Bin ich der Einzige, der die Aufregung um LAP Coffee nicht ganz versteht? Das Berliner Kaffee-Startup mit den blau-weißen Micro-Shops wird derzeit in allen Leitmedien in Grund und Boden analysiert. Und ich meine in allen. Von der Tagesschau bis zur ZEIT kriegen sich sämtliche Berichte nicht mehr ein.
Bin ich der Einzige, der die Aufregung um LAP Coffee nicht ganz versteht? Das Berliner Kaffee-Startup mit den blau-weißen Micro-Shops wird derzeit in allen Leitmedien in Grund und Boden analysiert. Und ich meine in allen. Von der Tagesschau bis zur ZEIT kriegen sich sämtliche Berichte nicht mehr ein.
LAP Coffee kündigt laut Meinung vieler Schreiber den Untergang der Kaffee-Szene an. Jeder Text zitiert mindestens einen Café-Betreiber, der seine Kundschaft aufgrund der abenteuerlich niedrigen LAP-Preise davonschwimmen sieht. Zweifuffzig für einen Cappuccino – wie soll das gehen?!
Eine Antwort liefern die Berichte stets gleich mit: LAP Coffee spart an allem – der Ladenfläche, der Aufenthaltsqualität, der Espressomaschine. Die Getränke kommen stattdessen aus dem Kaffeevollautomaten, ohgottohgott.
Bei all dem Getöse habe ich mich schnell gefragt, ob nicht die falschen Leute Angst um ihre Existenz haben. Denn schon ein kurzer Experten-Check macht klar, dass das Geschäftsmodell von LAP Coffee vor allem Kaffee-Ketten wie Starbucks oder Tchibo angreift.
Weil ein Wettbewerbsvergleich und eine Markteinordnung keine runde Betrachtung ergeben, habe ich das Berliner Coffeeness-Team zum Kaffee trinken geschickt. Spätestens diese Praxiserfahrung hat gezeigt, dass LAP Coffee dafür sorgen könnte, dass sich der Kaffeemarkt zum Besseren verändert. Vielleicht.
Inhaltsverzeichnis
Was ist LAP Coffee? Das Konzept hinter dem Kaffee-Startup
Wer LAP Coffee verstehen will, braucht keine tiefe Konzeptanalyse. Ein Blick in eine der Berliner, Münchner oder Hamburger Filialen reicht: Kaffeetheke, ein bis zwei Sitzgelegenheiten, das war’s. Kleiner Grundriss, noch kleinere Ausstattung.
Der Bestellprozess ist ein Musterbeispiel für Effizienz. Order beim sogenannten Barista Host, Zubereitung bei ein paar Kollegen direkt daneben. Wer es besonders eilig hat, kann seinen Latte vorab per App in Auftrag geben.
Bei LAP (Life Among People) soll niemand verweilen, das Geschäftsprinzip zielt auf eine busy Laufkundschaft, die einfach nur schnell To Go-Kaffee braucht. Zwar könnt ihr euer Getränk auch in der Kaffeetasse bestellen, aber dafür gibt es keinen Grund.
Das wichtigste Symbol für diese Ausrichtung sind die in der Theke versenkten Kaffeevollautomaten für die Gastronomie: Die Barista touchen kurz auf den Screen, der Rest erledigt sich fast von selbst. Cappuccino in zwei Minuten, Coco Matcha Cloud in vielleicht fünf. Und das, obwohl die Milch von Hand geschäumt wird.
Hinter LAP steht die Micro Retail Technologies MRT GmbH unter Führung von Ralph Hage Tonalli Arreola. Beide waren vorher schon bei anderen effizienzgetrimmten App-Unternehmen wie Flink und Lime erfolgreich.
Was sie da gelernt haben, haben sie offensichtlich auf LAP übertragen und einige finanzstarke Venture-Capital-Firmen überzeugt. LAP Coffee eröffnet derzeit eine Filiale nach der anderen. Berlin ist fast gesättigt, Hamburg und München legen gerade los.
Und überall dort, wo ein neuer Micro-Laden aufmacht, ist der Kundenandrang riesig und die Untergangsstimmung beim Wettbewerb groß.
Kampfpreise und hippes Menü: Wie passt das zusammen?
Der größte Anziehungsfaktor für die Kunden und der wichtigste Jammerpunkt für die Konkurrenten sind die LAP-Preise.
Selbst der teuerste Signature Drink kostet nur 5,50 Euro, Standard-Kaffeesorten wie Filterkaffee oder Latte Macchiato kosten drei. Wer entkoffeinierten Kaffee oder Hafermilch will, muss nichts extra bezahlen.
Das geht völlig konträr zum allgemeinen Trend: Die Kaffeepreise sind enorm gestiegen, von Geschäfts- und Lebenshaltungskosten ganz zu schweigen.
Praktisch jeder Kaffeeanbieter rund um eine LAP-Filiale bietet ähnliche Produkte für wenigstens einen Euro mehr pro Becher an. Reden wir von stylishen Kaffeebars mit Siebträger, Barista und anspruchsvollen Kaffeebohnen, steht sogar schnell das Doppelte auf der Rechnung.
Allein mit dem Mini-Fußabdruck und den Streamline-Strukturen einer LAP-Filiale lassen sich diese Preisunterschiede nicht erklären. Bleiben also nur minderwertige Rohstoffe? Hier hat mich die neue Kaffeemarke am meisten überrascht:
Die Kaffeebohnen kommen von der Berliner Kaffeerösterei 19grams. Diese hat schon Specialty Coffee vertrieben, als andere noch Expresso gesagt haben. 19grams verspricht seit jeher direkt und transparent gehandelten Kaffee aus genau bezeichneten Anbauländern. Ich war schon immer Fan, frage mich aber trotzdem, wie das funktionieren soll.
LAP kippt einen lupenreinen Brasilianer als perfekten Kaffee für Vollautomaten in seine Maschinen. Aber selbst vergleichsweise günstige Brasilianer kostet auf Specialty-Niveau mehr als eine gesichtslose Industriebohne. Leider verraten weder 19grams noch LAP etwas über ihren Bohnendeal. Fair enough.
Der LAP Geschmackstest: Billig-Kaffee oder Wow?
Da Geschmack bekanntlich Geschmackssache ist, habe ich sowohl eine Expertin aus meinem Team als auch eine Stino-Kaffeetrinkerin zu LAP geschickt. Die Mission: Bestellt eure typische To Go-Order und sagt, was ihr davon haltet. Detaillierte Analyse oder verkopftes Cupping nicht nötig.
Das Urteil ist eindeutig ausgefallen: “Davon könnte ich einen ganzen Eimer trinken”. Der Cappuccino mit Hafermilch und der Americano könnten kaum mehr nach einem klassischen Brasilianer schmecken – Süße, Schokolade, angenehme Fülle im Überfluss.
Meine Expertin hat zwar geschmeckt, dass dieser Kaffee nicht aus dem Siebträger kommt. Gestört hat sie das nicht. Die Maschinen sind perfekt eingestellt, die Bohnen perfekt abgestimmt und das Geschmacksprofil zielt auf den Sweetspot zwischen Masse und Qualität.
Die Yuzu-Lemonade war dagegen Quatsch. Ein bisschen (offenbar hausgemachter) Sirup, ganz viel Eis und (gefiltertes) Wasser – die drei Euro kann man sich sparen.
Spätestens nach dieser Qualitätsbewertung und Vor-Ort-Erfahrung ist mir klar, dass LAP Coffee vor allem Starbucks, Tchibo und ähnliche Ketten angreift. Und zwar nicht nur über die Preise, sondern vor allem über den Geschmack:
Bei Tchibo schmeckt der Kaffee meistens verbrannt oder platt, bei Starbucks wird es schnell mal wässrig oder sauer. Das liegt vor allem daran, dass die Zubereitung hier trotz aller Standardisierung stark am Menschen hängt – und natürlich an der üblichen Bohnenqualität bei der jeweiligen Kaffee-Kette.
Alle drei Konzepte – also LAP, Starbucks und Tchibo – sind am Ende aber gleich. Im Grunde handelt es sich nur um ein “McDonalds für Kaffee”, wie es meine Stino-Testerin so passend ausgedrückt hat.
Wachstum auf Kosten der Cafés?
Was aber ist mit den unabhängigen Cafés, die sich von LAP bedroht sehen? Meine erste Gegenfrage lautet: Wie hoch ist der jeweilige Anteil des To-Go-Geschäfts am Gesamtumsatz? Cafés stehen fürs Sitzen und Quatschen, für die Experience und das Wohlgefühl. LAP kann nichts davon bieten.
Zweite Gegenfrage: Wie steht es um das Style-Substance-Verhältnis im Laden? Viele Cafés stellen sich teure Siebträger auf die Theke, bilden snobby Baristas aus und kippen am Ende dann doch nur Supermarkt-Qualität in ihre teure Kaffeemühle.
LAP hat dieses Verhältnis umgedreht und scheint mehr auf die Bohne als auf das Equipment zu achten. Genau das ist der richtige Ansatz!
Versteht mich nicht falsch: Ich feiere tolle Röstereien und Cafés, die perfekten Kaffee perfekt von Hand zubereiten. Etwa bei den Flying Roasters in Wedding bekommt ihr das volle Programm zu wirklich angemessenen Preisen.
Aber warum sollte ich das meiste Geld nur dafür zahlen, dass sich eine Instagram-taugliche Kaffeebude in Mitte ihre Insta-taugliche Hampelei leisten kann?
LAP bespielt außerdem nur Hauptstraßen, Touri-Spot und die frenquenzstärksten Bereiche. Wer an solchen Orten als richtiges und gutes Café bisher überlebt hat, wird von LAP ganz sicher nicht verdrängt.
Sollte es aber eine Starbucks- oder Tchibo-Filiale treffen, die einfach nur schlechten Kaffee zu teuren Preisen verkauft, ist damit in meinen Augen allen geholfen.
Hier könnt ihr euch nämlich sicher sein, dass es mit Fairness, Transparenz und gutem Kaffee nicht weit her ist. Diese Marken sind Konzerne, denen es nur auf die Profitmaximierung ankommt.
Natürlich wäre es naiv, in LAP nur ein freundliches Start-up aus der Berliner Szene zu sehen. Auch hier geht es um Geld und Erfolg. Aber sowohl die Geschäftsmodell-Analyse als auch der Sortiments-Check vor Ort wecken den Verdacht, dass die Macher den Kaffeemarkt vom richtigen Ende der Wertschöpfungskette aufmischen. Ob das stimmt, wird nur die Zeit zeigen.
Blau-weiße Zukunftsprognose: Alles LAP, oder was?
Am witzigsten an der Geschichte um LAP Coffee finde ich, dass das Kaffee-Startup nichts anderes tut als viele von euch in ihrer eigenen Küche: Kaffeevollautomat mit anständigen Kaffeebohnen befüllen, Knopf drücken, alle sind begeistert.
Mit meinen Kaffeebohnen für Vollautomaten und eurem Favoriten aus meinem Kaffeevollautomaten Test 2025 könnt ihr euch also das LAP-Feeling nach Hause holen und zahlt auf die Tasse gerechnet noch weniger.
Kaffee entwickelt für Vollautomaten – Klassik
Schokoladig, nussig und täglich frisch geröstet
Schokoladiges Aroma
Für alle Getränke aus dem Vollautomat
Sehr wenig Säure
Direkter Handel & faire Bezahlung
Falls es klingt, als würde ich die Sache nicht ganz ernst nehmen, stimmt das. LAP ist eine neue Kette, die alte Ketten ins Schwitzen bringt. Mehr nicht.
Ab jetzt hole ich meinen Flat White to go einfach bei LAP statt einer anderen Großmarke. Will ich sitzen, Kaffee trinken und Barista-Dinge erleben, gehe ich ins richtige Café. Aber eben nicht in irgendein x-Beliebiges mit schlechtem Angebot. LAP hat die Messlatte für alle etwas höher gelegt. Ist das schlimm?
Ob sich das Gastronomie-Startup mit seinem supergünstigen Menü auf Dauer in dieser Form halten kann, wage ich zu bezweifeln. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist einfach zu krass. Wenn sich jedoch einige Superplayer der Kaffee-Lobby auf den Schlips getreten fühlen und der Preisdruck etwas zum Positiven verändert, bin ich immer dabei.
Und ihr? Wart ihr schon bei LAP Coffee und was haltet ihr von meiner Analyse? Hinterlasst mir gern einen Kommentar!