Kaffeebar im Kindergarten: Ab wann darf man eigentlich Kaffee trinken?

Moin! Ich bin Arne. Nach einigen Jahren als Barista habe ich mich einer Mission verschrieben: mehr guten Kaffee unter die Leute zu bringen. Dafür stellen mein Team und ich eine breite Wissensbasis zum Thema Kaffee für euch bereit.

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Ich spüre schon, wie sich die das Gesicht von Helikopter- und Rasenmäher-Eltern allein bei meiner Überschrift verzerrt: Kaffee für Kinder? Arne, geht’s noch? Malte-Jeremias darf nicht mal im Sand spielen (Feinstaub-Gefahr!) und du willst ihm Kaffee andrehen?!

Ich spüre schon, wie sich die das Gesicht von Helikopter- und Rasenmäher-Eltern allein bei meiner Überschrift verzerrt: Kaffee für Kinder? Arne, geht’s noch? Malte-Jeremias darf nicht mal im Sand spielen (Feinstaub-Gefahr!) und du willst ihm Kaffee andrehen?!

Mit diesem Artikel will ich jedoch ein Thema beleuchten, dass mich und alte Barista-Kollegen immer wieder beschäftigt hat: Gibt es eine (gesetzliche) Altersbeschränkung für Kaffee? Muss man sich von den Kids, die nach der Schule an die Kaffeetheke kommen und einen Triple-Caramel-Irgendwas bestellen, den Ausweis zeigen lassen? Und wenn ja, bei welchem Getränk?

Ihr mögt vielleicht über solchen Kikifax lachen oder euch gefragt haben, warum ich diesen Artikel vor über zehn Jahren überhaupt geschrieben habe. Doch allein die ernsthaften Kommentare und meine Gespräche mit zahllosen Kollegen haben mich veranlasst, ihm ein Update zu verpassen und auseinander zu klamüsern, wie Kaffee und Erwachsenwerden zusammenhängen.

Sicherlich ist dabei alles nicht so todernst gemeint, wie es angesichts beliebter Elterndebatten immer wieder den Anschein hat. Und nein, ich will mich nicht über Eltern lustig machen. Auch nicht über Kinder. Über Helikopter und Rasenmäher schon.

Denn ich plädiere beim Thema Kaffee-Einstieg für die dritte Variante, die ich Vogel-Eltern nenne: Ab einem gewissen Punkt wird es Zeit, die Kids aus dem Nest zu kicken und sie zum Fliegen zu zwingen. Was ich damit meine, lest ihr hier.

Wollen Kinder überhaupt Kaffee trinken?

Ich kann euch gar nicht mehr genau sagen, wann ich meinen ersten Kaffee getrunken habe – also ernsthaft, mit Austrinken und Absicht. Ich weiß nur, dass ich auf jeden Fall älter war.

Es gab damals allerdings keine sexy Kaffeebars, die mich früher hätten verführen können. Und so naughty wie Zigaretten und Alkohol war Kaffee nun auch wieder nicht, dass man ihn heimlich hinter der Hecke trinken wollte.

Das Kaffeebar-Phänomen ist ein Grund, warum wir das Thema überhaupt so intensiv beleuchten. Denn Kaffee an sich ist total Kinder-unfreundlich: Er schmeckt bitter, er sieht traurig aus und er ist ziemlich heiß.

Ein fluffiger Berg aus Milchschaum, vielleicht noch garniert mit Karamelllinien, Marshmallows, Sahne und anderen bunten Dingen macht aus dem an sich langweiligen Getränk aber plötzlich eine Sache, die man UN-BE-DINGT kosten möchte.

Und dabei stellt sich bei Mamis oder Papis Nachmittagsdate im Kaffeeladen für jedes Kind unweigerlich eine Frage: „Warum dürfen die diese tollen, bunten Süßigkeiten in der Tasse trinken und ich nicht?“

Kaffee Gesund Sportler

Das Argument „Das ist nichts für dich“ leuchtet selbst dem inselbegabtesten Kind angesichts der süßen Zuckerhaufen nicht ein.

Außerdem sind Kaffeebuden schlau und ziehen sich ihren Käufernachwuchs früh heran. Auf vielen Karten finden ihr „Babyccinos“ oder ähnliche Dinge, die es häufig sogar kostenlos gibt.

Meist handelt es sich um geschäumte Milch mit ein bisschen Kakaopulver – die Kids sind selig und haben eine Tasse vor sich, die der von Mama und Papa ähnelt, die Eltern ersparen sich Geschrei und Diskussionen.

So gesehen wollen Kinder nicht Kaffee trinken, sie wollen wie Mama oder Papa sein. Sie wollen die „Süßigkeiten“ haben, die modernen Kaffee flankieren und wollen sich erwachsen fühlen.

Bitter als Geschmack ist für Kinder schon deswegen abstoßend, weil sie in ihrer Geschmackssozialisierung noch ganz am Anfang stehen und Bitterstoffe jeglicher Art auf evolutionärer Ebene wahrnehmen: Bitterkeit zeigt grundsätzlich giftige, unreife oder anderweitig problematische Lebensmittel an.

Die Natur hat uns diese gustatorische Wahrnehmung geschenkt, damit wir beim Naschen vom Urzeit-Strauch nicht gleich wieder unsere ganze Spezies ausrotten. Zudem haben Kinder mit rund 10.000 Geschmacksknospen ungefähr fünfmal so viele Rezeptoren wie Erwachsene und nehmen intensive Nuancen – von denen es im Kaffee reichlich gibt – umso heftiger wahr.

Diese Rezeptoren sind allerdings noch unterentwickelt (siehe Evolution) und müssen erst lernen, „gutes“ Bitter von „schlechtem“ Bitter zu unterscheiden. Aber „süß“ in all seinen Facetten beherrschen Kinder von Geburt an. Schön aufbereitet findet ihr diese Erkenntnisse in einer Präsentation des Sensoriklabors vom ttz Bremerhaven.

Daraus ergibt sich eine klare Schlussfolgerung: Wenn ihr euch fragt, warum eure Kids im scheinbar viel zu jungen Alter plötzlich nach Kaffee rufen, solltet ihr euch mal eure eigene Kaffeekultur in Gegenwart eures Nachwuchses anschauen. Wer nur schwarzen Kaffee aus dem Handfilter trinkt, erzieht seine Kinder weniger (oder später) zum Kaffeetrinken.

Handfilter Barista Arne

Der Fehler in der Koffein-Rechnung

Wesentlicher Argumentationspunkt für Eltern, die ihren Kindern das Kaffeetrinken verbieten, ist nachvollziehbarer Weise das Koffein – mit Schreckgespenstern wie der Koffeinvergiftung. Intensiv beschäftige ich mich mit diesem Bestandteil des Kaffees zum Beispiel im Artikel „Ist Kaffee gesund?“

Als psychoaktive Substanz mit aufputschender Wirkung auf das vegetative Nervensystem und toxikologischen Fähigkeiten hat Koffein in der Kinderernährung nichts zu suchen. Allerdings unterliegen wir dabei einem Denkfehler:

Koffein und Kaffee sind für uns synonym, aber der Stoff steckt auch in vielen anderen Lebensmitteln, die wir bedenkenlos unseren Kindern geben.

Kakaobohnen enthalten wie Kaffeebohnen von Natur aus Koffein. In Kaffee stecken je nach Sorte rund 839 Milligramm pro 100 Gramm. In der Kakaobohne sind es immerhin noch 230 Milligramm.

Damit erreicht eine Tafel (Bitter-)Schokolade à 100 Gramm einen Koffeingehalt von rund 34 Milligramm. Sehr viele Süßigkeiten enthalten ebenfalls auf die ein oder andere Weise Koffein. Die aufputschende Wirkung des Alkaloids muss zudem mit der aufputschenden Wirkung des Zuckers aufgerechnet werden. Und schon sind unsere Kids nach einer süßen Belohnung aufgekratzter als eigentlich beabsichtigt.

Außerdem sind Zucker und Fett der kindlichen Entwicklung nun wirklich nicht zuträglich und in meinen Augen noch problematischer als Koffein. Selbst der so beliebte Eistee ist ein wahres Koffein-Monster, wenn er auf Schwarz- oder Grüntee beruht.

Doch wie viel Koffein hat Kaffee? Und wie viel dürfen Kinder zu sich nehmen? Für Erwachsene hält zum Beispiel das Bundesinstitut für Risikobewertung eine Tagesdosis von 400 Milligramm für unbedenklich. Das sind bei ihm umgerechnet rund 800 Milliliter Filterkaffee (90 Milligramm auf 200 Milliliter).

Bei Kindern gilt die Formel 3 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht. Das summiert sich bei einem Knirps von 17 Kilogramm zu einer halben Tasse Kaffee oder 0,5 Liter Cola. Auf der anderen Seite sind Kinder sehr gute Metabolisierer. Sie spüren die Wirkung des Koffeins wesentlich schneller und intensiver als Erwachsene.

Allein die Tatsache, dass das Bundesinstitut kein Problem hat, auch bei Vierjährigen in Kaffeetassen zu rechnen, zeigt schon, wie allgegenwärtig Koffein in unserer Ernährung ist. Dementsprechend ist es auch ein bisschen hohl, wenn wir den Kids Kaffee verbieten, aber ihnen Schokolade in Massen ins Gesicht stopfen und mit Eistee nachspülen.

Mindestalter für den Kaffeegenuss?

Viele Elternratgeber geben 14 Jahre als optimales Mindestalter für den (beschränkten) Kaffeegenuss an. Ich glaube, das ist eher eine sozial konstruierte als eine biologische Grenze. Ab 14 darf man laut Gesetz Sex haben, sich die Pille verschreiben lassen, seine eigene Religion wählen, bis 22 Uhr ausbleiben, zum Organspender werden und, und, und.

14 ist also ein „magisches Alter“, ab dem Kinder mehr Selbstbestimmung ausüben. Das kann und sollte natürlich auch auf den Kaffeegenuss ausgeweitet werden. Ob das dann „gesund“ ist oder nicht, hat aber nichts mit der gesetzlichen Reife oder der Biologie zu tun.

Zudem findet die Pubertät und damit die Ausbildung zum körperlich erwachsenen Wesen immer früher statt. Es ist also auch kein Wunder, wenn schon 11-Jährige Gefallen am Kaffee finden. Aber ich bin mir sicher, dass es auch hier eher wieder um den Kaffee als „Statussymbol“ geht.

Dennoch ist die 14er-Grenze eine gute Faustformel dafür, ab wann sich Eltern auf Diskussionen zum Thema einlassen und ihren Kindern das Entdecken der Welt erlauben sollten.

Kaffeebars behandeln das Thema indes unterschiedlich. So berichtete ein Kommentator, dass er bei Mäcces keinen Kaffee bekommen hat, weil er erst 14 sei. Ähnlich soll dies auch bei Tchibo passiert sein, wo sogar das Mindestalter 18 Jahre gegolten habe.

Da es hierfür keine Gesetze wie beim Alkohol oder beim Tabak gibt, kann jeder Händler nach eigenem Ermessen vorgehen. Und ich finde, das ist völlig in Ordnung.

Wenn eine Kaffeebar den Verkauf bestimmter Getränke an in ihren Augen unmündige Kinder verweigert, dann machen sie dies nicht aus Bosheit. Sondern aus einem Verantwortungsbewusstsein heraus. Was sollte daran falsch sein?

Wenn eine Kaffeebar auch schon Jüngere mit Kaffee versorgt, finde ich das ebenso wenig problematisch – bzw. finde ich, dass es ihre Sache ist. Ich würde nur darüber nachdenken, welche Mengen und welche Getränke da über den Tresen gehen.

Welcher Kaffee für den Einstieg?

Wenn wir davon ausgehen, dass der Einstieg ins Kaffeetrinken sowieso irgendwann passiert, können wir auch gleich darüber nachdenken, welcher Kaffee am geeignetsten ist.

Um den noch jungen Körper nicht gleich vor riesige Herausforderungen zu stellen, würde ich zu Kaffee mit wenig Bitterstoffen und möglichst geringer Säure raten. Damit fallen – Überraschung, Überraschung – schon einmal alle Kaffees aus der Turbo-Industrieröstung weg.

Denn dieses Röstverfahren prügelt die Bitterstoffe vor sich her. Allerdings fällt auch jeder typische Third Wave-Kaffee weg – Light Roasts und Co sind einfach zu säurebetont. Ähnlich verhält es sich natürlich mit besonders dunklen italienischen Espresso-Röstungen oder gar Robusta-Mischungen.

Die goldene Mitte zwischen Medium Roast und Full City-Röstung ist ein gutes Einstiegstor – und perfekterweise auch noch der Bereich, in dem sich momentan am meisten bei guten Kaffeebohnen tut.

Ich glaube indes nicht, dass die erste Tasse Kaffee pur genossen wird. Seine Liebe zum Cocktail entdeckt schließlich auch niemand bei einem knallharten Negroni, sondern fängt erst einmal mit Pina Colada an.

Das Kaffee-Äquivalent ist für mich Milchkaffee, schon allein, weil der Kaffee hier unter durchschnittlich der dreifachen Menge Milch verschwindet. „Milder“ geht es kaum.

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Außerdem haben Brasilianer angeblich in einer Studie herausgefunden, dass Milchkaffee Kinder vor Depressionen schützt. Aber wie ich schon in „Ist Kaffee gesund“ und in „Chlorogensäure im Kaffee“ geschrieben habe:

Studien sind nur Schlaglichter, keine Beweise. Und beim Thema Kaffee sollten wir endlich aufhören, so einen Eiertanz um die Gesundheitsfrage aufzuführen.

Wie bei allen anderen Erziehungsfragen ist es eure Aufgabe als Eltern, euch euer Kind genau anzugucken und anhand der vor euch liegenden Tatsachen zu entscheiden, ob ihr Kaffee bis zum Tag X verbietet oder ein Auge zudrückt, wenn es heimlich am Cappuccino nuckelt.

Die Diskussion zum Thema führen wir am besten in den Kommentaren. Bis gleich!

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