzubewerten, habe ich parallel dazu noch eine andere Packung gekauft. Auch Decaf. Im Supermarkt. Und himmelweiter kann der Unterschied nicht sein.

Entkoffeinierte Kaffeebohnen

Decaf Tres Cabezas vs. Decaf Krönung: Ein Vergleich wie Äpfel und (faule) Birnen

Am liebsten hätte ich natürlich gern ganze Decaf-Espressobohnen im Supermarkt gekauft, doch die gab es trotz riesigen Kaffeeangebots leider nicht. Also habe ich die Jacobs Krönung entkoffeiniert genommen, die es gerade im Angebot gab.

Und schon beim Blick auf das Preisschild wurde mir fast schlecht. Die Decaf-Krönung wurde am Kaufdatum 16. November für 3,99 Euro das Pfund rausgeschleudert. Damit könnte man noch nicht einmal die Kaffeesäcke für den Transport bezahlen! Geschweige denn gute Bohnen zum fairen Preis kaufen.

Entkoffeiniert Vergleich

KategorieEintrag
RösterTres Cabezas Berlin
Jacobs Douwe Egberts Amsterdam
NameKolumbien Decaf Quindio Pijao
Jacobs Krönung entkoffeiniert
RöstungEspresso„Kaffee“
HerkunftQuindio Pijaok.A.
Varietät
Caturra und Castillo (100 % Arabica)k.A.
AufbereitungGewaschen, sonnengetrocknet
k.A.
EnkoffeinierungsverfahrenSugar Cane Methode
k.A.
Röstdatum09.11.2017
k.A.
MHD„12 Monate nach Röstdatum“
02/2019
Preis pro kg
28,90 €
7,98 €
Empfohlen für
Vollautomat / Siebträger /
Espressokocher /Chemex / French Press
Handfilter
Filter
French Press
Herdkanne

Die Vergleichstabelle ist eigentlich nur Makulatur, aber ich wollte euch einmal zeigen, wie der Unterschied zwischen einem transparenten Handel und einer transparenten Produktauszeichnung zu einem Industrie-Kaffee aussieht.

Der einzige Spaß, den ich bei Supermarkt-Kaffee habe, ist das Anstechen der Vakuumverpackung. Das habe ich schon geliebt, als ich noch zu klein für Kaffee war. Dann habe ich (Depp) für diesen Test meine Nase tief in die Krönung gehalten und einen tiefen Zug genommen.

Das war ein Fehler. Ein großer Fehler.

Denn statt Marzipan oder auch nur einem Hauch von irgendetwas Natürlichem schlug mir ein wirklich stechender, saurer Geruch entgegen.

Ich habe auch noch andere schnüffeln lassen, weil ich nicht übertreiben oder falsch urteilen wollte. Dieselben angeekelten Gesichter.

Ich bin mir hundertpro sicher, dass das etwas mit dem Entkoffeinierungsverfahren zu tun hat, denn normalerweise stinkt die Krönung zumindest nicht mit einem solch harten Einschlag. Und das Stechende deutet darauf hin, dass hier auf die billige Tour mit Dichlormethan entkoffeiniert wurde – andere Versionen würden nicht so müffeln, wie wir jetzt wissen.

Ich habe zur Beruhigung dann noch einmal einen Zug Kolumbien Decaf von Tres Cabezas genommen und hatte endgültig den olfaktorischen Beweis für mich, dass dieser Kaffee tatsächlich in einer ganz anderen Decaf-Liga spielt.

Entkoffeinierte Kaffeebohnen im Vergleich

Ich habe die Krönung dennoch im Handfilter aufgegossen und mich tatsächlich an einen Schluck gewagt. Der war zwar nicht mehr stechend, doch das Aroma war extrem flach und hatte eigentlich keine besonderen Nuancen oder Nachwirkungen, bei denen ich eine andere Umschreibung als „dünner Kaffee, halt“ finden könnte.

Auch wenn man mir hier mal wieder ein bisschen Blogger-Snobismus unterstellen könnte, so sehe ich doch gerade am Decaf-Battle von Tres Cabezas vs. Krönung alles kondensiert, was ich an {Supermarkt Kaffee} so schrecklich finde.

Dabei habe ich nach dem Geruchs- und Geschmacksvergleich zusätzlich das Gefühl, dass sich Jacobs bei der Decaf-Variante sagt „Scheiß drauf, kauft eh keiner“ und sich deshalb nicht mal die Mühe macht, den Chlorgeruch aus dem Kaffee zu entfernen. Und dann wären wir wieder in der typischen Image-Falle, in der entkoffeinierter Kaffee steckt.

Rettung für den entkoffeinierten Kaffee in Sicht?

Fun Fact: Ich habe einmal gelesen, dass oft Bitterstoffe nachträglich zugefügt werden, damit die Aromabalance im entkoffeiniertem Kaffee wieder stimmt.

Und ich glaube, genau in diesem Punkt liegt einer der „Denkfehler“, den ich und viele andere bei entkoffeiniertem Kaffee haben: Wir haben das Gefühl, dass etwas fehlt, könnten aber nicht genau benennen, was es ist.

Denn Bitterstoffe sind mit der Third Wave eh ein bisschen aus der Mode gekommen. Der Kolumbien Decaf Quindio Pijao von Tres Cabezas zeigt, dass ein entkoffeinierter Kaffee bzw. Espresso durchaus funktionieren kann, wenn man sich nicht so sehr an das klammert, was nicht da ist, sondern genießt, was man vor sich hat.

Und das ist dann eben ein wenig weniger wummsig, vielleicht in mancher Hinsicht nicht so 100 Prozent rund, wie man es von einem guten Kaffee erwartet. Aber an Aromen oder gar Genuss muss es einem entkoffeinierten Kaffee überhaupt nicht mangeln.

Kaffee im Test ohne Koffein

Dafür ist es jedoch wichtig, dass der Supermarktkaffee schön im Regal bleibt und ihr die gleichen Qualitätsmaßstäbe an Bohnen und Röstung anlegt. Und das heißt eben auch, dass guter entkoffeinierter Kaffee nicht mal eben für unter fünf Euro das Pfund zu haben ist.

Auch hier liegt wieder ein Denkfehler: Wir betrachten Kaffee ohne Koffein gerne als ungeliebten Cousin des Real Deal. Und das gilt nicht nur für Konsumenten, sondern auch für Produzenten. Ein breites Umdenken wird hier sicher nicht stattfinden, schließlich lieben wir alle den großen Koffeinkick.

Aber in den ganzen halbherzigen Versuchen der Entkoffeinierung gibt es eben auch Produkte, die beweisen, dass es durchaus was mit dem Genuss ohne Koffein werden kann, wenn man sich schlicht und einfach Mühe gibt.

Verratet mir: Habt ihr eine Decaf-Marke entdeckt, die ihr unbedingt weiterempfehlen könnt? Kann ich euch noch mehr erklären oder wollt ihr eure Meinung sagen? Dann hinterlasst gerne einen Kommentar!

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