Schon einmal eines vorweg: Wer in Sachen Geschmack eher konservativ unterwegs ist und Süßes nur zum Nachtisch oder Würziges nur in der Hautspeise erlaubt, wird ganz sicher kein Fan der „Goldenen Milch“. Gesundheitsversprechen hin oder her.
Schon einmal eines vorweg: Wer in Sachen Geschmack eher konservativ unterwegs ist und Süßes nur zum Nachtisch oder Würziges nur in der Hautspeise erlaubt, wird ganz sicher kein Fan der „Goldenen Milch“. Gesundheitsversprechen hin oder her.
Denn Kurkuma oder Tumeric Latte (Was weit weniger fragwürdig klingt als „Goldene Milch“) schmeckt wie eine Mischung aus Suppe und Chai – und die Zunge weiß im ersten Augenblick nicht so richtig, was sie damit anfangen soll.
Nichtsdestotrotz findet man Goldene Milch neben Matcha oder eben Chai inzwischen auf der Karte jeder hippen Kaffeebar – und das gelbe Heißgetränk wird als neuester Schrei in Sachen gesunder Ernährung und Kaffeealternative verkauft.
Ist es natürlich nicht, denn Kurkuma oder Gelbwurz ist schon seit Jahrtausenden fester Bestandteil der ayurvedischen Küche und wird in der darauf basierenden Heilkunde gegen alle möglichen Leiden eingesetzt. Werfen wir also einen genaueren Blick auf das neueste It-Piece der To Go-Generation.
Inhaltsverzeichnis
Goldene Milch – Was ist drin und warum gilt Kurkuma als gesund?
Jeder, der in seiner Küche auch nur die Currymischung von Aldi im Gewürzregal zu stehen hat, ist schon einmal mit Kurkuma in Berührung gekommen. Denn wo in einer hochwertigen Currymischung der teure Safran für die knallige Farbe verantwortlich ist, übernimmt diesen Job in den handelsüblichen Günstigmischungen die gemahlene Kurkuma-Wurzel.
Im Rohzustand sieht sie genauso aus wie eine Ingwerwurzel, nur an der leuchtend orangen Farbe des Wurzelstocks erkennt auch das ungeschulte Auge den Unterschied. Auch der Geschmack tendiert in Richtung Ingwer, obwohl Kurkuma noch ein wenig erdiger und weniger frisch schmeckt.
Das alles ist aber keine Erklärung für den Tumeric-Hype (because Englisch klingt cooler als Deutsch). Viel wichtiger sind die gesundheitsfördernden und sogar krankheitshemmenden Eigenschaften, die Kurkuma zugeschrieben werden.
Und das nicht erst seit gestern, sondern in Indien bereits seit etwa 4.000 Jahren. Die ayurvedische Lehre kennt Kurkuma als wichtiges Gewürz für die Verdauung, als Bestandteil der „heißen Energie“ (Virya) und als besonders ausgleichend für die Kapha- und Pitta-Doshas. Mehr zu den Ayurveda-Typen oder Doshas gibt es in diesem Blogbeitrag.
Hinter diesen lebensphilosophischen Zuschreibungen stehen besondere Eigenschaften der Gelbwurzel – bzw. die Wirkung des Farbstoffs Curcumin. Dieser ist zuallererst entzündungshemmend, was selbst in medizinischen Studien immer wieder belegt wird.
Zweitens regt Curcumin die Produktion von Magen- und Gallensaft an, was wiederum die Verdauung in den Turbo schickt. Auch dies kann durch Studien gut belegt werden.
Etwas problematischer finde ich die überall verbreiteten Versprechen, dass Kurkuma Krebs heilen oder wenigstens vorbeugen können soll, Schmerzen aller Art lindert und als „Curecumin“ so ziemlich alle Leiden der Menschheit bannen können soll.
Wie schon in diesem Abstract zu einer wissenschaftlichen Untersuchung festgehalten, sind aber alle Studien, die solche Heilserwartungen verbreiten, im Grunde hinfällig, denn Curcumin hat bestimmte chemische Effekte, die Untersuchungsergebnisse zu einem falschen Positiv führen.
Und da es kaum Studien mit Placebo-Kontrollgruppe gibt, sollte man alles, was über wohltuende und nachgewiesene Hemmeffekte geht, unbedingt mit Vorsicht genießen.
Dass Kurkuma Latte bzw. Goldene Milch aber durchaus guttut, weiß jeder, der zum Beispiel ein Kratzen im Hals schon einmal mit einem Stückchen frischen Ingwers bekämpft hat. Da sich beide Wurzeln extrem nah sind, spricht also absolut nichts gegen Kurkuma.
Dabei ist es aber eine hervorragende Idee, Kurkuma in heißem Wasser oder Milch aufzulösen, denn das erhöht die Bioverfügbarkeit der gewünschten Inhaltsstoffe enorm.
Würde man sich nur das Pulver von der Hand lecken, brächte das also nichts. Auch ein Biss in eine frische Kurkuma-Wurzel hätte bei Weitem nicht die Effekte wie wir sie von Ingwer kennen.
Die Zutaten für Goldene Milch – und wo ihr sie herbekommt
Kommen wir zurück zum Geschmackswirrwarr aus Suppe und Chai. Denn die Zutatenliste für Goldene Milch könnte im Grunde auch aus einer Anleitung für eine exotische Brühe stammen:
1 EL Kurkuma-Pulver (oder frischer Saft – Achtung Sauerei!)
120 ml Wasser
Ein wenig frisch geriebener Ingwer (oder frischer Saft)
Etwas Muskat und Zimt
1 TL Kokosöl
350 ml Pflanzendrink
Wie bei allen Superfoods und Pulverprodukten solltet ihr beim Kurkuma-Kauf unbedingt auf Bio-Qualität achten. Erfreulicherweise sind hier die Angebote meist wesentlich günstiger als für Matcha oder Premium-Chai.
Sofern ihr nicht gerade literweise Goldene Milch pro Woche trinkt, sind kleinere Packungen eine bessere Idee als Vorratsmengen, denn Curcumin und damit Kurkuma ist weder ein Fan von zuviel Sauerstoff, noch von Licht.
Ingwer findet ihr als frische Knolle in praktisch jedem Supermarkt, auch Muskat und Zimt solltet ihr lieber aus der Frischeabteilung holen, wenn ihr auch hier von den zugeschriebenen positiven Eigenschaften profitieren wollt.
Kokosöl habt ihr sicher sowieso im Haus, falls euch mein Artikel zum Bulletproof Coffee schon angefixt hat. Falls nicht, gibt es das relativ günstig in Bio-Qualität in der Drogerie mit den zwei Buchstaben.
Bei der Wahl des Pflanzendrinks seid ihr ziemlich frei, auch wenn ich persönlich finde, dass recht milde, sehr nussige Varianten, wie etwa Mandelmilch doch ein bisschen eklig mit dem Curry-Charakter von Kurkuma Latte zusammenstoßen.
Neutralere, wässrigere Alternativen wie Reis funktionieren besser. Kokos liegt auch irgendwie nahe, doch auch hier fragt sich meine Zunge, ob in der Mischung nicht noch Tofu fehlt.
Es spräche nichts dagegen, normale Kuh-Milch zu verwenden, doch auf diese Idee kommt man beim Image der Goldenen Milch eher nicht. Außerdem widersprechen sich die Hoffnung auf eine bessere Verdauung und Verdauungsbremser Milcheiweiß sicherlich irgendwie.
Das Grundrezept für Goldene Milch – So geht’s
Bevor ihr nach Herzenslust Entzündungen hemmen und eure Verdauung fördern könnt, müsst ihr erst einmal den Grundstock der Goldenen Milch, nämlich die Kurkuma-Paste, zubereiten.
Diese Paste lässt sich gut auf Vorrat machen und darf natürlich auch dann zum Einsatz kommen, wenn ihr normales Curry kocht oder andere Spezialitäten zaubert. Dazu später noch kurz mehr.
Wollt ihr die Paste aufbewahren, solltet ihr dies am besten in einem Glas tun, denn Gelbwurz färbt alles ein, was irgendwie saugend oder rau ist. Abgesehen vom kleinen zeitlichen Aufwand gelingt das Grundrezept jedoch ganz einfach:
Das Kurkumapulver (oder Saft) ins Wasser in einem Topf rühren
Geriebenen Ingwer und Muskat hinzu geben
Das Ganze unter Rühren langsam (!) aufkochen
So lange kochen, bis die Mischung viskos und noch nicht allzu fest ist
Im zweiten Schritt wird aus der Paste die Goldene Milch. In einem weiteren Topf erwärmt ihr den Pflanzendrink zusammen mit einem Esslöffel Kokosöl, eurer individuellen Pasten-Menge und frischem Pfeffer.
Auch wenn ich sonst ein großer Fan davon bin, sich unnötige Umwege zu sparen und eine solche Mischung mit der Dampflanze meiner Espressomaschine zubereite, würde ich bei Kurkuma Latte davon eher abraten.
Denn die Zeitersparnis steht in keinem Verhältnis zum Reinigungsaufwand, den ihr später aufgrund des Farbstoffes in Kurkuma haben werdet. Oder sollen alle eure Cappuccinos ab jetzt einen orangefarbenen Einschlag haben? Eben.
Wo wir gerade dabei sind: Niemand hat gesagt, dass so ein Kurkuma Latte nicht auch „dirty“ sein darf. Zu einem so suppigen – pardon – würzigen Aroma passt jedoch keine ausnehmend blumige Third Wave-Röstung. Hier sollten schon ordentlich Kaffeearomen ins Spiel kommen.
Ein aktueller Tipp wäre dazu zum Beispiel ein Robusta-Kaffee aus dem Robu Espresso-Trio von Huber Kaffee. Genauso, wie ihr euch an die unterschiedlichen Levels von Robusta rantastet, solltet ihr auch erst einmal mit einer kleinen Menge Kurkuma-Paste beginnen und euch dann langsam steigern.
Es spricht auch nichts dagegen, euren Chai mit ein wenig Kurkuma zu spiken oder euch aus dem Grundstock nur mit Wasser eine Art von Tee zu zaubern. Das ist dann aber wirklich eine Brühe und Endgegner für manche Heißgetränkefans.
Was Kurkuma außer Latte sonst noch kann
Ganz Eilige (oder Faule) können den Pastengrundstock wiederum als Fertigpulver kaufen. Doch dann könntet ihr in meinen Augen genauso gut das Currypulver aus dem Supermarkt in die Milch kippen.
Und wenn wir ehrlich sind, ist das Hauptargument für Kurkuma Latte bzw. Goldene Milch die gesundheitsfördernde Wirkung, nicht der Geschmack. Da mögen mir zwar viele widersprechen, aber auch bei Mate oder Matcha zieht sich eine harte Grenze zwischen Fans und Hatern.
Wenn ihr euch die Mühe mit der frischen Paste macht, habt ihr außerdem gleich die richtige Grundlage für viele weitere Köstlichkeiten parat. Mit eingeweichten Kichererbsen, kleingeriebener Süßkartoffel und einem ganzen Arsenal an Gewürzen kommt die Paste zum Beispiel als Falafel groß raus.
Oder ihr nehmt euch die Goldene Milch zum Vorbild und haut Haferflocken, Vanille und eine süße Komponente für Tumeric Porridge zusammen. Oder ihr macht daraus mit Kokosmilch wirklich die Sauce für ein Curry. Oder, oder, oder. Tumeric Latte zeigt, dass es im Zusammenhang mit dem Kurkuma-Trend wirklich kaum eine Grenze für eure Kreativität gibt.
Ist Goldene Milch nun ein großer Wurf oder Hipster-Verlade?
Eigentlich ist es vollkommen gleichgültig, ob Kurkuma Latte oder Goldene Milch nun wirklich so toll ist für euren Körper. Wer es mag, soll es ruhig trinken, denn schaden kann das Getränk ganz sicher nicht.
Ich bin nur immer wieder erstaunt, wenn ein Hype so tut, als wäre er alternativlos und würde Probleme lösen, für die es bisher keine Antwort gab. Und alle glauben es ihm.
Und Kurkuma kann eventuell mehr leisten, als bisher wissenschaftlich bewiesen ist, aber wer sich Wunder erwartet, ist auf dem falschen Dampfer. Und gerade die Marketingsprache, die sich um Kurkuma etabliert hat, halte ich in manchen Fällen für schlichtweg gefährlich.
Außerdem solltet ihr nicht erwarten, dass euch ein Schluck Goldene Milch sofort schöner, erfolgreicher, Instagram-würdiger und nachhaltiger macht. Bei Tumeric Latte schlägt das Bullshit-Barometer ziemlich schnell nach oben aus, vor allem, wenn irgendein überteuerter Laden für ein Tässchen Goldene Milch um die fünf Euro verlangt. Und alle es bezahlen.
Ich persönlich werde zwar kein Fan davon und kippe meine Kurkumamischung lieber in die Kokossuppe, finde aber Abwechslung immer prima. Und ich freue mich schon drauf, welche Superfood-Sau als nächstes durchs Dorf getrieben wird. Garlic Latte? Fennel Milk? Cilantro Chai?