Wollen wir auch in den nächsten Jahrzehnten noch gute Kaffeebohnen erhalten, muss sich etwas an der globalen Erzeugerkette ändern. Das wisst ihr, das weiß ich, das wissen auch immer mehr Projekte, die sich genau dieser Mammutaufgabe widmen.
Wollen wir auch in den nächsten Jahrzehnten noch gute Kaffeebohnen erhalten, muss sich etwas an der globalen Erzeugerkette ändern. Das wisst ihr, das weiß ich, das wissen auch immer mehr Projekte, die sich genau dieser Mammutaufgabe widmen.
Eines dieser Projekte heißt Solino Coffee und verfolgt in Äthiopien einen ähnlichen Ansatz wie Angelique’s Finest in Ruanda: Die gesamte Kaffeeproduktion vom Anbau bis zur Röstung liegt in der Hand dortiger Kooperativen, die für ihr Produkt überdurchschnittliche Preise erhalten und von einem europäischen Vertriebspartner beim Verkauf in Deutschland unterstützt werden.
Das geht Hand in Hand mit mehr Bildung, besseren Arbeitsbedingungen und einem nachhaltigen Ansatz beim Kaffeeanbau. Solino nennt das Ganze „Projektkaffee“. Andere Initiativen wie Moyee Coffee aus den Niederlanden, die wir euch beim Berlin Coffee Festival 2019 vorgestellt haben, sprechen von „Fairchain Coffee“.
Welchen Namen man der Sache auch verpasst: Hinter all diesen Initiativen steckt der richtige Ansatz, um den Gewinn aus dem Kaffeehandel dahin zu leiten, wo er hingehört. Doch die meisten dieser Projektkaffees kämpfen zumindest in einer Hinsicht noch einen aussichtslosen Kampf:
Wenn wir all das Empowerment und Engagement abziehen, bleibt häufig nur ein durchschnittlicher Kaffee übrig, der gerade deswegen Probleme hat, weil er direkt beim Hersteller geröstet wird. Beim Solino Harar, den ich im Rahmen unseres Kaffeemarktplatz Tests bestellt habe, wird dieses Missverhältnis überdeutlich.
Solino Harar Kaffeebohnen im Überblick
Eintrag | Wert |
---|---|
Röster | Solino |
Name | Harar Spezialitäten Kaffee |
Röstprofil | Omniroast |
Bohne | 100 % Arabica |
Herkunftsland | Äthiopien |
Herkunftsort | Harar |
Handelsweg | Direct Trade |
Varietät | Harar Longberry |
Aufbereitung | Natural |
Zubereitungsempfehlung | Filter, Siebträgermaschine, Vollautomat |
Röstdatum | Nein |
Füllmenge | 200 g |
Preis pro kg (im Verhältnis zur Füllmenge) | 37,50 EUR |
Eine der größten Schwächen des Solino Harar offenbarte sich schon im Marktplatz Test, wo wir ihn insgesamt sechsmal zu unterschiedlichen Daten bestellt haben – dreimal beim Marktplatz, dreimal beim Röster. Und das im Juni und Juli.
In allen drei Fällen haben wir offensichtlich dieselbe Charge erhalten, was wir am Mindesthaltbarkeitsdatum gut ablesen konnten. Diese Charge wurde Ende Januar geröstet und wird selbst zum Zeitpunkt dieses Berichts (Nov. 2019) immer noch im Shop angeboten.
Dabei werden die Macher nicht müde zu betonen, dass es sich um sehr seltene Bohnen handelt, die nur in limitierter Auflage auf dem freien Markt erhältlich sind. Das bedeutet: Entweder sind sie gar nicht so selten oder ihr könnt selbst jetzt immer noch die Januar-Auflage kaufen.
So oder so waren die Bohnen, als wir sie erhalten haben, nicht mehr besonders frisch. Dass dies ein Manko praktisch aller Kaffees ist, die in Kooperativen im Erzeugerland entstehen, habe ich schon bei Angelique’s Finest angemerkt. Moyee Coffee hat es im Gespräch bestätigt:
Der frisch geröstete Kaffee muss nach dem Verarbeiten im Erzeugerland einen viel längeren und komplizierteren Weg zurücklegen, als wenn eine hiesige Rösterei den Projektkaffee im Rohzustand einkauft.
Kaffeefrische ist jedoch eine der Grundbedingungen, die dafür sorgen, dass ein Produkt von der zahlungswilligen, anspruchsvollen Kundschaft angenommen wird. Fehlt diese Frische, merkt man das den Bohnen unangenehm an, wie wir gleich sehen werden.
Ansonsten verspricht die Packung, dass ein Harar-Kaffee ein Ausbund an Schokolade ist und von Röstmeister Wende in kleinen Batches sehr langsam und schonend in der Trommel verarbeitet wurde.
Wie die meisten Kaffeebohnen aus der Marktplatz-Gruppe habe ich den Solino Harar im Laufe der Zeit auf unterschiedlichste Arten zubereitet – mal im Handfilter, mal im Pour Over, mal in der Herdkanne oder als Espresso.
Für den dezidierten Kaffeebohnen Test ist der Omniroast im Verhältnis von rund 8 Gramm auf 100 Milliliter Wasser aus dem Handfilter gekommen.
Bohnenbild
Abgesehen von einigen Farbausreißern sind die Bohnen im Solino Harar wirklich uniform und gleichmäßig geröstet. Die bummsdunkle Farbe spricht zwar gegen einen klassischen Omniroast, doch Röstmeister Wende hat sich offensichtlich Zeit gelassen und für seine Aufgabe ordentliche Bohnen ausgewählt.
Geruch
Hier beginnt meine leichte Aversion gegen den Empowerment-Kaffee. Denn der Geruch ist nicht besonders ansprechend. Der erste Atemzug wird ganz klar von Muff und einem staubigen Unterton torpediert.
Legt sich dies, erhaltet ihr aber genau die versprochenen Zartbitternoten, die sowohl sehr Kakao-lastig als auch süß genug daherkommen. Ich bin mir dabei sicher, dass ein frischerer Kaffee weniger gemufft hätte.
Geschmack und Säure
Wenn ihr über dem fertig zubereiteten Kaffee einatmet, denkt ihr in der ersten Sekunde, dass euch gleich ein spritzig-frischer Äthiopier auf der Zunge begrüßt. Von diesem ersten Eindruck bleibt aber nichts mehr übrig, sobald der erste Schluck Kontakt aufnimmt.
Frische, Säure oder Spritzigkeit sind hier überhaupt kein Thema. Null. Vielmehr gibt es überdeutliche Schokoladennoten mit sehr dunklem Einschlag, denen es meines Erachtens an einem Gegengewicht in Form von Säure fehlt. Doch zumindest in Sachen Schoko gilt: Das, was auf der Packung versprochen wird, wird auch gehalten.
Und folgt ihr den Beschreibungen auf der Website, ist das „Entweichen der Fruchtsäure“ eines der Hauptziele der Aufbereitung und Verarbeitung.
Körper und Mundgefühl
Selbst in der „leichteren“ Zubereitung als Handfilterkaffee ist der Solino Harar eine sehr körperreiche Angelegenheit, die mit den Geschmacksrezeptoren in eurem Mund Ping Pong spielt. Das ist aber keine Party im Mund, eher eine Vollversammlung der Belegschaft mit Anwesenheitspflicht.
Natürlich weiß ich, dass sehr viele von euch genau auf solch eindeutig-bodenständige Röstungen stehen. Milch in jeglicher Form ist hier eine sehr gute Ergänzung, um die Schokonoten mit weicher Cremigkeit zu ergänzen.
Abgang und Nachhall
Apropos Anwesenheitspflicht: Wenn ihr den Solino Harar nicht aktiv aus dem Rachen und Mund verjagt, habt ihr sehr lange was davon. Ich persönlich finde, dass diese dickköpfige Anwesenheit von süß untermalten Bitterstoffen irgendwann gewaltig nervt und auch ein bisschen unbequem wird.
Andersherum erhaltet ihr bei einem Kaffee mit langem Nachhall mehr für euer Geld und behaltet ihn länger im Gedächtnis. Ob ihr das wollt, ist eine andere Sache.
Für wen ist der Solino Harar geeignet?
Eins vorweg: Jedes Projekt, das Kaffee in den Mittelpunkt von Empowerment rückt, hat meine volle Unterstützung. Selbst, wenn ich das fertige Produkt zu einseitig finde oder mit dem Geschmacksprofil überhaupt nicht gemeint bin.
Das gilt auch für den Solino Harar. Das Frische-Problem ist hier jedoch überdeutlich, weil ihr (zumindest nach meinen Erkenntnissen aus dem Kaffeemarktplatz Test) einen Kaffee erhaltet, der nach allen Maßstäben der Branche „alt“ ist. Und dafür müsst ihr ganz schön viel Geld zahlen.
Der Punktabzug gegenüber Varianten wie Angelique’s Finest erfolgt ganz klar auch deswegen, weil ein reiner Schoko-Kaffee ohne jeglichen modernen Einschlag nicht ganz zeitgemäß ist. Auch der Geruch senkt meinen Eindruck empfindlich ab.
Wenn ihr wollt, könnt ihr mir da gern widersprechen. Am besten in den Kommentaren!