Manchmal frage ich mich, ob ich nicht auch einen bescheuerten Kaffee-Trend lostreten sollte. Wir kippen Kollagen rein und glauben, dass uns Glow Coffee jünger macht. Wir kippen Eiweißpulver rein und glauben, dass uns Proffee fitter macht. Oder wir kippen Öl und Butter rein und glauben, dass uns Bulletproof Coffee schlanker macht.
Manchmal frage ich mich, ob ich nicht auch einen bescheuerten Kaffee-Trend lostreten sollte. Wir kippen Kollagen rein und glauben, dass uns Glow Coffee jünger macht. Wir kippen Eiweißpulver rein und glauben, dass uns Proffee fitter macht. Oder wir kippen Öl und Butter rein und glauben, dass uns Bulletproof Coffee schlanker macht.
Das „kugelsichere“ Kaffee-Rezept soll euren Stoffwechsel anheizen und dadurch beim Abnehmen helfen. Auch wenn der Hype ums Bulletproof Coffee Rezept inzwischen abgeklungen ist, aktualisiere ich diese Betrachtung und ergänze sie um ein paar neue Erkenntnisse und Hinweise aus der Kaffee-Forschung.
Was ist Bulletproof Coffee?
Als Bulletproof Coffee Mitte der 2010er auf der Bildfläche erschien, war der Hype so groß, dass sich bis heute wissenschaftliche Studien damit beschäftigen.
Die Marketing-Idee geht auf Dave Asprey zurück, der sich das Rezept 2009 patentieren ließ – und nebenbei ein Unternehmen für Nahrungsergänzungsmittel hat. Angeblich hat er mit Bulletproof Coffee 45 Kilogramm verloren und 20 IQ-Punkte dazugewonnen. Seriously?!
Dabei hat Asprey das Bulletproof Coffee Rezept nicht einmal wirklich erfunden, sondern sich in der ayurvedischen Küche bedient. Dort gilt Tee mit geklärter Butter (Ghee) als Mittel zur Entgiftung des Körpers.
Aber das reichte ihm nicht aus – und Kaffee funktioniert im Westen besser als Tee. Darum hat sich Asprey einen Twist ausgedacht und folgende Zutaten in den Mixer gekippt:
300 ml Kaffee
12 bis 24 g Bio-Weidebutter
12 bis 24 g MCT-Kokosöl
Übrigens wird Bulletproof Coffee inzwischen meist „Keto-Kaffee“ genannt, um ihn von Erfinder Asprey zu distanzieren und die angebliche Wirkung in den Mittelpunkt zu stellen:
Was macht der Kaffee?
Kaffee und Abnehmen haben eine lange gemeinsame Tradition. Dabei geht es nicht nur ums Koffein im Heißgetränk, sondern auch um einige sekundäre Pflanzenstoffe, die bei der Fettverbrennung helfen und Fettreserven angreifen sollen.
Spoiler: Filterkaffee und Co liefern Power und haben sowohl Vorteile als auch Nachteile für den Körper. Ihre Wirkung auf die Waage darf und muss bezweifelt werden.
Was macht die Butter?
Butter enthält zwischen 80 und 90 Prozent Fett. Damit ist sie ein Energielieferant, der aber nur dann zum Einsatz kommt, wenn keine Kohlenhydrate zur Verfügung stehen. Im Bulletproof Coffee sorgt sie für die ordentliche Substanz, die aus dem Koffein-Kick eine ganze Mahlzeit machen soll.
Damit das funktioniert, schreibt Asprey allerdings Bio-Weidebutter vor. Jedoch nicht aus Gründen der Nachhaltigkeit und Ökologie, sondern weil dieses Streichfett mehr Omega-3-Fettsäuren als normale Butter enthält.
Diese gelten als heiliger Gral für den gestählten Ketonkörper – und sind aus wissenschaftlicher Sicht tatsächlich die bessere Fett-Alternative (vgl. The Office of Dietary Supplements (ODS) of the National Institutes of Health).
Was macht das Kokosöl (MCT-Öl)?
Das MCT Öl ist der Hauptgrund, warum Bulletproof Coffee überhaupt existiert. MCT steht für medium-chain triglycerides bzw. mittelkettige Triglyceride.
Wie Kohlenhydrate werden Fette nach der Komplexität ihrer molekularen Struktur bewertet: je kürzer, desto einfacher lassen sie sich vom Körper aufbrechen. Das liefert zwar schnell Energie, hat aber auch Nebenwirkungen wie Heißhunger oder eine schnelle Einlagerung.
MCT-Öl trifft den perfekten Sweet Spot aus Anti-Hunger-Frühstück und einem weiteren Ernährungs-Hype: Kokosöl galt einige Zeit als das Rezept gegen schlechte Haut, schlechte Haare, schlechte Gesundheit und eine schlechte Figur.
Laut Asprey soll reines MCT-Kokosöl die Fettverbrennung extrastark ankurbeln und damit die Gesamtwirkung in den Overdrive schicken. Es gibt einige Untersuchungen, die diese Wirkung zwar nicht bestätigen, aber nahelegen.1
Allerdings sind nicht nur die Studiendesigns fragwürdig, wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) in einer MCT-Übersicht gut festhält.
Denn es ist unter anderem eine Tatsache, dass Kokosöl hauptsächlich aus gesättigten Fettsäuren besteht, die wiederum die falsche Wirkung auf den Körper haben und zum Beispiel den Cholesterinwert erhöhen.
Genauso ist es eine Tatsache, das Asprey „spezielles“ MCT-Öl über seine Firma vertreibt. Ein Schelm, wer dabei vor allem eine Wirkung auf den Geldbeutel wittert.
Gesund & schlau dank Fett-Kalorien: Warum Bulletproof Coffee trinken?
Während alle um Bulletproof Coffee als Abnehmwunder getanzt sind, ist Aspreys Behauptung, er sei durch Butter und MCT-Öl schlauer geworden, untergegangen. Das war wahrscheinlich besser so.
Denn es gibt dafür keinerlei Beweise – weder von Asprey, noch von der Wissenschaft. Bisher hat sich eine Studie mit dem Thema kognitive Leistung auf MCT-Öl und Bulletproof Coffee beschäftigt – und keine Veränderung festgestellt.2
Sättigung als Wirkung
Das Gesundheitsversprechen wiederum konnte auch nicht eingelöst werden – bis auf einen Fakt: Wer sich eine Tasse Fettaugen-Kaffee zum Frühstück oder Mittagessen gönnt, hat ein höheres Sättigungsgefühl. Das könnte schon das ganze Geheimnis der „Innovation“ sein.
Allerdings werden wissenschaftliche Ergebnisse in dieser Hinsicht uneindeutig genannt3, während etwa Greenwell et al. 2022 zum Ergebnis kommen, dass es
„eine Menge Ungereimtheiten in vielen [positiven Studien] gibt.“
So oder so sollten wir nie vergessen, dass Kaffee nicht für den Abnehmerfolg oder eine gesunde Lebensweise ausschlaggebend sein kann.
Nebenwirkungen für den Geldbeutel und die Ernährung
Besonders shady wird es immer dann, wenn jemand ausschließlich bestimmte Zutaten für eine bestimmte Wirkung verantwortlich machen will, die er auch verkauft. Hier wird mit der Sorge um den Körper Geld gemacht.
Dazu passt, dass Asprey stets die volle Ladung MCT-Öl empfiehlt, um maximale Energie freizusetzen und natürlich mehr Produkte zu verkaufen.
Bisher haben wir außerdem noch nicht darüber gesprochen, was die Fett-Zubereitung nicht enthält – nämlich weder ausreichend Eiweiß noch Ballaststoffe. Wir müssen betonen, dass eine Tasse Bulletproof Coffee die Mahlzeit nicht ergänzt, sondern die Mahlzeit ist.
Das Problem dabei: Das viele Fett mag den Hunger dämpfen. Aber es tut nichts für die grundlegenden Funktionen unseres Körpers:
Eiweiß ist der wichtigste Baustein einer Mahlzeit und hat einen ebenso großen Sättigungseffekt. Ballaststoffe genauso – die auch noch für eine ordentliche Verdauung sorgen. Fett will der Körper für schlechte Zeiten, nicht das akute Energielevel oder einen geregelten Cholesterinspiegel.
Kurz gesagt: Die vielen Kalorien, die ihr euch aus Kaffeemaschine und Hochleistungsmixer reinhaut, haben keinerlei nachhaltige Funktion, ihr macht die Sache komplizierter als sie sein müsste. Und all das im Namen der Ketose?
Beim Intervallfasten oder vor dem Sport?
Ich bin nicht überrascht, dass Bulletproof Coffee auch im Zusammenhang mit Intervallfasten genannt wird. Auch dieser Trend hat mächtig eingeschlagen. Das Prinzip: Ihr esst nur in begrenzten Zeitfenstern (pro Tag oder Woche), ansonsten wird gefastet.
Die gesundheitliche Wirkung auf den Körper wird hier ebenfalls massiv angezweifelt. Das gilt umso mehr, da Bulletproof Coffee bei dieser Fastenform scheinbar okay ist.
Denn er soll den Abbau von Kohlenhydraten befeuern, den Blutzuckerspiegel konstant halten und dank Sättigung das Einhalten des Fastenfensters erleichtern.
Der Witz beim Fasten jeglicher Art ist allerdings, dass der Körper nicht mit der Verdauung beschäftigt ist. Aber an nichts rödelt der Magen stärker rum als an Fett.
Ich persönlich finde Intervallfasten nur gut, weil es uns lehren kann, den Unterschied zwischen Hunger und Appetit (wieder) zu erlernen. Was eine Tasse Fettkaffee dabei soll? Schulterzuck-Emoji
Bei Kaffee und Sport sind sich die Wissenschaftler unterdessen einig, dass es tatsächlich eine Wirkung gibt und Koffein legales Doping ist. Natürlich will sich Bulletproof Coffee auch hier dranhängen.
Der Tenor: Haut ihr euch das Getränk vor dem Training rein, habt ihr mehr Power und Ausdauerfähigkeit. Das. Ist. Kompletter. Bullshit.
Der tatsächliche Energieträger ist das Koffein. Beim Sport braucht ihr Glukose bzw. Zucker statt MCT-Öl und Butter. Erst am Kerrygold-Quader lutschen und dann Bankpresse oder Bergsteigen in Tibet? Leute…
Rezept & Zubereitung: Bulletproof Coffee selber machen
Nach all meinen Ausführungen zur wissenschaftlichen Qualität der Behauptungen gibt es keinen Grund, Butterkaffee selbst zu machen. Ob nach Originalrezept oder mit „minderwertigen“ Zutaten.
Aber nehmen wir mal die Health-Begeisterung weg und schauen ganz nüchtern auf die Mischung: Mögt ihr Kokosgeschmack und eine absolut schräge Version von Eiskaffee? Dann will ich euch davon nicht abhalten.
Im Selbstversuch habe ich absolut nachvollziehen können, dass die cremige Flüssigkeit pappsatt macht – und das auch noch für längere Zeit.
Auch liefert Kaffee Energie – eben weil so viel drin ist. Nicht zuletzt muss ich zugeben, dass das Ergebnis in der Tasse schmeckt. Fett ist nun mal der perfekte Geschmacksträger. Sollte ich euch also nicht abgeschreckt haben, braucht ihr zur Zubereitung:
300 ml Kaffee (Filterkaffee, French Press oder ähnliches)
12 – 24 g Bio-Weidebutter (oder einfach Ghee, Butter bzw. Margarine)
12 – 24 g MCT-Kokosöl (oder einfach Kokosöl)
Eventuell ein paar Gewürze wie Zimt (kein! Zucker)
Einen Hochleistungsmixer oder Thermomix braucht ihr nicht. Ein simpler Mixer oder ein Stabmixer reichen aus. Ob der Kaffee unbedingt heiß oder kalt in jenen Mixer soll, habe ich bisher nicht herausfinden können. Die Temperatur ist für den Stoffwechsel und andere Vorteile sicher egal. Wollt ihr also Cold Brew nehmen, nehmt ihn.
Der Mixer sollte so lange laufen, bis sich eine Schaumkrone bildet und die Mischung besonders cremig ist. Das geht auch ohne Mixer: einfach in einen Shaker geben und richtig schütteln. Das sorgt gleich noch für ein kleines Workout am Morgen.
Bei den Mengenangaben der Zubereitung solltet ihr euch zunächst am unteren Ende orientieren. Ein Löffel Zutaten zu viel, schon kann der Magen rebellieren. Auch das habe ich selbst erfahren.
Milch ist laut Ketonkörper-Kult übrigens absolut verboten, weil sie die Ketose unterbindet bzw. hauptsächlich Kohlenhydrat-Energie statt mittelkettige Triglyceride ins Blut bringt. Und das können wir uns nun wirklich nicht erlauben!
Keto-Kaffee in Vegan: Alternative ohne Butter?
Wo wir gerade bei verbotenen Zutaten sind: Margarine fällt auch flach. Auch hier sind die „falschen“ Fettsäuren und zu viele andere Dinge am Start. Also wird es nix mit der veganen Bulletproof-Leidenschaft? Doch, mit einer Extraportion Kokos.
Einige Health-Blogs, die von Bulletproof und „der Wissenschaft dahinter“ schwärmen, empfehlen statt Butter einfach Kokosfett oder Kokosmilch. Dass gerade Kokosmilch einen etwa zehnmal höheren Kohlenhydratgehalt als Butter aufweist, scheint niemanden zu stören. Tja nun …
Bulletproof Coffee zum Abnehmen? Lassen wir das!
Klar bin ich dafür, schon beim Frühstück an der Konzentrationsfähigkeit, Kraft, Gehirnleistung oder Leber zu arbeiten. Schließlich ist Gesundheit das Wichtigste.
Aber Bulletproof Coffee hat mit all dem nichts zu tun. Höchstens mit einem interessanten Geschmack und einer schrägen Form der Kaffeezubereitung.
Wer das Kaffee-Rezept nachmachen will, sollte sich auf keinen Fall auf die Versprechen rund um die Ernährung einlassen. Macht es für den Genuss, die Konsistenz, die Neugierde.
Bulletproof Coffee liefert keinen besonderen Energieschub, steigert nicht auf besondere Weise die Leistungsfähigkeit und macht euch morgen nicht dünner als heute. Die USA-Version von Yakbutter-Tee wurde ganz klar „erfunden“, um euch das Geld aus der Tasche zu ziehen.
Was haltet ihr von Bulletproof Coffee? Folgt ihr der Zubereitung mit MCT-Öl oder ist Kaffee für euch auch einfach Kaffee? Ich bin auf eure Erfahrungen gespannt.
FAQ zu Bulletproof Coffee
Bulletproof Coffee als Kombination von Kaffee, MCT-Öl und Butter soll den Fettstoffwechsel ankurbeln und Hungerattacken vermeiden. Das Sättigungsgefühl nach dem Genuss von Bulletproof Kaffee konnte in Studien beobachtet werden, für alles andere gibt es keinerlei Beweise.
Die meisten Bulletproof-Coffee-Anhänger empfehlen ein Getränk als Frühstück. Mehr ist auch problematisch, da MCT-Öl, Butter und Kaffee zwar ordentlich Kalorien liefern, aber keine vollwertige Nahrung darstellen.
Die Zusammensetzung von Bulletproof Coffee mit MCT-Öl und Butter macht deutlich, dass es hier um Energie und Kalorien, nicht um eine schlanke Ernährung geht. Sämtliche Behauptungen zur Wirkung von original Bulletproof Coffee sind wissenschaftlich unbelegt.
Im Konzept Bulletproof Coffee gibt es keine Vorgaben, wann etwas anderes gegessen werden kann. Wer einen Kaffee am Morgen zum Frühstück getrunken hat, kann also mittags theoretisch wieder nachlegen.
Quellen
- vgl. Baumeister et al. (2021) J Nutr Metab: Short-Term Influence of Caffeine and Medium-Chain Triglycerides on Ketogenesis: A Controlled Double-Blind Intervention Study ↩︎
- Crampton et al. (2021) Current Developments in Nutrition:Investigating the Effects of a High-fat Coffee Beverage Containing Medium-Chain Triglyceride Oil and Ghee on Cognitive Function and Measures of Satiety ↩︎
- etwa Goldman et al. (2023) Beverages:Assessing the Validity of Bulletproof Coffee’s Claims ↩︎