Fortezza Kaffee Indien Test: Gut geröstet ist halb gewonnen

Moin! Ich bin Arne. Nach einigen Jahren als Barista habe ich mich einer Mission verschrieben: mehr guten Kaffee unter die Leute zu bringen. Dafür stellen mein Team und ich eine breite Wissensbasis zum Thema Kaffee für euch bereit.

Wie wir testen | Unser Team

Würdet ihr offensichtlich falsch geröstete Bohnen mit minimalem Aroma und einer merkwürdigen Definition von „frisch“ ein zweites Mal kaufen? Selbst, wenn es sich um eine der angeblich „besten Röstereien Deutschlands“ handelt? Ich auch nicht.

Würdet ihr offensichtlich falsch geröstete Bohnen mit minimalem Aroma und einer merkwürdigen Definition von „frisch“ ein zweites Mal kaufen? Selbst, wenn es sich um eine der angeblich „besten Röstereien Deutschlands“ handelt? Ich auch nicht.

Deswegen ist dieser Kaffeebohnen Test auch eine echte Premiere.

Nach meinem vernichtenden Urteil von 2019 zum Fortezza Länderkaffee Indien (2,5 Sterne) hat mich das Team von Fortezza Espresso aus Fürth angeschrieben.

Sie haben mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, meinen Test mit einer neuen Lieferung der gleichen Bohnen zu wiederholen. Kann ich. Denn ich war schon damals der Meinung, dass die Arabica-Röstung aus Indien ein Montagsprodukt gewesen sein muss.

Laut Kaffeerösterei lag ich damit gar nicht so falsch: Im Sommer 2019 steckte Fortezza Espresso im Umbaustress, es wurde quasi zwischen Bauschutt und Bohrmaschine geröstet. Ein paar Maßstäbe in Sachen Qualität, Aroma und Frische sind dabei wohl durchgerutscht.

Jeder hat mal ’nen schlechten Tag, ’ne schlechte Woche, ’nen schlechten Monat. Umso großartiger finde ich, dass sich Fortezza Espresso getraut hat, mich noch einmal „herauszufordern“.

Neben dem Länderkaffee haben mir Rainer Langguth und sein Team eine große Auswahl aus ihrem Online-Shop zukommen lassen. Darunter Espresso mit verschiedenen Robusta-Anteilen, Bio-Espresso, Cafe Crema, Einhorn-Kaffee (what?!) und Cold Black Nitro Coffee für Cold Brew.

Mich hat jedoch vorrangig interessiert, was sich beim „indischen Sorgenkind“ in knapp zwei Jahren getan hat. Damit wir transparent und fair bleiben, werde ich zu jedem Punkt die aktuelle Einschätzung und die Vorgängerfassung von 2019 aufführen.

Arne trinkt Espresso

Reicht es dieses Mal, um den Ruf als eine der „besten Röstereien Deutschlands“ zu verteidigen. Nö. Aber ich glaube, das ist auch die falsche Herangehensweise an diese Kaffeebohnen.

Der Fortezza Länderkaffee Indien im Überblick

Auszeichnungen sind was Gutes, können aber auch zum Stolperstein werden. Fortezza Espresso aus Fürth wurde 2014 und 2018 vom Magazin „Der Feinschmecker“ zu einer der besten Röstereien Deutschlands gekürt. Der Länderkaffee Indien erhielt 2016 die Goldmedaille der Deutschen Röstergilde.

Das schafft generell Vorschusslorbeeren, die wesentlich schneller zur Enttäuschung führen, als wenn eine Kaffeerösterei ihr Angebot und ihre Qualität für sich sprechen lassen. Fortezza ist in Bayern beheimatet und im stationären Handel von Nürnberg bis Cadolzburg erhältlich. Für den Rest der Republik gibt es den Versand.

Fortezza Espresso fühlt sich stark von Italien bzw. dem italienischen Kaffeestil beeinflusst, bietet aber nicht nur Röstungen für die Siebträgermaschine, sondern auch eine ganze Reihe an Kaffees an. Darunter einerseits die Länderkaffees, andererseits Marketing-Quark wie den schon genannten Einhorn-Kaffee oder die Cold Brew-Mischung.

Kaffeebohnen Test Fortezza Indien Einhorn

Alles gut, alles schön. Aber dann hätten wir noch den Apotheken-Kaffee. Dieser wurde in Zusammenarbeit mit einem Doktortitelträger entwickelt, der ein Buch über die Gesundheitseigenschaften von Kaffee geschrieben hat.

Oha. Zwar ist die Beschreibung so formuliert, dass keine Vorwürfe aufgrund von Health Claims entstehen können. Aber wer ein Genussmittel mit einem Begriff wie Apotheke verbindet, um ein Buch zu verkaufen, dass die gesundheitsförderlichen Eigenschaften von Kaffee propagiert, muss sich hochgezogene Augenbrauen gefallen lassen. Siehe meine Abhandlung zum Thema „Ist Kaffee gesund“.

Kaffeebohnen Test Fortezza Indien Back

Doch zurück zum Länderkaffee Indien. Schauen wir zunächst auf die kalten, nackten Werte:

EintragWert
RösterFortezza
NameLänderkaffee Indien
Bohne100 % Arabica
HerkunftslandIndien
HerkunftsortRegion Karnataka, Kathlekhan Estate
Handelswegk.A.
VarietätS-795, Kent
ErnteverfahrenHandgepflückt
AufbereitungGewaschen
ZubereitungsempfehlungHandfilter, French Press, Vollautomat
Röstdatum angegebenNein
Füllmenge250 g
Preis pro kg in Euro31,60

Diese Werte sind identisch zur ersten Runde. Weil das Röstdatum weiterhin fehlt, haben wir keine Ahnung, wie frisch die geschickten Bohnen tatsächlich sind. Auf der Packung steht zwar „röstfrisch“. Doch dieser Begriff hat so viel Aussagewert wie „hausgemacht“ oder „frisch zubereitet“.

Ausschlaggebend ist ausschließlich die Zeit zwischen Verarbeitung in der Rösterei und Versand an den Kunden. Was ihr heute kaufen könnt, sollte möglichst nicht schon letztes Jahr hergestellt worden sein.

Bohnen haben zwar ein recht langes Mindesthaltbarkeitsdatum, doch sie verlieren ihr Aroma bereits wenige Wochen nach der Röstung. Deshalb bestehen Barista auch so vehement auf der Angabe des Röstdatums.

Zwar glaube ich nicht, dass euch die Rösterei vorsätzlich alte Bohnen andrehen würde. Aber gebranntes Kind … Feuer … ihr wisst schon.

Leider wissen wir auch immer noch nicht, nach welchen Fairness- und Transparenzmaßstäben die Arabica-Bohnen eingekauft werden.

Zwar ist Fortezza Bio-zertifiziert (für einige Espresso-Röstungen). Auf einem alten Webauftritt findet ihr außerdem das Bekenntnis, „ausschließlich Rohkaffees bester Qualität, die unter fairen Bedingungen erzeugt und geerntet wurden“ zu verarbeiten.

Was das heißt, können wir Verbraucher nicht nachvollziehen. Und auf dem neuen Auftritt habe ich dazu nichts gefunden. Immerhin ist die Kaffeetüte (eindeutig) frei von Aluminium und besteht zu mehr als 65 Prozent aus „grünem“ Kunststoff.

Kaffeebohnen Test Fortezza Indien Package nah

Die verwendeten Kaffeesorten Kent und S-795 haben sich ebenfalls nicht geändert. S-795 ist eine indische Arabica-Hausentwicklung, die resistent gegen Kaffeerost ist. Auch Kent als Varietät der Typica-Pflanze ist eindeutig indisch. Der Name passt also.

Die Zubereitungsempfehlung macht diesen Kaffee zum Omniroast, auch wenn die Espressomaschine nicht aufgeführt wird. Indische Arabica sind typischerweise säurearm und bestechen durch Würze. Für einen Espresso sind sie aber oft etwas lahmarschig (wenn nicht gerade Canephora im Spiel ist).

Zur Vergleichbarkeit habe ich auch für die Test-Wiederholung den Handfilter genommen. French Press und Vollautomat habe ich mir dieses Mal gespart. Dabei galten folgende Bedingungen:

  • 6 bis 7 g Kaffeemehl pro 100 ml Wasser

  • Mittelfeiner Mahlgrad, frisch gemahlen

  • Wassertemperatur rund 96 Grad Celsius

  • Kurze Blooming-Phase (Mehl leicht angießen)

  • Wasser in kreisenden Bewegungen langsam (!) aufgießen

Bohnenbild

Selbst wenn alles andere gleich geblieben wäre, hätte der Fortezza Kaffee im zweiten Durchlauf allein wegen seines Bohnenbilds einen halben Stern dazu bekommen. Denn dieses Mal wurde offensichtlich anständig geröstet.

Auch ohne, dass ich das Ganze gekostet habe, macht der optische Unterschied sofort klar, dass wir vom Aroma und der Qualität mehr erwarten können als 2019. Zwar heißt das noch nicht, dass der Arabica an sich überzeugt, aber auch die Zeit zwischen Röstung und Versand scheint dieses Mal optimal zu sein.

Die alte Einschätzung: Die Bohnen waren fleckig und unregelmäßig gefärbt, sahen alt und stumpf aus, die Oberfläche war runzelig und brüchig, ihr Gewicht zu leicht. Bester Kaffee? Deutschland hatte Besseres verdient.

Die neue Einschätzung: Die Röstung ist offensichtlich frisch, die Farbgebung um Meilen gleichmäßiger. Auch das Gewicht stimmt. Das Ganze macht einen harmonischen Eindruck in einer sehr schönen Farbe, es gibt weder Bruch noch große Flecken, Macken oder Ausfälle.

Kaffeebohnen Test Fortezza Indien Bohnenbild neu
Kaffeebohnen Test Fortezza Indien Bohnenbild alt

Ich weiß, das sollte man von einer guten Kaffeerösterei immer erwarten dürfen. Aber die optische Katastrophe von 2019 hat eben dafür gesorgt, dass der gesamte Bohnen-Test abgedriftet ist. Umso wichtiger ist es also heute, dass die Grundlage (also die Röstung) schon mal nicht daran schuld sein kann, falls das Aroma wieder enttäuschen sollte.

Geruch

Der Barista in mir versucht stets, die Tasting-Angaben der Kaffeerösterei mit der Realität abzugleichen. Beim Inder-Arabica dreht sich die Frage also vorrangig darum, ob die versprochenen Noten von Schoko und Karamell wirklich in der Nase ankommen. Das Ganze soll von nussigen Anklängen begleitet sein.

Die alte Einschätzung: Keine Nuss, kein Schoko, dafür Getreide und ein bisschen Süße – allerdings nur ausnehmend schwach. Der fertige Kaffee hatte spritzige Kopfnoten und verhalten würzige Anklänge. Das Aroma wirkte jedoch in jeder Hinsicht viel zu lasch.

Die neue Einschätzung: Der Sprung in der generellen Bohnen-Qualität macht sich auch beim Geruch bemerkbar. Er ist angenehm „klassisch“, hat nussige Schoko-Anklänge und auch eine recht klare Süße. Euch wird beim Schnüffeln klar, dass der Geschmack eher in die klassische Richtung von Kaffee gehen dürfte.

Die versprochene Säurearmut lässt sich auch im Duft erahnen. Schön finde ich, dass sich die Würze, wie sie für Inder so typisch ist, hier nun dominanter in der fertigen Tasse zeigt.

Geschmack und Säure

Ich habe mir angewöhnt, neben dem konzentrierten Barista-Tasting mit Stift, Zettel und Aroma-Vokabular auch einen alltagstauglichen Guten-Morgen-Test zu machen: Was erzählt mir der Kaffee, wenn ich ihn morgens noch halb verschlafen und auf andere Dinge konzentriert trinke?

Ganz ehrlich: Der indische Fortezza Kaffee hat (immer noch) nicht viel zu sagen. Aber was er sagt, ergibt inzwischen mehr Sinn und passt zum Charakter.

Die alte Einschätzung: Der Kaffee nervt nicht – was am zu geringen Aroma-Profil liegen dürfte. Die versprochene Säurearmut ist erfüllt, der Kaffee eine sehr milde und magenfreundliche Angelegenheit (nur mein Eindruck, kein Gesundheitsversprechen). Minimale Würze ist dabei, hat aber kaum ein Gesicht.

Die neue Einschätzung: Wie schon beim Geruch angeklungen ist, ist die Würze dieses Mal etwas präsenter. Das Ganze verstärkt aber wiederum den Eindruck, dass etwas mehr Säure der Sache gutgetan hätte. Auf der anderen Seite löst der Kaffee sein „ausgewogenes“ Versprechen erstmals klarer ein.

Für mich persönlich ist der ganze Geschmackseindruck nur eben zu mild. Zwar gibt es mehr Schoko-Noten, die Grundsüße ist gut zu erahnen. Aber wenn ich eine Riesentasse Kaffee austrinken kann, ohne dass ich mich hinterher erinnere, wonach sie geschmeckt hat, ist das für meinen Geschmack dann doch zu zurückhaltend.

Körper & Mundgefühl

In diesem Faktor hat sich zwischen alter und neuer Einschätzung nicht viel geändert: Wer Wucht und Vorlautes erwartet, wird zwangsläufig enttäuscht. Körperreich ist hier praktisch nichts. Das leichte Crema-Mundgefühl, das die Bohnen jetzt sauberer erzeugen, ist dennoch eine feine Sache.

Wie ich bereits an anderer Stelle in meinem Kaffeebohnen-Test festgehalten habe, sind solche Tasting-Eindrücke ein guter Hinweis auf einen „Alltagskaffee“. Mit dem sauberen Zweiteindruck kann sich nach meiner Ansicht nun auch der Fortezza Kaffee für diesen Titel qualifizieren.

Abgang und Nachhall

Ursprünglich rauschte der Fortezza Kaffee wie ein ICE durch Wolfsburg – ohne nennenswerte Spuren. Hat sich daran etwas verbessert?

Die alte Einschätzung: Leichte geschmackliche Widerhaken im Rachen, die den Kaffee etwas länger im Gedächtnis verankern. Das war nicht unangenehm, sondern das Einzige, was dem Kaffee Charakter verliehen hat.

Die zweite Einschätzung: Die Widerhaken sind verschwunden, bzw. haben sie sich zu den Würznoten aufgelöst, die sich wie ein leises Thema durch diese Röstung ziehen. Da es an Säure fehlt, ist dieser Nachhall für mich jedoch nicht ganz zu Ende gezeichnet.

Das dürfte aber alle freuen, die morgens oder nachmittags nicht ihre Zeit damit verbringen wollen, über ihren Kaffee nachzudenken.

Für wen ist der Fortezza Länderkaffee geeignet?

Kaffeebohnen Test Fortezza Indien Uebersicht mit Bohnenbild

What a difference a Röstung makes! Zwar wird es der indische Fortezza Länderkaffee unter keinen Umständen in meine persönliche Hitliste im Kaffeebohnen Test schaffen. Für mich ist er zu mild, zu nett, zu verhalten und deshalb auch ein bisschen Blah.

Aber genau nach solchen Röstungen suchen viele von euch. Betrachten wir das Ganze aus dieser Richtung, macht die Mischung aus Fürth also alles richtig.

Im Verhältnis zum Preis ist die Qualität dabei mehr als in Ordnung, schließlich erhaltet ihr hier einen Single Origin, der den länderspezifischen Stil gut interpretiert.

Deswegen ist meine Sterne-Bewertung für diesen „freundlichen Alltagskaffee“ zwangsläufig steil nach oben gegangen. Abzüge gibt es (natürlich) für die fehlende Transparenz und das fehlende Röstdatum.

Außerhalb der Reihe habe ich mir übrigens auch den Fortezza Siena Espresso in der Siebträgermaschine zubereitet, der zu 60 Prozent aus „Gourmet Robusta“ besteht (Gnaaaa!). Dessen Würze ist angenehm beeindruckend, für manche aber vielleicht etwas scharfkantig. Die Bio-Bohnen gucke ich mir vielleicht auch noch an.

Was ich von der generellen Marketing-Attacke aus Fürth halten soll, weiß ich nicht so recht. Zwar hat weder die Einhorn-Variante noch die Apotheken-Idee irgendwas mit diesen Kaffeebohnen zu tun. Aber wir wissen ja, wie ich auf solche Einfälle reagiere.

Wie steht ihr zu meiner Einschätzung? Ich freue mich auf eure Kommentare!

Dein Kaffee-Experte
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Arne Preuss

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