Diabetes & Kaffee trinken: Blutzucker-Risiko oder Insulin-Booster?

Moin! Ich bin Arne. Nach einigen Jahren als Barista habe ich mich einer Mission verschrieben: mehr guten Kaffee unter die Leute zu bringen. Dafür stellen mein Team und ich eine breite Wissensbasis zum Thema Kaffee für euch bereit.

Wie wir testen | Unser Team

Ich bin es gewohnt, zur Frage, ob Kaffee gesund ist, keine eindeutige Antwort zu bekommen. In all meinen medizinischen Untersuchungen zu sämtlichen Themen von ADHS über Kaffee in der Schwangerschaft bis zur Koffeinvergiftung musste ich mich bereits vorsichtig ausdrücken. 

Ich bin es gewohnt, zur Frage, ob Kaffee gesund ist, keine eindeutige Antwort zu bekommen. In all meinen medizinischen Untersuchungen zu sämtlichen Themen von ADHS über Kaffee in der Schwangerschaft bis zur Koffeinvergiftung musste ich mich bereits vorsichtig ausdrücken. 

Das wird beim Zusammenhang von Kaffee und Diabetes bzw. der Frage, ob der Kaffeekonsum für Diabetiker Segen oder Risiko ist, kein Deut besser. Im Gegenteil: 

Keine der aktuellen Studien kann trittsicher sagen, wie Diabetiker mit ihrem Kaffeekonsum umgehen sollten. Zwar scheinen Filterkaffee oder Espresso langfristig positive Effekte auf den Blutzuckerspiegel haben zu können. Kurzfristig kann aber das Gegenteil passieren – und wir sind uns nicht einmal sicher, welche Inhaltsstoffe für die Effekte verantwortlich sind.

Wie bei keinem anderen Thema bisher wird in der Diabetes-Analyse deutlich, dass wir Kaffee bisher überhaupt nicht verstanden haben. 

Außerdem wird deutlich, dass die Krankheit Diabetes dermaßen vielschichtig ist, dass wir eine bestimmte Wirkung oder ein Risiko nicht einfach auf Koffein oder Chlorogensäure oder andere Kaffee- und Espresso-Bestandteile reduzieren können.

Damit ihr euch ein Bild machen könnt, stelle ich euch den derzeitigen wissenschaftlichen Stand zum Kaffeekonsum für Diabetiker (bzw. Menschen mit Diabetes-Risiko) von allen Seiten vor.

Angesichts der nebulösen Studienlage (und weil ich einen Arztkittel nur aus Modegründen trage), lautet meine Empfehlung noch klarer als sonst:

Wenn ihr euer Diabetes-Risiko abklären oder wissen wollt, ob ihr bei einer bestehenden Diagnose weiterhin Espresso und Filterkaffee trinken dürft, fragt jemanden, der sich seinen Arztkittel mit einem Medizinstudium und mehreren Jahren medizinischer Praxis verdient hat!

Das Wichtigste in Kürze: Dürfen Diabetiker Kaffee trinken?

  • Die aktuelle Studienlage lässt keine abschließende Empfehlung zu

  • Kaffee scheint vorrangig positiv auf das längerfristige Diabetes-Risiko zu wirken

  • Das gilt nur bei regelmäßigem Kaffeekonsum und bestimmten Risikofaktoren

  • Gesunde Erwachsene ohne jegliche Tendenz zum Diabetiker scheinen keine Reaktionen im Blutzuckerspiegel zu zeigen

  • Bei bestehender Erkrankung ist Kaffee trinken möglich – fragt trotzdem den Arzt

  • Koffeinhaltiger Kaffee wirkt auf den Blutdruck, der bei vielen Menschen mit Diabetesrisiko sowieso zu hoch ist

  • Entkoffeinierter Kaffee scheint ähnliche Wirkungen auf den Blutzuckerspiegel bzw. die Insulinsensitivität zu haben wie koffeinhaltige Kaffeebohnen

  • Koffein ist scheinbar nichtder hauptverantwortliche Inhaltsstoff

Was ist Diabetes mellitus?

Diabetes mellitus (aus dem Griechischen und Lateinischen; „honigsüßes Durchfließen“) bezeichnet eine Gruppe von Stoffwechselerkrankungen, bei denen die Verwertung von Glukose (Einfach- oder Traubenzucker) gestört ist. Anstatt aus dem Blut direkt in die Zellen zu gehen und dort als Hauptenergiequelle für den Stoffwechsel genutzt zu werden, verweilt der Zucker im Blut (Hyperglykämie).1

Ein hoher Blutzuckerspiegel ist an sich nicht das Problem. Er ist aber ein klarer Marker dafür, dass etwas im Körper ganz und gar nicht stimmt. Im Mittelpunkt stehen dabei eure Bauchspeicheldrüse, das Hormon Insulin und eure Zellen:

Auf jede Nahrungsaufnahme reagiert ein Mensch mit einem gewissen Blutzuckeranstieg. Dies triggert bei gesunden Personen die Ausschüttung von Insulin aus den Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse (Pankreas).

Dieses Hormon ist so etwas wie ein Schlüssel, der sämtlichen Körperzellen signalisiert, dass sie den Zucker aus dem Blut aufnehmen und in Energie umwandeln sollen (Insulinsensitivität).2 Diese Energie benötigt der Körper für sämtliche Funktionen.

Bei einem Diabetiker bzw. Menschen mit Diabetes-Risiko funktioniert dieser Kreislauf nicht (mehr). Einerseits kann die Insulinproduktion, andererseits die Insulinsensitivität der Zellen gestört sein. Je nach Grund reden wir von Diabetes Typ 1 oder Diabetes Typ.

Der Vollständigkeit halber müssten wir auch eine sogenannte Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes) betrachten, die aber in diesem Zusammenhang zu weit führt.3

Genauso wenig schauen wir auf Diabetes, bei der das Pankreas als Ganzes betroffen ist (zum Beispiel durch Medikamente oder Krebs) und deshalb nicht mehr korrekt arbeitet.

Diabetes Typ 1

Diabetes Typ 1 ist eine Autoimmunerkrankung, bei der der Körper die Beta-Zellen angreift und (teilweise) zerstört. So kann kein oder nicht ausreichend Insulin produziert werden. 

Warum ein Mensch an Typ 1 erkrankt, ist bisher nicht geklärt. Derzeit geht man aber von einer Mischung aus Genen und Umweltfaktoren aus.4

Diabetes Typ 1 entwickelt sich bereits in jungen Jahren und muss lebenslang durch Insulingabe und einen gesunden Lebenswandel gemanagt werden. 

Rund zehn Prozent aller bekannten Diabetes-Patienten leiden an dieser Form, die Inzidenz steigt seit einiger Zeit an.5

Diabetes Typ 2

Im Gegensatz zum ersten Typ ist Diabetes Typ 2 eine erworbene Erkrankung. Darum wurde Diabetes Typ 2 früher auch als „Altersdiabetes“ bezeichnet. 

Der Begriff verschleiert allerdings, dass sämtliche (junge) Erwachsene und sogar Kinder zum Typ-2-Diabetiker werden können – und es zunehmend auch tun.

Allein die Tatsache, dass etwa das Robert Koch Institut (RKI) ein eigenes Projekt zur „Diabetes Surveillance“ unterhält, ist schon ein guter Hinweis darauf, dass wir es hier mit einer „Volkskrankheit“ zu tun haben – die sich zu einem Großteil vermeiden ließe.

Denn auch wenn die Forschung auch bei Typ 2 einen möglichen Einfluss der Genetik identifiziert hat, ist ein sogenannter „adverser Lebenswandel“ als Ursache bestens untersucht und belegt.6

Durch falsche Ernährung, zu wenig Bewegung und viele andere Gründe sorgen (drohende) Typ-2-Diabetiker dafür, dass ihre Beta-Zellen tatsächlich „erschöpft“ sein können, während die Körperzellen eine Insulinresistenz entwickeln. Der Schlüssel Insulin passt also nicht mehr, die Energieaufnahme ist gestört.7

Diabetes: Ursachen & Folgen

In dieser Betrachtung zum Kaffeekonsum lassen wir zwangsläufig die Genetik und Diabetes Typ 1 außen vor und setzen bei Typ 2 und der adversen Lebensweise an.

Die Insulinproduktion des Körpers hängt generell davon ab, was und wie wir essen und wie wir die Nahrung verstoffwechseln. Zusätzlich wirkt Insulin laut Forschung direkt auf Gehirnfunktionen wie das Sättigungsgefühl und die Tendenz zur Einlagerung von Fett.8

Es wundert nicht, dass das Risiko für Diabetes Typ 2 direkt mit einer ungesunden Ernährung, Übergewicht, mangelnder Bewegung und Begleitfaktoren wie Rauchen zusammenhängt.9

Dabei geht es nicht zwangsläufig um Kalorien, sondern um die falschen Kalorien: 

Kurzkettige, schnell verfügbare Kohlenhydrate (also Zucker in jeder Form) gehen sofort ins Blut, triggern die Insulinproduktion und damit die Insulinreaktion der Zellen. Minderwertige Fette, hoch verarbeitete Lebensmittel und ähnliche Produkte tragen ihren Teil bei.10

Eiskaffee mit Zucker und Sahne

Jeder Körper braucht nur eine bestimmte Menge Energie, die in einem gesund balancierten System langsam und über bestimmte Vehikel zur Verfügung gestellt und verarbeitet wird. 

Ist die Nahrung jedoch bis obenhin mit Zucker gefüllt, der direkt ins Blut gelangt, wird permanent der Insulinschlüssel gezückt.

Darum ist Diabetes Typ 2 eine „Insulinerschöpfung“, die sich unbemerkt anschleicht und zu einer Kettenreaktion führt. Eben weil es hier um die grundlegenden Vorgänge im Körper geht (also den Stoffwechsel), sind die Diabetes-Folgen auch so weitreichend und gefährlich:11

  • Nervenerkrankungen (Neuropathie)

  • Durchblutungsstörungen

  • Diabetisches Fußsyndrom

  • Netzhautschädigung (Retinopathie)

  • Nierenerkrankungen (Nephopathie)

  • Herzerkrankungen

  • Schlaganfälle

  • Depressionen

  • Kognitive Beeinträchtigungen bis zur Entstehung von Demenz

  • Sinkende Lebensqualität (etwa aufgrund der Eigenverantwortung bei der Therapie)

Ich finde es wichtig zu betonen, dass niemand mit Übergewicht oder zu wenig Bewegung zwangsläufig Diabetes entwickeln muss. 

Wie wir aber schon in anderen Untersuchungen wie etwa zu Koffein und Blutdruck festgehalten haben, können wir keinen Vorgang im Körper isoliert betrachten. 

Etwa der Blutdruck, der ebenfalls durch den Lebenswandel beeinflusst wird, kann das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen fördern. Das wiederum steht in direktem Zusammenhang mit einem weniger aktiven Lebensstil usw. 

Diabetes-Diagnose & Therapie

Ein permanent erhöhter Blutzuckerspiegel tut nicht weh und hat auch keine eindeutigen Symptome. Die Reaktionen auf die Insulinresistenz spürt ihr allerdings schon – auch wenn diese wiederum genauso gut auf andere Dinge zurückgeführt werden könnten.

Genau deshalb bleiben die meisten Diabetes-Erkrankungen laut sämtlicher Forscher unerkannt. Von den insgesamt rund 7,2 Prozent der offiziell an Diabetes erkrankten Menschen in Deutschland haben mindestens 90 Prozent Typ 2. Die Altersverteilung reicht dabei von 18 bis 79 Jahren.12 Aber die Dunkelziffer über alle Altersklassen hinweg liegt deutlich höher.

Wer ungesund lebt, viel Zucker zu sich nimmt und zum Beispiel mit dauerhafter Abgeschlagenheit, großem Durst und sehr trockener Haut zu tun hat, sollte sich beim Arzt auf Diabetes abchecken lassen.13

Ein Test der sogenannten Nüchtern-Glukose kann Aufschluss geben. An mehreren Tagen wird dabei der Blutzuckerwert auf leeren Magen gemessen. Ihr solltet mindestens acht Stunden vor Blutabnahme nichts essen.

Bei einem gesunden Menschen liegt der Blutzuckerspiegel dann in einem niedrigen Bereich. Bei (einer Vorstufe von) Diabetes lässt sich ein erhöhter Wert feststellen. Da diese Ergebnisse unspezifisch sein können, wiederholen Mediziner den Test häufig nochmals oder bestätigen das Ergebnis über weitere Messungen.14

Die Diagnose muss dabei nicht zwangsläufig ein „ausgewachsener“ Diabetes sein. Hohe Blutzuckerwerte können auch schon im Vorstadium auftreten und eine eindeutige Warnung sein.

Die gute Nachricht: Ob Risiko oder bereits erkrankt – Diabetes ist abwendbar, handhabbar und bei richtigem Management von Blutzuckerspiegel und Lebensweise wenig folgenreich. 

Medikamente sind laut Forschung dabei nur die zweite Wahl. Mit gesunder Ernährung und einer Gewichtsabnahme lässt sich der Blutzuckerspiegel bei Typ 2 laut Untersuchungen besser und langfristiger und Kontrolle kriegen, die Folgen lassen sich deutlicher abwenden.15

Der Kaffee-Diabetes-Zusammenhang: Senkt Koffein den Blutzucker?

Koffeinkick und Diabetes

Da wir wissen, wie stark Kaffee bzw. Koffein auf den Stoffwechsel wirkt, liegt die Schlussfolgerung nahe, dass ein bestimmter Kaffeekonsum auch Einfluss auf das Diabetes-Risiko oder die Krankheit selbst haben kann. Unser Gefühl sagt uns dabei, dass dieser Einfluss positiv sein muss – „Stoffwechsel ankurbeln“ usw.

Aber so einfach ist es nicht. Kaffee oder Koffein „fressen“ keinen Blutzucker. Eher im Gegenteil. Kurzfristig scheinen Espresso oder Filterkaffee die Glukoselevel vielmehr anzuheben.16

Bevor ihr fragt: Keiner weiß, warum.

Denn wir haben unterm Strich keine Ahnung, wie Kaffee an sich wirkt, welche Inhaltsstoffe für die Wirkung auf bestimmte Körperfunktionen verantwortlich sind und wie sich diese Wirkungen speziell beim Diabetes-Risiko äußern.

Unspezifische Studien, unspezifische Ergebnisse?

Auch wenn viele Studien zum Kaffeekonsum und dem Diabetes-Risiko Wissenslücken zugeben, tappen sie trotzdem oft in zwei Fallen, die nur von wenigen Forschern deutlich gemacht werden:17

  1. Kaffee und Koffein werden synonym verwendet. Dabei besteht Kaffee nicht nur aus Koffein, sondern auch aus anderen wirksamen Elementen wie Chlorogensäure, Antioxidantien, Cafestol (Kaffeeöl) usw. Ob explizit Koffein, Chlorogensäure oder ein anderer Stoff in den Studien untersucht wurde, wird häufig nicht näher ausgeführt.

  2. Wie auch in Untersuchungen zu Koffein beim Stillen, Sport oder Schlaf sprechen viele Untersuchungen von einem (empfohlenen oder wirksamen) Kaffeekonsum in „Tassen“ angegeben. Wie wir schon in „Wie viele Tassen Kaffee am Tag sind gesund“ festgehalten haben, hat diese Mengenangabe absolut keinen Aussagewert.

Wir als Laien und Lesende müssen zudem höllisch aufpassen, die Grenzen zwischen Diabetes Typ 1 und Typ 2 nicht zu verwischen. Schließlich wird oft gleichzeitig untersucht, ob der Kaffeekonsum einen Einfluss auf die Beta-Zellen oder die Körperzellen hat. 

Während Kaffee bzw. Koffein bei Diabetes Typ 1 generell eher negative Auswirkungen zu haben scheint18, werden bei Typ 2 je nach Studie positive und negative Einflüsse auf die Beta-Zellen19 und die Körperzellen identifiziert.

Entkoffeiniert oder Koffein: Welcher Kaffee-Bestandteil hat denn nun eine Wirkung?

Wie schon angerissen, besteht Kaffee nicht nur aus Koffein, sondern aus einem komplexen Gebilde von Kohlenhydraten, Proteinen, Fetten, Tanninen, Polyphenolen wie Chlorogensäure, weiteren Antioxidantien usw. 

Die Verbindungen sind so komplex, dass dazu ganze wissenschaftliche Arbeiten existieren.20

Wie wir auch wissen, können sich zwei Kaffeebohnen selbst in derselben Packung in Sachen Koffein- und Stoffgehalt grundlegend unterscheiden. Naturprodukt halt.

Darum ist es auch kein Wunder, dass sich wissenschaftliche Ergebnisse zum Kaffeekonsum bei Diabetes zwar nicht unbedingt widersprechen, aber nicht genau sagen können, welcher Bestandteil von Kaffee was tut.

Nehmen wir nur den Blutzuckerspiegel: Während er, wie schon gesagt, kurzfristig durch Kaffee bzw. Koffein angehoben werden könnte (siehe Reis 2019), wird langfristig offenbar das Gegenteil erreicht. Koffein bzw. Kaffee hat demnach einen positiven Effekt auf eine (bestehende) Insulinresistenz21

Ob Koffein oder Antioxidantien dafür verantwortlich sind, müssen wir infrage stellen, da Studien mit entkoffeiniertem Kaffee teilweise zu ähnlichen Schlüssen kommen.22

Wir haben bereits untersucht, dass Wissenschaftler entkoffeinierten Kaffee generell positiv einschätzen. Aber auch hier bleiben Forscher ob der Wirkung skeptisch und sehen weniger wünschenswerte Aspekte.23

Andersherum erscheint es logisch(er), dass entkoffeinierter Kaffee etwa weniger in den Blutdruck eingreift, der wiederum bei Übergewicht und einem (beginnenden) Diabetes gefährlich hoch sein kann.

So gesehen könnten wir daraus schließen, dass Kaffee ohne Koffein eine sicherere Wahl als Kaffee mit Koffein ist. 

Ich persönlich sehe jedoch insbesondere im Koffein-Koffeinfreier-Kaffee-Duell das Dilemma der Diabetes-Forschung …

Funktioniert Kaffee als Diabetes-Medikament & Präventionsmaßnahme?

Alle Studien beziehen sich auf Menschen mit einem gewissen Diabetes-Risiko – sei es durch Übergewicht oder erste Anzeichen für erhöhte Blutzuckerwerte. Deshalb unterstreichen einige Studien, dass die Effekte bei völlig gesunden Menschen nicht zu beobachten sind.24

Diese Einschränkung finde ich wichtig, da sie im Vergleich zu manchen Medienberichten klarmacht, dass Kaffee kein Wundermittel ist – mal wieder. Es gibt höchstens zwei halbwegs klare Aussagen:

  1. Kaffee kann bei Diabetes die Schwere bzw. Folgen der Krankheit mindern und das Erkrankungsrisiko senken.25
  2. Der Effekt ist dosisabhängig und bezieht sich vor allem auf den regelmäßigen und gewohnheitsmäßigen Kaffeekonsum.26

Für euch heißt das nur, dass ihr bei einem (möglichen) Diabetes zumindest nicht mit Kaffee trinken aufhören müsst. Anfangen solltet ihr aber auch nicht. Denn von einem „Diabetes-Medikament“ können wir bei Kaffee bzw. Koffein sicher nicht reden.

Dass in Medien trotzdem oft der Eindruck entsteht, als könnte Kaffee gegen Diabetes helfen wie Aspirin gegen Kopfschmerzen, hängt in meinen Augen mit einem Gedankensprung zusammen:

Wir haben genug Belege, dass Kaffee (oder Koffein) den Stoffwechsel anregt und in gewisse Mechanismen beim Abnehmen eingreift. 

Abnehmen und ein besserer Stoffwechsel gelten als die Präventions- und Therapiemaßnahmen bei Diabetes. Also gehen wir davon aus, dass Kaffee bzw. Koffein in der Diabetes-Bekämpfung eine große Rolle spielt.

Aber genauso wenig, wie Kaffee gegen schlechte Ernährungsgewohnheiten ankommt, kann er gegen Diabetes vorgehen. Allerdings ist auch diese Aussage nicht endgültig – „mehr Forschung nötig“ steht in fast jedem Studienfazit.

Kaffee auf nüchternen Magen bei Diabetes?

In der medialen Interpretation der Studienlage gilt es als „heißer Tipp“, dass ihr Kaffee (nicht nur) bei Diabetes nicht auf nüchternen Magen trinken solltet.

Wie schon erwähnt, scheint er kurzfristig den Blutzuckerspiegel zu spiken und damit die empfindliche Blutzucker-Balance bei Diabetes-Patienten zu gefährden.27 Die Forscher wissen nicht, ob Koffein dafür verantwortlich ist oder nicht. Die Medien scheinen sich hingegen sicher.

Dabei gilt aber auch, dass entkoffeinierter Kaffee vor einer (stark glukosehaltigen) Mahlzeit dafür sorgen kann, dass der Blutzucker danach stabiler bleibt.28

Das ist erstmal kein Widerspruch, da sich hier erneut zeigt, wie wichtig die Unterscheidung zwischen Koffein-Kaffee und Nicht-Koffein-Kaffee ist und worum es bei der Untersuchung geht.

Und selbstverständlich gibt es genauso Berichte, die überhaupt keine Wirkung zu keinem bestimmten Zeitpunkt feststellen – ob Koffein oder Koffeinfrei.29, 30

Was machen wir damit? Wenn überhaupt, zeigt diese spezielle Frage besonders deutlich, wie sehr ihr euren persönlichen Blutzuckerspiegel bei Diabetes im Auge haben und eure Gewohnheiten an euren eigenen Wert anpassen müsst.

Mit Milch, mit Zucker, schwarzer Kaffee: Wie sieht die perfekte Anti-Diabetes-Tasse aus?

Latte Machiatto mit Latte Art

Aktuell gibt es nur eine Studie, die sich mit dem Zusatz von Milch und Zucker in entkoffeiniertem Kaffee bei Diabetes beschäftigt (siehe Wong et al. 2021) sowie eine Studie, die die Einnahme von zuckerhaltigen Kaffeegetränken untersucht.31

Beide kommen zu gegensätzlichen Schlüssen: Mal ist Kaffee mit Milch und Zucker gut für das Management des Blutzuckerspiegels (vor einer Mahlzeit), mal generell schlecht.

Ich finde, hier ist der gesunde Menschenverstand gefragt: Industriezucker ist Einfachzucker, der sofort ins Blut geht und damit den Blutzuckerspiegel hochtreibt. Das wollen wir bei Diabetes verhindern – es sei denn, es droht eine sogenannte Hypoglykämie (Unterzuckerung). Warum es also unnötig schwerer für den Körper machen?

Geht es um Milch, Kaffee bzw. Koffein und den Zusammenhang mit Diabetes, hat sich nach meinem Kenntnisstand bisher niemand explizit damit auseinandergesetzt. Eine Meinung habe ich dazu sowieso nicht.

Kaffee bei Diabetes: Wir sollten koffeinfreier denken

Ich verstehe vollkommen, dass Menschen Kaffee hinterfragen – ob bei Krankheiten oder einfach so. Schließlich kann niemand behaupten, dass er keine Wirkung hat.

Ich werde jedoch nie verstehen, warum wir Kaffee oder Koffein als Medizin betrachten wollen. Das wird bei Kaffee und Diabetes noch deutlicher als bei Kaffee und Stillen, Schwangerschaft oder Sport.

Sagen wir es, wie es ist: Bei Diabetes ist unser Körper kaputt. Und zwar so richtig. Eine Tasse Kaffee wird das ganz sicher nicht richten. Selbst, wenn sie etwas kann.

Wie immer interessieren mich Erfahrungen von Betroffenen: Wie geht ihr mit Koffein und Kaffee bei Diabetes um? Welche medizinischen Themen soll ich als Nächstes betrachten? Hinterlasst mir gern einen Kommentar!

FAQ

Laut aktuellem Forschungsstand ist Kaffee bei Diabetes in Ordnung, solange ihr euren Blutzuckerspiegel im Blick habt, euer Arzt das Okay gibt und ihr sowieso regelmäßig Kaffee trinkt.

Die Studienlage zur Wirkung von Kaffee auf die Bauchspeicheldrüse ist extrem widersprüchlich. Hierzu sollten keine abschließenden Aussagen getroffen werden.

Die Mengenangabe „Tassen“ hat keinen Aussagewert. Die individuell vertretbare Dosis an Kaffee bzw. Koffein (in mg/kg Körpergewicht) muss mit dem Arzt abgesprochen werden.

Auch wenn Kaffee in Studien langfristig positive Effekte auf das Diabetes-Risiko gezeigt hat, ist der Einfluss nicht einmal ansatzweise so wichtig wie ein gesundes Körpergewicht, Sport und eine gute Ernährung.

Laut Wissenschaft sind Zuckerzusätze zu Kaffee bei Diabetes eher kontraproduktiv. Auch Süßstoffe können den Blutzuckerspiegel erhöhen.

Quellen:

  1. Harreiter & Roden (2023) Wien Klin Wochenschr.: Diabetes mellitus – Definition, Klassifikation, Diagnose, Screening und Prävention (Update 2023) ↩︎
  2. Universitäts Spital Zürich (2024): Diabetes ↩︎
  3. Mehr dazu etwa: Reitzle et al. (2021) Journal of Health Monitoring: Gestationsdiabetes in Deutschland: Zeitliche Entwicklung von Screeningquote und Prävalenz ↩︎
  4. Kordonouri & Kerner (2021) Springer Nature: Diabetes mellitus Typ 1 – Update ↩︎
  5. Reitzle et al. (2023) Journal of Health Monitoring: Inzidenz von Typ-1- und Typ-2-Diabetes vor und während der COVID-19-Pandemie in Deutschland: Analyse von Routinedaten der Jahre 2015 bis 2021 ↩︎
  6. Schulze (2022) Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2022: Risikoscreening, Risikokommunikation und Präventionsverhaltensmaßnahmen (16ff.) ↩︎
  7. Bundesministerium für Gesundheit (2023): Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 ↩︎
  8. Kullmann et al. (2020) Nature Communications: Brain insulin sensitivity is linked to adiposity and body fat distribution. ↩︎
  9. Etwa Heidemann et al. (2019) Journal of Health Monitoring:Soziale Ungleichheit und Diabetes mellitus – Zeitliche Entwicklung bei Erwachsenen in Deutschland ↩︎
  10. O’Hearn et al. (2023) Nature MedicineIncident type 2 diabetes attributable to suboptimal diet in 184 countries ↩︎
  11. Vgl. Kulzer (2022) Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz: Körperliche und psychische Folgeerkrankungen bei Diabetes mellitus ↩︎
  12. Bundesministerium für Gesundheit (2023): Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 ↩︎
  13. Landgraf et al. (2022) Diabetologie: Therapie des Typ-2-Diabetes ↩︎
  14. Harreiter & Roden (2023) Wien Klin Wochenschr.:Diabetes mellitus – Definition, Klassifikation, Diagnose, Screening und Prävention (Update 2023) ↩︎
  15. Etwa Skurk et al. (2022) Diabetologie: Empfehlungen zur Ernährung von Personen mit Diabetes mellitus Typ 2 ↩︎
  16. Vgl. Reis (2019) Journal of Traditional and Complementary Medicine:Effects of coffee consumption on glucose metabolism: A systematic review of clinical trials ↩︎
  17. Vgl. etwa Martin (2011) Pharmazeutische Wissenschaft: Kaffee & Diabetes ↩︎
  18. Stutz et al. (2018) Nutr Metab Cardiovasc Dis:Association between habitual coffee consumption and metabolic syndrome in type 1 diabetes ↩︎
  19. Gao et al. (2018) Nutrition & Metabolism volume 15: Coffee consumption is positively related to insulin secretion in the Shanghai High-Risk Diabetic Screen (SHiDS) Study ↩︎
  20. Bsp. Saud & Salamatullah (2021) Molecules: Relationship between the Chemical Composition and the Biological Functions of Coffee ↩︎
  21. Etwa Lee et al. (2020) Nutrients: Caffeine and Caffeine Metabolites in Relation to Insulin Resistance and Beta Cell Function in U.S. Adults ↩︎
  22. Greenberg et al. (2009) Diabetes Care: Decaffeinated Coffee and Glucose Metabolism in Young Men ↩︎
  23. Rune et al. (2023) Current Research in Food Science: Acids in brewed coffees: Chemical composition and sensory threshold ↩︎
  24. Mon et al. (2021) Nutrients:Effects of Coffee Consumption on Insulin Resistance and Sensitivity: A Meta-Analysis ↩︎
  25. Martin (2011) Pharmazeutische Wissenschaft: Kaffee & Diabetes ↩︎
  26. Etwa Adardh et al. (2004) Journal of Internal Medicine: Coffee consumption, type 2 diabetes and impaired glucose tolerance in Swedish men and women ↩︎
  27. Vgl. Reis (2019) ↩︎
  28. Wong et al. (2021) Human Nutrition & Metabolism Volume 24: Consumption of decaffeinated coffee with milk and sugar added before a high-glycemic-index meal lowers postprandial glucose surge when compared with consuming it after the meal ↩︎
  29. Faraji (2018)International Journal of Preventive Medicine: Effect of Decaffeinated Coffee‑enriched Chlorogenic Acid on Blood Glucose Levels in Healthy Controls: A Systematic Review ↩︎
  30. Alperet et al. (2020) The American Journal of Clinical Nutrition:The effect of coffee consumption on insulin sensitivity and other biological risk factors for type 2 diabetes: a randomized placebo-controlled trial ↩︎
  31. Yoo & Park (2022) Metabolites: Sugar-Sweetened Coffee Intake and Blood Glucose Management in Korean Patients with Diabetes Mellitus ↩︎
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