Kaffee zum Abnehmen: Wissenschaftliche Tatsachen & ein Rezept für mehr Vernunft

Moin! Ich bin Arne. Nach einigen Jahren als Barista habe ich mich einer Mission verschrieben: mehr guten Kaffee unter die Leute zu bringen. Dafür stellen mein Team und ich eine breite Wissensbasis zum Thema Kaffee für euch bereit.

Wie wir testen | Unser Team

Eines muss man der Abnehm-Industrie lassen: Sie schafft es konstant, uns auf neue Art einzureden, dass wir zu fett, zu träge, zu unsexy sind. 

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Eines muss man der Abnehm-Industrie lassen: Sie schafft es konstant, uns auf neue Art einzureden, dass wir zu fett, zu träge, zu unsexy sind. 

Wir führen einen scheinbar aussichtslosen Kampf gegen Kalorien, den wir nur deswegen verlieren, weil wir weder unseren Konsum noch unseren Körper wirklich verstehen.

Das lässt Raum für abwechslungsreiche Ideen zur Gewichtsreduktion, die allesamt demselben Schema folgen: Setze auf Produkt X, um die „Fehler“ in deinem restlichen Leben auszugleichen.

Abnehmen mit Kaffee hat derzeit Hochkonjunktur. Von der piefigen Bild der Frau bis zum hipsten TikToker wollen uns alle weismachen, dass eine bestimmte Menge Espresso oder Filterkaffee am Tag praktisch jede Kalorienbombe ausgleichen kann.

Wenn das so wäre, müssten alle Kaffee-Kuchen-Jünger längst auf Modelmaße geschrumpft sein.

Doch woher kommt der Glaube? Ist vielleicht etwas Wahres dran? Schließlich hat die Kombination aus Koffein und Sport einen nachgewiesenen Effekt auf Trainingserfolge – warum sollte das nicht auch beim Abnehmen funktionieren?

Ich bin kein Mediziner und gebe hier auch keine abschließenden Gesundheitstipps. Ich bin kritischer Blogger und zeige euch den Stand der Wissenschaft. Was ihr mit den Infos macht, ist euch überlassen.

Ihr könnt auch Kaffee trinken, wenn ihr zunehmen wollt. Kaffee kann die sogenannte Lipolyse („Fettverbrennung“) und die Wärmeproduktion im Körper ankurbeln. Koffein gilt als Appetitzügler, hilft bei der Verdauung und optimiert die Energieversorgung. All das ändert aber nichts an mangelnder Bewegung, zu viel Zucker, Fett oder einseitiger Ernährung.

TikTok propagiert Kaffee mit Zitrone bzw. Koffein mit Vitamin C und Ballaststoffen als neuen Geheimtipp gegen Hunger und Müdigkeit. Dumm nur, dass Vitamin C bereits ab 40 Grad denaturiert und nur Zitronensaft im Kaffee landet. Der Effekt? Nichts als saurer Espresso.

Stoffwechsel, Kalorien-Konsum & Körper: Was macht Kaffee laut Wissenschaft zum „Fettkiller“?

Die Wirksamkeit von Koffein ist bestens erforscht – im Guten wie im Schlechten. Das Purinalkaloid gelangt über den Dünndarm in den Kreislauf, überwindet problemlos die Blut-Hirn-Schranke und wird vor allem in der Leber verstoffwechselt (z.B. Rodak et. al 2021).

Bei diesem Stoffwechsel wird Koffein in unterschiedliche Substanzen zerlegt, die den Körper unbestritten auf Trab bringen.

Projekt Koffeinkick Filterkaffee fertig

Einer der wichtigsten Koffein-Effekte ist die Funktion als sogenannter Adenosin-Rezeptor-Antagonist (z.B. Rodrigo et al. 2010). Adenosin und Koffein sind chemisch sehr ähnlich aufgebaut, bewirken aber das Gegenteil: Adenosin beruhigt, Koffein pusht.

Werden Adenosin-Rezeptoren im Körper von Koffein besetzt, werden wir wacher und aktiver. Genauso wichtig – vor allem im Sport – sind die Einflüsse auf die Muskelarbeit (etwa Warren et al. 2010).

Darüber hinaus aktiviert Koffein Enzyme, die für die Glukose-Verwertung, die Verarbeitung von Fett und den Aufbau von Muskelzellen verantwortlich sind (Yokokawa et al. 2021). Obendrauf beeinflusst das Alkaloid möglicherweise unser Gehirn und kann so Heißhunger verhindern. 

Individuelle Erfahrungen vs wissenschaftliche Beweise

Menschen sind unterschiedlich. Welche Wirkung Kaffee in Person XY entfaltet, hängt von vielen individuellen Faktoren ab. 

Der Zusammenhang zwischen Alter, Geschlecht, hormoneller Balance, Lebenswandel usw. und den Auswirkungen von Koffein ist bisher nicht hinreichend geklärt (etwa Nehlig 2018). 

Die hormonellen Einflüsse wurden zum Beispiel von Westerterp-Plantenga et al. 2005 untersucht. Die Untersuchungen zu Genen und Koffein werden bei Tallis et al. 2022 sehr gut zusammengefasst.

Zusätzlich fragen viele Studien, wie hoch die Dosis Koffein sein muss oder darf und ab wann man über Koffein-Überdosis spricht. (etwa Pickering & Kiely 2019). Denn jedem ist klar, dass zu viel Koffein schädlich ist. Von Schlaf- bis Herzrhythmusstörungen ist alles drin. 

Bei all diesen Unsicherheiten ist es umso interessanter, dass Medien und Influencer definitive Antworten liefern, wie wir mit Kaffee abnehmen können. So bewerben Influencer zum Beispiel Glow Coffee als Schönheitsprodukt.

Abnehm-Kaffee: Wie oft am Tag?

Sowohl die Frauen-Bild als etwa auch die Berliner Morgenpost (beide Funke-Mediengruppe) sind sich sicher, dass zwei bis drei Tassen Kaffee am Tag notwendig sind, um abzunehmen. Das würden schließlich alle Studien empfehlen. 

Welche das sein sollen, verraten sie uns allerdings nicht. Die meisten Dosis-Untersuchungen arbeiten mit 3, 6 oder 9 Milligram Koffein pro Kilogramm Körpergewicht. Hat irgendein Leser eine Ahnung, was das übersetzt heißt?

In unserer exemplarischen Koffeinstudie haben wir für unsere Test-Röstung herausgefunden, dass etwa 250 Milliliter Cold Brew 280 Milligramm Koffein enthält. Schwarzer Kaffee aus der Filtermaschine kommt auf 170 Milligramm.

Koffein Test nach Portion

Rechnen wir mit der Mitteldosis sechs Milligramm pro Kilogramm und einer Person von 60 Kilogramm, wären das 360 Milligramm Koffein. Da wären zwei Tassen Filterkaffee jedoch bereits hart an der Grenze, zweimal Cold Brew wäre Overkill.

Schon dieses stark simplifizierte Beispiel zeigt uns, dass irgendwelche Mengenempfehlungen von „Experten“ oder Interviewpartnern keinerlei Wert haben.

Wann Kaffee trinken zum Abnehmen?

Die Bild ist sich sicher: „Vor dem Essen bremst Kaffee den Appetit. Nach dem Essen regt er die Fettverbrennung an und schleust Dickmacher aus dem Körper. Nutzen Sie beides!“ 

Danach kommen Tipps zur perfekten Uhrzeit, der Wartezeit vor einer Mahlzeit usw. Ich habe das Gefühl, dass sich die Schreiber hier an Erkenntnissen aus der Sportmedizin bedient haben, die sich nicht einfach so auf den Alltag übertragen lassen.

Fakt ist, dass Koffein etwa 30 Minuten nach Einnahme seine Wirkung entfaltet und rund eine Stunde nach Einnahme die größte Konzentration im Kreislauf aufweist (z.B. White et al. 2016). Was ab dieser Stunde passiert, ist allerdings vollkommen unklar.

Welcher Kaffee zum Abnehmen?

Zurück zur Morgenpost. Hier sagt eine Ärztin: „Die Sorte Robusta beinhaltet am meisten Chlorogensäure, ein Antioxidans. Gemeinsam mit dem Koffein beschleunigt sie das Abnehmen.” 

Mit dem Stichwort „Antioxidantien“ bekommt man fast ebenso viele Leute dran wie mit dem Stichwort „Kalorien“ oder „Abnehmen“. 

Da hinterfragt natürlich niemand, ob Chlorogensäure so empfehlenswert ist, wie es hier behauptet wird. Überraschung, ist sie nicht – auch wenn es tatsächlich Hinweise auf Einflüsse auf die Fettzellen gibt (etwa Watanabe et al. 2019). Diese sind allerdings bisher sehr dünn.

Kaffeebohne nah

Dass Robusta-Bohnen mehr Chlorogensäure als Arabica-Bohnen enthält, stimmt absolut. Der weitaus wichtigere Unterschied ist jedoch der ebenso höhere Koffein-Gehalt! Drei Robusta-Cappuccino sind nicht dasselbe wie drei Arabica-Cappuccino, wir wären wieder an der scharfen Grenze von „Medikament“ und „Gift“.

Übrigens: Ausgerechnet das ebenfalls zur Funke-Mediengruppe gehörende Outlet gofeminin geht die ganze Sache in seinem Kaffee-Abnehmen-Beitrag von März 2023 wesentlich differenzierter an.

Hier wird festgehalten, dass Koffein zwar einen Einfluss auf den Anteil an Körperfett hat, dieser Einfluss – sowie die gesamte Verwertung – jedoch eindeutig von unseren Genen bestimmt ist.

Kaffee-Rezepte zum Abnehmen im Test: Wer soll das trinken?

Kaffee allein reicht nicht, um all den Zucker und die Fettsäuren in unserer Mahlzeit zu vernichten? Kein Problem! Mixen wir ihn einfach mit anderen Zutaten, die angeblich beim Abnehmen helfen sollen! 

Meine Empfehlung: Spült diese Ideen direkt in der Toilette runter und lasst euch nicht mehr irre machen.

Keto-Kaffee mit Butter: Zweite Karriere für Bulletproof Coffee?

Bulletproof Coffee Komposition

Bulletproof Coffee als Mischung aus Kaffee, Weidemilch-Butter und Kokosöl wird inzwischen meist Keto-Kaffee genannt. Vielleicht, um Fitness-Bros abzuholen und nicht mehr so martialisch zu klingen. Außerdem distanziert der neue Name das angebliche Abnehmgetränk von seinem problematischen „Erfinder“.

Das Gesundheitsversprechen bleibt aber gleich: Das viele Fett in Keto-Kaffee soll erstens satt machen und zweitens die Ketose anschieben – also die Fettverbrennung, auf die Keto-Kids so scharf sind.

Für all diese Annahmen (oder besser: Wünsche) gibt es bisher keine gesicherten wissenschaftlichen Fakten – eher Beweise für das Gegenteil. Eine Meta-Studie von Greenwell et al. 2022 fasst die „wissenschaftliche Basis“ für Keto-Fettkiller-Ideen gut zusammen: „there are a number of inconsistencies with many of these studies.“

Kaffee mit Ingwer: Echte Power-Kombi?

Bei Zingiber officinale sind sich Wissenschaft und Esoterik einig: Ingwer ist eine talentierte Knolle. Der Inhaltsstoff Gingerol hat laut Untersuchungen fast dieselbe Wirkung wie Ibuprofen, weitere Stoffe wie Shogaol oder Paradole können nach jetzigem Stand sogar noch einiges mehr (etwa Mashhadi et al. 2013).

Kaffee mit Ingwer ist keine neue Erfindung. Ich habe das Rezept bereits in einem Kaffee-Kochbuch aus den Siebzigern gesehen.

Ingwer

Heute sollen wir uns allerdings Sahne oder Honig im Rezept sparen und stattdessen reinen Ingwersud mit schwarzem Kaffee mixen. Ganz ohne Zucker, Sirup oder Sahne, versteht sich.

Dann profitieren wir angeblich von den appetitzügelnden und stoffwechselbezogenen Eigenschaften von Ingwer, die die Fähigkeiten von Koffein ergänzen sollen. Diese Fähigkeiten wurden jüngst in einer Übersichtsstudie (Crichton et al. 2022) bestätigt.

Weil ich schmerzfrei bin, habe ich den Test gemacht: So eine Tasse Filterkaffee mit frischem, reinem Ingwer-Extrakt aus eigenem Aufguss muss man wirklich mögen. 

Der Geschmack wird von der Schärfe dominiert, das Ganze hat mehr von Medizin als von Genuss. Aber darum geht es uns in diesem Fall ja, oder?

Kaffee mit Proteinpulver: Mehr Muckis dank Kaffee-Smoothie?

Kaffee mit Proteinpulver

Über Proffee als Kaffee mit Proteinpulver habe ich mich erst jüngst umfassend ausgelassen. Hier lautet das Versprechen, dass ihr mit einer Tasse Kaffee euren Tagesbedarf an Eiweiß deckt. So bleibt ihr wahlweise lange satt oder baut eine Menge Muskeln auf.

Proteine werden genauso missverstanden wie Kalorien, Kohlenhydrate oder Kilos. Die meisten Menschen haben keine Ahnung, wie viel Eiweiß in Kuhmilch, Pflanzenmilch oder gar einer Limette steckt. Sie wissen auch nicht, wie viel Protein sie eigentlich brauchen. 

Unterm Strich ist Protein-Kaffee genauso „sinnlos“ oder „sinnvoll“ wie Kaffee beim Abnehmen. Aber das stört die Trendmaschinerie natürlich nicht.

Kaffee mit Zitrone: Was kann der TikTok-Trend?

Eiskaffee mit Zitrone

Influencer tun gern so, als hätten sie das Rad neu erfunden. Auf TikTok trendet derzeit Kaffee mit Zitronensaft als neues Abnehmwunder. Leute über 20 kennen die Mischung seit Langem als Kopfschmerzkiller. Was stimmt? Vermutlich keins von beidem.

Laut Influencer-Logik sollen sowohl Vitamin C als auch Pektine in einer Zitrone das Sättigungsgefühl beeinflussen und den Stoffwechsel anregen. 

Pektine sind füllende Fasern, die allerdings nicht im Saft, sondern in den Zellwänden und Zesten zu finden sind. Zur Wirkung dieser Mischung fehlen bisher klare Beweise – und die Befunde sind teilweise widersprüchlich (bsp. Figueroa-Méndez 2015).

Noch wichtiger ist allerdings, dass Vitamin C absolut hitzeempfindlich ist und bereits ab einer Temperatur von rund 40 Grad Celsius zerfällt. Selbst wenn Zitronen-Kaffee also ein Booster für die Fettverbrennung sein könnte, müsstet ihr ihn stets komplett kalt trinken.

Und solange ihr nur den Saft und nicht die ganze Zitrone in die Tasse haut, ist der Trend von vorne bis hinten hohl.

Grüner Kaffee vs schwarzer Kaffee: Abnehmen nach Farben?

Gruener Kaffee

Green Coffee bzw. grüne Kaffeebohnen geistern bereits seit einiger Zeit durch die Diät-Presse. Die Pillen oder Pulver setzen einmal mehr auf Chlorogensäure, die in rohen Bohnen je nach Varietät und Aufbereitung bis zu doppelt so hoch konzentriert ist wie in gerösteten Kaffeebohnen.

Ähnlich wie bei allen anderen Kaffeezusätzen geht es den Anhängern der grünen Theorie vorrangig um die immer besser belegten Effekte der Säure auf die Gewichtsregulierung (etwa Kumar et al. 2020).

Doch wie wir schon festgehalten haben, ist Chlorogensäure nicht für alle Menschen gleich empfehlenswert und in mancher Hinsicht heikel. Zudem sollten wir mit Supplements immer vorsichtig sein …

Kaffeekapseln oder Kaffee-Sticks kaufen?

Warum literweise Kaffee oder Cola zu sich nehmen, wenn wir den „Abnehmbooster“ Koffein in jeder Apotheke oder bei dm in bequemer Form zum Schlucken erhalten? 

Die Regale sind voll mit frei verkäuflichen Fatburner-Kapseln oder -Tabletten. Und diese halte ich schlichtweg für problematisch. 

Die meisten Formulierungen enthalten Koffein aus Guarana sowie Zitrusfasern – sind also TikTok-Kaffee im handlichen Format. Doch wer seinen Morgenkaffee mit Koffeinpillen kombiniert oder überhaupt völlig unkontrolliert Koffein knuspert, bringt sich auf jeden Fall in Gefahr.

Während der ein oder andere Kaffee-Zusatz einfach nur Quark ist, ist Zusatz-Kaffee in Pillenform nicht nur für euer Nervensystem eine echte Herausforderung. Vom rausgeschmissenen Geld für unbelegte Wirkversprechen ganz zu schweigen.

Fazit: Ist Kaffee gut zum Abnehmen?

Wachmacher, Schlankmacher, Systembooster – warum darf Kaffee nicht einfach Kaffee sein? „Besonderer Kaffee“ cancelt keine schlechte Ernährung. Ein Espresso (oder zwei oder drei) ändert nichts an unserem Gewicht oder unserem Körper. Im besten Fall werden wir wacher, im schlechtesten Fall hibbelig.

Kaffee und Sport sind ein gut untersuchtes Power-Duo. Doch ohne (viel) Bewegung ist der Effekt auf die Pfunde völlig unerheblich.

Vielmehr müssen wir lernen, dass Diäten langfristig nicht funktionieren und Gesundheit nicht von einem Lebensmittel abhängig ist. Wir müssen unseren Energieverbrauch kennenlernen, unser Gewicht nicht als Maßstab sehen und Kalorien völlig nüchtern betrachten.

Was das mit Kaffee zu tun hat? Absolut gar nichts – genau das ist der Punkt! Wie steht ihr dazu? Ich freue mich auf den ein oder anderen Erfahrungsbericht und auf jede Menge Kommentare! 

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