Die korrekte Mehrzahl von Espresso: Klappe zu, Wichtigtuer!

Moin! Ich bin Arne. Nach einigen Jahren als Barista habe ich mich einer Mission verschrieben: mehr guten Kaffee unter die Leute zu bringen. Dafür stellen mein Team und ich eine breite Wissensbasis zum Thema Kaffee für euch bereit.

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Jeder Barista oder Mitarbeiter einer Bäckerei mit Kaffeevollautomat stand schon einmal vor der ultimativen Service-Challenge: nicht zu lachen, wenn vor dem Tresen ein „Connaisseur“ der italienischen Kaffeekultur mit stolzgeschwellter Brust „einen Espressi, bitte“ bestellt. Und dabei überlegen guckt, als hätte er Dantes Göttliche Komödie auf Alt-Italienisch rezitiert.

Jeder Barista oder Mitarbeiter einer Bäckerei mit Kaffeevollautomat stand schon einmal vor der ultimativen Service-Challenge: nicht zu lachen, wenn vor dem Tresen ein „Connaisseur“ der italienischen Kaffeekultur mit stolzgeschwellter Brust „einen Espressi, bitte“ bestellt. Und dabei überlegen guckt, als hätte er Dantes Göttliche Komödie auf Alt-Italienisch rezitiert.

Um die korrekte Mehrzahl von Espresso wird viel gestritten – auch unter meinen Texten. Selbst im Wikipedia-Artikel zum Getränk geht es um die Espresso-Espressi-Expresso-Misere. Warum machen wir uns solche Gedanken um den Espresso-Plural? Ich habe einen (nicht ganz ernst gemeinten) Verdacht…

Espresso Mehrzahl

Vor dem Plural: Was bedeutet Espresso?

In meinen Texten verwende ich den Begriff Espresso in der Ein- und Mehrzahl, wie es mir gerade passt. Manchmal kippe ich mehrere „Espressos“ in meinen Cappuccino. Wenn mir danach ist, kommen ein paar „Espressi“ in meinen Flat White. Für ordentlich Koffein trinke ich auch schonmal drei „Espresso“.

Und soll ich euch was sagen? Der Geschmack ist immer gleich; egal, wie wir es nennen. Aber warum ist es uns Deutschen so wichtig, beim Bestellen auf Graf Koks zu machen, um dann Schlagsahne und Sirup in unseren „Late Muchacho“ (O-Ton ein besonders denkwürdiger Gast) zu kippen?

Sobald wir über die Schwelle einer Kaffeebar treten, geben wir unsere Laissez Faire-Attitüde an der Eingangstür ab. Vielleicht, weil uns der Bart des Baristas einschüchtert. Oder weil es zum guten Ton mancher Third Wave-Kaffeebars gehört, dem Kunden das Gefühl zu geben, er sei Bittsteller und kein Gast.

Der durchschnittliche Italiener käme unterdessen nie auf die Idee, in der Kaffeebar seines Vertrauens einen Espresso zu bestellen. Er ordert un caffè. Denn der vollständige Begriff für den Kaffee aus der Siebträgermaschine lautet caffè espresso.

Das Adjektiv espresso hat nichts mit dem technischen Vorgang des Pressens oder Ausdrückens zu tun, was wiederum bei dieser Zubereitung naheliegen würde. Die Erklärung ist viel lyrischer:

„Espresso“ bezieht sich auf das Verb esprimere, das sich auf das Ausdrücken von Gefühlen, Meinungen und Gedanken bezieht. Und damit verweist der caffè espresso auf ein Getränk, das erst auf ausdrücklichen Wunsch des Gastes zubereitet wird. Schließlich ist es sinnlos, den Shot auf Vorrat zu kochen.

Wenn der durchschnittliche Klischee-Touri caffè hört, denkt er allerdings an Omis Filter-Plörre. Also mussten sich Kellner in Pauschal-Hochburgen was einfallen lassen, um sich lange Erklärungen zu sparen, die Sprachbarriere zu überwinden und Reklamationen zu vermeiden. So haben sie sich erbarmt, und das Adjektiv espresso zum Hauptwort für die Deppen aus Teutonia gemacht.

Der Handtuchfaktor: Die Deutschen und die Espresso-Mehrzahl

Espresso mit schöner Crema aus der Silvia

Ich glaube, dass der Tanz um den Plural von Espresso mit unserer Mentalität zu tun hat. Und diese wird beim Thema Kaffee vom sogenannten Handtuchfaktor bestimmt. Diesen Begriff habe ich mir ausgedacht und ihr dürft mich gerne zitieren:

Ungefähr zeitgleich mit der Invasion der italienischen Kaffeekultur in Deutschland wurden Pauschalreisen nach Italien das Ding schlechthin. Rumasseln am Pool der Hotelburg in Rimini – wie weltmännisch!

Dabei kam es zu einer verqueren Form des Kulturaustauschs: Wir haben den Italienern gezeigt, wie man sportlich morgens um sieben eine Liege am Pool mit dem Handtuch reserviert. Und die Italiener haben uns dafür ungefähr zwei Brocken Italienisch beigebracht – glaubten wir zumindest.

Barista Arne trinkt Espresso aus der Silvia

Diese Brocken mussten wir gleich beim Italiener um die Ecke oder vor der Bekanntschaft präsentieren. Was läge da näher, als mit Espresso anzufangen? Schließlich zeigt schon der Wechsel von Filterkaffee auf Espresso, wie weitgereist wir doch sind.

Mit deutscher Gründlichkeit haben wir gleich noch einen vollständigen sprachwissenschaftlichen Kosmos aus Bullshit geschaffen: Italienisch beruht auf Latein – Im Lateinischen wird aus so ziemlich allen Singular-Endungen im Nominativ eine i-Endung im Plural – ergo: ein Espresso, mehrere Espressi. Goethe und Cicero wären stolz auf uns.

Allerdings reden die Italiener eben nicht von Espresso, sondern von caffè. Ich habe direkt bei einem ehemaligen Italienbewohner nachgefragt: „Wie bestellt man in Italien zwei Espresso?“ — „Prendiamo due caffè“ — „Und wenn ich das Adjektiv mitsagen würde?“ — „Naaaaa“ — „Aber die Deutschen…“ — „Nix aber. Die Deutschen trinken auch Weinschorle.“

Quijote Espresso Honduras IIII

Der korrekte Plural von Espresso? Wayne!

Das alles wäre nicht weiter tragisch, wenn wir nicht die fixe Idee hätten, dass unser Tun einen Hauch von Leitkultur mit sich trägt. Im Land der Dichter und Denker ist selbst der Einkaufszettel zwangsläufig Lyrik.

Und so konnte es passieren, dass wir das falsche Wort zum Hauptakteur gemacht und uns selbst der Lächerlichkeit preisgegeben haben. Und dass es folglich vollkommen wurscht ist, ob wir nun eine Runde Espresso, Espressos oder Espressi bestellen.

Wayne interessiert’s, was der Plural eines italienischen Wortes ist, das noch nicht einmal das bezeichnet, was Italiener darunter verstehen? Zum Horst machen wir uns vor den Italienern sowieso, weil wir allen Ernstes glauben, dass Omis Filterplörre von Kaffeekultur zeugt. Nichts gegen Omi, wohlgemerkt.

Aber eigentlich ist auch meine Tirade nur ein Zeichen, dass wir Deutschen echt nicht über uns selber lachen können. Und das, obwohl wir mehr als genug Gelegenheit dazu hätten.

Am Ende des Tages kommt es doch nur darauf an, dass wir dem Getränk mehr Achtung zollen, es anständig zubereiten und unseren Genuss-Horizont erweitern. Ohne jeden Scheiß mit unserem (geistigen) Handtuch reservieren zu müssen.

Danke für eure Aufmerksamkeit. Ende der Durchsage. Oder doch nicht? Welche schönen Sprachkonstrukte sind den Baristas oder Kellnern unter euch schon untergekommen? Wie steht ihr zum Thema „korrekte Sprache in der Kaffeewelt?“ Habe ich noch was vergessen? Hinterlasst mir gerne einen Kommentar!

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Arne Preuss

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