Arabica und Robusta Kaffee: Gemeinsamkeiten, Unterschiede und der Tanz um den Qualitätsbegriff

Moin! Ich bin Arne. Nach einigen Jahren als Barista habe ich mich einer Mission verschrieben: mehr guten Kaffee unter die Leute zu bringen. Dafür stellen mein Team und ich eine breite Wissensbasis zum Thema Kaffee für euch bereit.

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Wenn ihr mich schwungvoll mit den Augen rollen sehen wollt, müsst ihr mich nur vor eine typische Kaffeewerbung setzen. Was mir dabei unfassbar auf die Nerven geht: Echte Informationen über den Kaffee erhaltet ihr nicht, aber garantiert eine fette Ansage à la „100% Arabica“. In Großbuchstaben.

Kaffeebohnen: Arabica und Robusta: Was sind die Unterschiede

Wenn ihr mich schwungvoll mit den Augen rollen sehen wollt, müsst ihr mich nur vor eine typische Kaffeewerbung setzen. Was mir dabei unfassbar auf die Nerven geht: Echte Informationen über den Kaffee erhaltet ihr nicht, aber garantiert eine fette Ansage à la „100% Arabica“. In Großbuchstaben.

Das vermeintliche Qualitätsversprechen „100% Arabica“ suggeriert, dass diese Bohnensorte das Beste ist, was eurem Kaffee passieren kann. Es suggeriert natürlich auch, dass es noch eine andere Sorte gibt, die wir lieber nicht im Kaffee haben wollen. Außerdem schwingt mit, dass es Kaffeemischungen gibt, in denen neben Kaffee auch noch andere Zutaten enthalten sein können.

Dieser Text ist ein längst überfälliges Update zu einem meiner Uralt-Artikel über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Arabica- und Robusta-Kaffee. Seit der Erstveröffentlichung im Jahr 2009 (!) hat sich gerade auf dem Robusta-Gebiet eine ganze Menge getan.

Außerdem wissen Kaffeefans heute viel besser über die Daseinsberechtigung von Robusta und die wirklichen Unterschiede zu Arabica Bescheid. Sollte das bei euch noch nicht der Fall sein, könnt ihr das in den nächsten Absätzen ändern.

Arabica und Robusta: Gleicher Kaffee, anderer Name?

Klären wir erst einmal eine grundsätzliche Sache: Arabica und Robusta stammen beide von der Kaffeepflanze Coffea aus der Familie der Rubiaceaen. Sie sind also botanisch Geschwister. Aber genauso wie Geschwister sind die beiden Arten dann doch nicht identisch. Denn sie stammen von unterschiedlichen Unterarten:

Es gibt einmal die Coffea Arabica-Pflanze sowie die Coffea Canephora-Pflanze. Beide wachsen mit unterschiedlichen Ansprüchen an unterschiedlichen Orten und bringen deshalb unterschiedliche Früchte hervor. Drückt man beide Augen zu, reden wir also vom Unterschied zwischen Sauer- und Süßkirschen.

Canephora ist der botanische Name für die Bohnenart, die wir als Robusta kennen. Es darf aber nicht unter den Tisch fallen, dass es auch noch Arten wie Liberica oder Excelsa sowie mehr als hundert weitere Varianten gibt, die im weltweiten Kaffeehandel jedoch kaum eine gewichtige Rolle spielen.

Und weil es in der Botanik immer hoch hergeht, verzweigen sich die beiden Hauptarten Canephora und Arabica noch einmal in Unterkategorien. Vielleicht habt ihr schon einmal von illustren Namen wie „Bourbon“ oder „Cattura“ gehört. Allein Arabica kennt rund 70 Varianten mit jeweils ganz unterschiedlichen Eigenschaften.

Richtig klasse aufgedröselt wird dieser Stammbaum an Varietäten im Variety Catalog von World Coffee Research.

Anbau – die Sage vom „Hochlandkaffee“

Vielleicht liegt es auch an dieser natürlichen Vielfalt, dass Arabica der Inbegriff von Kaffee ist. Doch für die Hysterie, die um das Siegel „100% Arabica“ herrscht, mache ich etwas anderes verantwortlich.

Sie beruht auf einem Qualitätsversprechen und einem Luxus-Argument, die aus dem anspruchsvollen Anbau der Coffea Arabica Pflanze entstanden sind – und aus ihrem Mythos:

  1. Arabica ist der „Ur-Kaffee“ mit entsprechend langer Tradition. Die Pflanze wurde schon im 7. Jahrhundert entdeckt und im Laufe der Zeit nutzbar gemacht. Alles, was mit der Wiener Kaffeehaustradition und ähnlicher Historie zu tun hat, beruht auf Arabica. Damit hat Arabica einen wesentlichen Image-Vorsprung.
  2. Die Pflanze wächst nur auf Höhenlagen zwischen 600 und 2.300 Metern. Daher kommt auch der beknackte Name „Hochlandkaffee“. Klingt schonmal nach etwas Überlegenem, oder? Je höher dabei die Lage, desto langsamer und aromenkomplexer reifen die Früchte heran. Doch je höher es geht, desto geringer wird auch die Anbaufläche und damit der Ertrag. Die Verknappung an Fläche sorgt für grundsätzlich höhere Preise.
  3. Für das Reifen der Arabica Kaffeekirsche darf es weder zu heiß noch zu kalt sein. Die Klimakapriolen nehmen indes immer mehr zu, weshalb das perfekte, konstante „Kaffeewetter“ für eine üppige Ernte immer seltener und nur an bestimmten Orten zu finden ist.
  4. Die Luftfeuchtigkeit muss sehr hoch sein. Auch das ist nur in bestimmten Regionen der Welt gegeben. Wüsten, Rheinland-Pfalz oder die platte Nordseeküste fallen für Arabica deshalb komplett flach.
  5. Die Ernte erfolgt nach individuellem Reifegrad der Kaffeekirschen. Von Hand. Im steilen Gelände. Der manuelle Faktor kostet – Zeit, Personal, Ernteressourcen und am Ende den Kunden. Was die Erntehelfer davon bekommen, steht auf einem anderen Blatt.
  6. Direktes Sonnenlicht ist tabu. Die meisten Arabica Bohnen wollen im Schatten friedlich vor sich hin wachsen. Schatten auf dem Berg ist aber nicht so einfach zu finden. Zudem nimmt die Sonnenintensität mit zunehmender Höhe zu. Und schon wieder sinkt die potenzielle Ernte beträchtlich.

Nehmen wir nur diese sechs Punkte, dann wird schon deutlich, warum Arabica-Bohnen einen so guten Ruf haben:

  • Anspruchsvolle Wachstumsbedingungen
  • Eingeschränkte Ertragsmöglichkeiten
  • Nur bestimmte Herkunftsorte auf der Welt sind Arabica-tauglich
  • Die Ernte ist mühsam, erfolgt manuell und hat damit eindeutigen „Handarbeitswert“

Die Werbung hat es geschafft, uns diese Faktoren für Arabica-Kaffees tief einzuimpfen, obwohl wir noch lange nicht wissen, was dahinter steckt. Für den doofen Verbraucher reicht es zu wissen, dass er ein absolutes Luxusgut für 3,50 Euro das Pfund erstehen kann.

Schwarzer Kaffee Supermarktkaffee falsche Versprechen

Stimmungsvolle Bilder von nebelverhangenen Urwäldern und exotische Sehnsuchtsnamen wie Brasilien oder Guatemala sind Ansporn genug.

So konnte es auch passieren, dass eine eigentlich viel zu zickige Pflanzen mehr als 60 Prozent der weltweiten Kaffeeproduktion ausmacht. Die Verbraucher wollen es (angeblich) so, weil uns die Werbung dazu erzogen hat.

Die anderen rund 40 Prozent des weltweiten Kaffeeanbaus gehören der Coffea Canephora bzw. Robusta. Sie kommt hauptsächlich aus den weniger massenprominenten Gebieten Indonesiens, Vietnams oder Indiens, die aber interessanterweise momentan absolut im Trend liegen.

Wie ihr Name schon sagt, nimmt die Robusta die Sache mit dem Anbau wesentlich leichter:

  1. Robusta wächst schon zwischen 300 und 600 Metern über dem Meeresspiegel prächtig vor sich hin
  2. Robusta ist unempfindlicher gegen Klimaschwankungen, Krankheiten oder Sonne
  3. Robusta liefert pro Pflanze einen höheren Ertrag
  4. Die Ernte ist einfacher und unaufwendiger

Das erste Imageproblem der Robusta beruht auf ihrer schwierigen Vermarktbarkeit. Mit „Tieflandkaffee“ lockst du niemandem hinter dem Ofen vor. Und der Name an sich klingt schon wie ein rotgesichtiger Bauerntrampel.

Macht dies aber einen Robusta Kaffee auch „billiger“, wie uns die Markenbildung bei Kaffee gelehrt hat?

Jein. Der reine Anbaupreis pro Bohne ist wesentlich geringer, der Gewinn damit theoretisch höher. Aber jetzt greift ein Paradoxon der Wirtschaft:

Weil Arabica den Markt dominiert, ist die Bewirtschaftung mit Robusta Kaffee wiederum risikoreicher, obwohl die Risikoanfälligkeit der Bohne geringer ist. Denn dafür stehen weniger Anbauflächen mit einem geringeren Gesamtertrag bereit.

Die Kaffeeplantagen in den bevorzugten Lagen pflastern, vereinfacht gesagt, erst einmal alles mit Arabica zu, bevor sie sich an Robusta wenden. Sie wollen ja schließlich etwas vom Kuchen abhaben. Robusta ist da nur ein „Füllmaterial“, das den Gewinn maximieren soll.

Kaffeefarm in Thailand

Jene Plantagen, deren Platz, Boden und Klima ausschließlich für Robusta geeignet sind, gehen ein noch wesentlich größeres Risiko ein. Fällt zum Beispiel eine Ernte auf der Robusta-Plantage X der Fäulnis zum Opfer, hat der Robusta-Lieferant kaum oder keine „Ausweichmöglichkeiten“ – im Ernstfall ist sein Jahreseinkommen futsch.

Gleichzeitig findet er für sein Angebot weniger Abnehmer. Je weniger Abnehmer auf einem Markt zu finden sind, desto höher ist der Verkaufsdruck für die Anbieter. Die Käufer können Preise also schnell einmal diktieren. Und dann besteht die Gefahr des Preisdumpings, die am Ende den Verkäufer teuer zu stehen kommt.

Eine eigentlich billigere Robusta-Bohne ist also am Ende genauso teuer wie die große Schwester Arabica-Bohne – nur unter anderen Vorzeichen.

Ich erkläre diesen Wirtschaftsfakt nur deshalb so ausführlich, weil er ein wichtiger Mechanismus in der globalen Kaffee-Produktion ist – in der Wahrnehmung aber vollkommen unter den Tisch fällt. Denn die Werbung wird sich hüten, die beiden Kreisläufe bei Arabica und Robusta offenzulegen. Klare Preistransparenz würde nur die heile Werbewelt versauen.

Siehe dazu auch meinen Artikel: „Was bekommen Kaffeebauern?„.

Kaffeebauer pflueckt eine reife Kaffeekirsche

Wenn wir aber den „Wert“ beider Kaffeesorten allein an den Wirtschaftsfaktoren messen würden, gäbe es keinen Unterschied mehr, den es zu bewerben lohnt. Denn das 100 Pro-Versprechen suggeriert eben auch den preislichen Wert des Gutes Arabica gegenüber der Rohstoff-Alternative Robusta.

Zudem, und das muss ich ehrlich sagen, hat die Werbung bisher noch keine Idee entwickelt, wie man den bodenständigen Robusta sexy vermarkten und 13 Jahrhunderte Arabica-Historie aufwiegen kann.

Erst, wenn das gelingt, verschiebt sich auch das Angebot-Nachfrage-Verhältnis und damit der Risikofaktor bei Robusta. Witzigerweise würde Robusta dann tatsächlich auf ganzer Linie billiger sein als Arabica – doch wäre am Ende für den preissensiblen Verbraucher noch attraktiver – ganz gleich, was Geschmack und Stil vielleicht aussagen.

Geschmack und Stil – ein Rüpel namens Robusta und die Grazie Arabica?

Spätestens bei diesem Unterscheidungsmerkmal fängt bei mir schnell das große Kopfschütteln an. Aus genetischer Sicht ist Robusta mit nur 22 Chromosomenpaaren geschmacklich definitiv im Nachteil. Die 44 Paare in der Arabica-Bohne sorgen dafür, dass wir Kaffee-Experten ständig von über 800 Aromen und den unterschiedlichen Geschmacksnuancen faseln können: wo mehr DNA, da auch mehr Komplexität.

Arne geniesst den Geruch von frischen Kaffeebohnen

Allerdings lehne ich mich einmal aus dem Fenster und behaupte, dass der typische Jacobs-Käufer in seinem ganzen Leben noch nie einen echten Robusta-Kaffee getrunken hat und daher nicht weiß, wo der Unterschied eigentlich zu suchen wäre.

Ich lehne mich auch aus dem Fenster und behaupte, dass eine schlechte Industrieröstung aus Arabica-Bohnen noch dreimal schlechter schmeckt als eine mittelmäßige Robustaröstung aus der Trommel.

Gerade weil Arabica ein Massenprodukt ist, wird es von der Industrie auch als Masse verarbeitet. Und das bedeutet: überschnelle Röstung bis zur dunklen Unkenntlichkeit – Hauptsache, es knallt und riecht nach Krönung. Dabei werden die genetischen Vorteile der Arabica-Bohne, die sich in einem deutlich höheren Anteil an aromatischen Ölen ausdrückt, nicht herausgearbeitet oder zerstört.

Wird sich bei der Röstung Mühe gegeben, dann kann ein Arabica-Kaffee jedoch tausend Facetten zeigen: Früchte und Blumen, Gräser und Süßigkeiten, Ledernoten und Gehölze, Milde und Würze – und manchmal alles zusammen.

Typische Geschmacksprofile für Robusta-Röstungen lesen sich hingegen wie ein Survival-Guide: Hier ist von Erde, Holz, Bitterstoffen, Herrenschokolade und allgemein von Geschmack mit Brusthaaren die Rede.

Auch das trägt zum Imageproblem der Robusta bei, lässt sich sowas doch schwierig mit einem positiven Spin versehen. Wie unbeholfen und geradezu beleidigend so etwas aussehen kann, seht ihr in meinem Zombie Kaffee Test.

Gleichzeitig wird auch klar, dass bei einer Robusta-Röstung schneller etwas geschmacklich schief gehen kann als beim Arabica. Wird die Grazie Arabica grob behandelt, dann reduziert sie zwar ihr Geschmacksprofil erheblich, hat aber am Ende immer noch genug DNA-Power, um den Durchschnittsgaumen zu überzeugen.

Geht bei der Robusta-Röstung etwas schief, habt ihr eine bittere, kräftige Plörre in der Tasse, die nur entfernt an Kaffee erinnert. Schon deshalb trauen sich die Massenröster nicht an reine Robustas ran. Auch bei kleinen Röstereien gehören reine Robustas (noch) zur großen Ausnahme. So gesehen ist also der vermeintliche Rüpel Robusta dann doch wieder die grazilere und sensiblere Art.

Koffein, Crema und das Gespenst Chlorogensäure: Robusta, übernehmen Sie!

Stellen wir unsere bisherigen Befunde zum Unterschied zwischen Arabica und Robusta zusammen, stellt sich zwangsläufig die Frage, warum die Rumpelbohne Robusta überhaupt gekauft, verarbeitet und getrunken wird.

Dies haben wir nicht zuletzt den Italienern zu verdanken – insbesondere den Bewohnern des unteren Stiefel-Teils. Denn je weiter südlich ihr in Italien kommt, desto dunkler und kräftiger wird der caffè – also der Espresso.

Nahaufnahme einer Espressomaschine, die einen Espresso bezieht

Dunkel und kräftig bekommt die Robusta-Bohne aus dem Stand hin. Besonders dann, wenn ihr Zucker auf einen solchen Robusta-Espresso kippt, gibt es eine leckere Karamell-Attacke. Das allein klärt die Existenzberechtigung aber noch nicht. Die müssen wir in einer ganz anderen Richtung suchen – und damit im größten Vorteil der Robusta-Bohne:

In jeder Bohne Robusta steckt etwa doppelt so viel Koffein wie in einer Bohne Arabica.

Damit wird es wesentlich einfacher, einen Espresso mit Anlauf zu machen, ohne sich ganz auf die „teurere“ Arabica-Bohne verlassen zu müssen. Und auch in Sachen Crema macht Robusta das Leben jedes Baristas einfacher:

Die Öl-Armut, die man der Robusta-Bohne geschmacklich vorwerfen kann, sorgt dafür, dass die Crema auf dem Espresso aus der Siebträgermaschine oder dem Kaffeevollautomaten länger hält. Auch reine Arabica-Espresso bilden eine Crema, die bei richtiger Zubereitung besonders aromatisch ist. Aber sie ist schrecklich anfällig für Maschinen- oder Menschenfehler.

Crema auf einem Espresso

Schon deshalb bestehen viele Espressomischungen nach italienischem Vorbild zu einem nicht geringen Anteil aus Robustabohnen. Der Wert liegt über den Daumen gepeilt zwischen 30 und 40 Prozent.

So werden „idiotensichere“ Espressos möglich, die außerdem auch noch einen anständigen Koffein-Kick liefern und das klassische Espresso-Geschmacksprofil aus dunkel, kräftig und „immer druff“ ohne Probleme hervor kitzeln. Mit der Beigabe von Robusta konnte Italo-Espresso zudem zum erschwinglichen Massenprodukt werden und so den Siegeszug über die ganze Welt antreten.

Mit diesen Eigenschaften ist es fast schon wieder ein Unding, dass Robusta so stiefmütterlich behandelt wird. Aber leider nur fast. Denn Robusta hat auch einen ganz entschiedenen Nachteil:

In jeder Bohne Robusta steckt etwa doppelt so viel Chlorogensäure wie in einer Bohne Arabica.

Dieser Ester der Kaffeesäure in der Kaffeebohne wird für typische Magenprobleme verantwortlich gemacht, die beim Kaffee trinken auftreten können. Zwar sollte nicht unter den Tisch fallen, dass Studien auch belegen, dass diese Säure den Blutdruck senken kann und bei Mäusen sogar Magengeschwüre positiv beeinflusst hat.

Ob die Magenschmerzen tatsächlich von der Chlorogensäure verursacht werden, ist bis jetzt außerdem noch nicht eindeutig bewiesen. Aber bei Genussmitteln kommt es nicht darauf an, wie wissenschaftlich fundiert die Einschätzung ist, sondern was der Großteil der Genießer danach fühlt.

Um Chlorogensäure in der fertigen Bohne zu reduzieren, ist eigentlich nichts anderes möglich, als eine langsame Trommelröstung mit mindestes 20-minütiger Röstdauer bei geringen Temperaturen durchzuführen. Das wiederum holt aber noch mehr Bitterstoffe aus der Robusta und lässt den Geschmack schnell ins „Modrige“ abdriften.

Gleichzeitig lassen sich die Hersteller von Supermarktkaffee solche Zeit natürlich nicht, sondern prügeln ihre Bohnen in fünf Minuten bei bis zu 600 Grad Celsius durch die Röstung. Darum müssen sie beim Robusta-Anteil in ihren Espressomischungen auch so schrecklich aufpassen, sonst jammert die Kundschaft über Bauchschmerzen – woher die am Ende auch immer wirklich herkommen mögen.

Diese Probleme hat Arabica nicht, sondern erscheint bei allen Röstgraden grundsätzlich bekömmlicher. Ein gutes Beispiel dafür ist der Earlybird Kaffee, der aus Peru stammt. Und weil es so viele Aromen pro Bohne gibt, fällt auch nicht auf, wenn mehr als die Hälfte in der Industrieröstung im Turbogang verschwindet. Noch einmal: Hauptsache, es riecht und schmeckt nach Krönung.

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Aus industrieller Sicht ist die Robusta-Bohne also ein notwendiges Übel. Man könnte sie zum Beispiel mit dem Emulgator Carrageen gleichsetzen: Sie sorgt für Stabilität, ist lebensmittelrechtlich kein Problem, aber am Ende des Tages nicht gerade „Clean Eating“ und nur schwer vermarktbar. Darum wird Robusta in der industriellen Kaffeeherstellung auch eher versteckt.

Doch was ist mit der unabhängigen Kaffeewelt? Hier gibt es gute Nachrichten: Es kommt Bewegung in den Markt und immer mehr Röster versuchen, die bäuerische Survival-Bohne Robusta aus ihrer Nische zu holen.

Robusta als neuer Trend am Kaffeehimmel?

Wenn ihr euch durch die kleinen Röstereien der Republik klickt, stolpert ihr immer öfter über Kaffeeangebote, die mit einem Robusta-Anteil jenseits der Industriegrenze glänzen. Anteile ab 50 Prozent etablieren sich immer breiter, auch hundertprozentige Robusta-Röstungen tauchen vermehrt auf.

Was erst einmal wie ein Angriff auf alles klingt, was am Kaffeegenuss gut und heilig ist, entpuppt sich mitunter als ganz großer Wurf. Bis ich eine gleichwertige Alternative getestet habe, gilt für mich hier der Huber Robu 100 Espresso als Maßstab:

Durch sorgfältiges Rösten und einen hervorragenden Rohstoff ist ein Espresso entstanden, der die besten Eigenschaften der Robusta hervorkehrt: Er ist kräftig, extrem schokoladig, schmatzig und dicht. Von Magenproblemen konnte hier keine Rede sein, auch wenn der Koffeinkick natürlich mit Anlauf kam und länger anhielt.

Mit rund 20 Euro pro Kilo lag der Espresso von einer genau benennbaren Plantage in Indien auch noch weit unter einem gleichwertigen Arabica-Kaffee – und ich hatte (gefühlt) am Ende mehr davon.

Könnte es also sein, dass Robusta endlich seinen großen Auftritt in der Kaffeewelt hat? Schließlich habe ich schon öfter angemerkt, dass die blumige Third Wave so langsam abzuebben scheint und wieder einem kräftigeren Stil Platz macht.

Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass Robusta jemals so sexy wie Arabica wird. Man kann einem Bauerntrampel schöne Kleider anziehen und Manieren beibringen, doch der Stallgeruch wird nie ganz weggehen. Die Robusta-Bohne ist einfach ein Liebhaberstück, das trainierte Gaumen auf der Suche nach der dicken Kaffeekeule erfreut.

Ich denke aber, dass ein wenig mehr Robusta im Rösterangebot dafür sorgen könnte, dass sich der Kaffeehandel insgesamt verändert. Erstens kommen auch unterrepräsentierte Anbaugebiete zu ihrem Recht, zweitens nimmt der Aufstieg von Robusta etwas Druck aus der Arabica-Versorgung, drittens ist Robusta besser auf den Klimawandel eingerichtet, dem sich Arabica unweigerlich unterordnen muss.

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Ob das am Ende dafür sorgt, dass der Kaffeehandel insgesamt gerechter wird? Nein. Das lässt sich nicht an einer Bohnensorte festmachen. Doch mit der Konkurrenz aus der eigenen Pflanzenfamilie wird die aufgeblasene Vorherrschaft der Arabica-Bohne auf ein realistischeres Maß zusammengestutzt. Ob das auch humanistische Effekte hat, wird die Zeit zeigen.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

ArabicaRobusta
PflanzenfamilieRubiaceaenRubiaceaen
PflanzenartCoffea ArabicaCoffea Canephora
Anteil an der weltweiten Kaffeewirtschaft in Prozent (ca.)60 bis 7030 bis 40
Anbauhöhe in m600 bis 2300300 bis 600
Klimaanforderungenkonstant, schattig, hohe Luftfeuchtigkeit„gefällig“ und schön warm
Koffeingehalt pro Espresso-Shot in mg (auf Basis des durchschnittlichen Koffeingehalts)77141
Durchschnittlicher Anteil Chlorogensäure in Prozent6,510
Durchschnittlicher Gehalt an Kaffeeölen in Prozent15 bis 1710 bis 12
Aussehenlänglich, ovalklein, rund
Geschmackfruchtig, süß, vielseitigerdig, holzig, kräftig, nussig, bitter
HauptanbaugebieteBrasilien, Kolumbien, ÄthiopienVietnam, Indonesien, Brasilien

Bitte beachtet, dass die jeweiligen Zahlen für Arabica und Robusta nie in Stein gemeißelt sind, sondern von Bohne zu Bohne, Jahr zu Jahr und Messmethode zu Messmethode schwanken. Aber es dürfte ziemlich ersichtlich sein, dass der Vergleich zwischen Arabica und Robusta auch ein wenig Äpfel-Birnen-Charakter hat.

Welcher Kaffee ist denn nun besser?

Ich hoffe, ich konnte euch zeigen, dass die Qualitätsdiskussion um Arabica vs. Robusta vollkommen hohl ist. Guter Kaffee kann von beiden Varianten kommen – schlechter genauso. Darum ist es auch völlig wurscht, ob die von euch gewählte Kaffeeröstung mit dem Siegel „100% Arabica“ wirbt, oder diesen Umstand nur als Tatsache festhält.

Wahr ist, dass Arabica schon allein durch die weltweite Verbreitung in den unterschiedlichsten Anbaugebieten und die grundsätzlichen Eigenschaften wesentlich vielseitiger, überraschender und gefälliger ist als Robusta.

Arabica Robusta Kaffeevollautomat

Wahr ist auch, dass Arabica-Kaffee im Direktvergleich schon von Hause aus zu Großartigkeiten neigt, die sich Robusta hart erkämpfen muss. Wahr ist aber auch, dass die Arabica-Manie für das ekelhafte Preisdumping verantwortlich ist, welches jegliches Qualitätsversprechen ad absurdum führt.

Genauso müssen wir uns der Tatsache stellen, dass wir uns eine Umwelt geschaffen haben, in der zukünftig weniger Platz für Arabica, aber mehr Platz für Robusta sein könnte. Es ist also nur folgerichtig, sich der Rumpelschwester mit etwas mehr Hingabe zu widmen.

Happycoffee Sidamo Robusta Arne Studiert die Kaffeetuete

Das tun immer mehr Röster und auch immer mehr Kunden. Am Ende des Tages bleibt aber auch die Erkenntnis, dass ein guter Kaffee nichts weiter ist als das Ergebnis aus Zutaten, Rösthandwerk, Zubereitungsmethode und Sorgfalt. Ganz gleich, von welcher Pflanze er stammt.

  • Artikel Bild: Valentina Razumova, Verwendung unter Lizenz von Shutterstock 170040299.
  • Alle anderen Fotos: Arne Preuss.
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