Aus dem Stand wüsste ich keinen Grund, warum ich etwas essen oder trinken sollte, was ein anderes Lebewesen über seinen Hinterausgang ausgeschieden hat. Selbst Honig finde ich beim näheren Anschauen auch irgendwie eine sehr merkwürdige Angelegenheit.
Aus dem Stand wüsste ich keinen Grund, warum ich etwas essen oder trinken sollte, was ein anderes Lebewesen über seinen Hinterausgang ausgeschieden hat. Selbst Honig finde ich beim näheren Anschauen auch irgendwie eine sehr merkwürdige Angelegenheit.
Schon deshalb löst die Kaffee-Delikatesse Kopi Luwak bei vielen nur ein verzogenes Gesicht aus. Denn wenn wir ehrlich sind, ist es wortwörtlicher Sch…kaffee. Ein Tier frisst die Kaffeekirsche, scheidet die Bohne wieder aus, der Mensch macht daraus Katzenkaffee. Was stimmt eigentlich nicht mit uns?
Trotzdem erreicht ein Pfund Kopi Luwak schwindelerregende Preise und die Gourmets dieser Welt kriegen feuchte Augen. Ihr wisst nicht, was das alles soll? Ich verrate es euch. Ich verrate euch auch, wie der Katzenkaffee schmeckt, warum er so heißt und wieso ich euch dringend davon abrate, diesen Kaffee entdecken zu wollen.
Inhaltsverzeichnis
Warum heißt Kopi Luwak überhaupt Katzenkaffee?
Unter den außergewöhnlichen Kaffeesorten nimmt Kopi Luwak schon deswegen eine Sonderrolle ein, weil er ohne die Verdauungsarbeit des sogenannten Fleckenmusangs nicht existieren würde. Der Fleckenmusang ist eine Schleichkatzenart, die wie eine Mischung aus Oppossum, Marder und Miezekatze aussieht.
Er lebt ausschließlich in Südostasien und turnt in seiner wildlebenden Form am liebsten durch den tropischen Regenwald. Dabei frisst er alles, was ihm so vor die Schnauze kommt. In Vietnam und Indonesien, auf den kaffeeberühmten Inseln Sumatra oder Java, sind das nun einmal auch die rohen, reifen Kaffeefrüchte.
Die Kaffeekirschen durchlaufen den Verdauungsapparat des Musangs, wo der Körper das Fruchtfleisch aufnimmt. Der „Kern“, also die eigentliche Kaffeebohne, wird unverdaut ausgeschieden. Während dieser ganzen Verdauerei werden die Bohnen durch natürliche Enzyme fermentiert.
Fermentierung ist eine der ältesten (natürlichen und industriellen) Methoden zur Haltbarmachung und Geschmacksentwicklung bestimmter Lebensmittel. Sauerkraut kennen wir alle. Aber auch fermentierter Tee oder Kaffee sind uns ein Begriff.
In der Kaffeewelt ist der Fermentationsprozess unter dem Begriff Nassaufbereitung Gang und Gäbe. Auch hier geht es darum, die Kirschen in ihre Bestandteile zu zerlegen und einen gewissen aromatischen Dreh hinzubekommen. Vorranging soll die Säure zurückgedrängt werden. Aber selbstverständlich mit Maschinen-, nicht mit Katzenhilfe.
Wer übrigens glaubt, dass Katzenkaffee und Kopi Luwak erstens Synonyme und zweitens die einzigen Auswüchse merkwürdiger Menscheinfälle in der Lebensmittelwelt sind, der irrt gleich doppelt.
Erstens ist Kopi Luwak sowas wie ein regional geschützter Markenname, der ausschließlich für den Kaffee, der von den indonesischen Inseln kommt, verwendet werden darf. Ein Champagner muss ja auch aus der französischen Region Champagne kommen.
Zweitens gibt es auch noch Abwandlungen aus anderen Regionen, die dann Kopi Laku (Indonesien) oder „Wieselkaffee“ (Vietnam) heißen. „Kopi“ ist übrigens das indonesische Wort für Kaffee, der hintere Begriff bezeichnet das Tier, das an der Produktion beteiligt ist.
Ähnlich wie bei einem Champagner gibt es für den Kopi Luwak eigentlich Qualitätsmerkmale. Nur Kaffeebohnen, die von wildlebenden Fleckenmusangs ausgeschieden, von Hand eingesammelt und anschließend verarbeitet werden, dürfen am Ende Kopi Luwak sein.
Unter diesen Voraussetzungen ist klar, warum ein Kilo echter Katzenkaffee locker um die 1.000 Euro kosten kann. Schließlich kriegt man unter diesen Bedingungen pro Jahr nur eine kleine Ernte zusammen. Aber warum gibt’s dann bei Amazon und Co. auch angeblich echten Kopi Luwak für schnittige 30 Euro pro 100 Gramm?
Ganz einfach: Die „Markenrechte“ inklusive aller Qualitätsanforderungen, die zum Beispiel Frankreich für seinen Champagner bis aufs Blut verteidigt, gibt es in dem Sinne nicht. Demzufolge gibt es weder Richter noch Henker, wenn es um die Bezeichnung des Katzenkaffees geht. Hauptsache, irgendwann war irgendwie mal ein fermentierendes Tier an der Produktion beteiligt.
Zweitens, und das ist noch viel schlimmer, gilt das Wörtchen „wildlebend“ schon lange nicht mehr. Schließlich wollen Connaisseurs auf der ganzen Welt ein Schlückchen Katzenkaffee genießen können, wann immer es ihnen passt. Die Nachfrage ist also wesentlich höher als das, was die paar Musangs auf Indonesien vollbringen könnten. Und jetzt wird’s ekelhaft.
Das tierverachtende Geschäft mit Kopi Luwak
Auch wenn wir es nicht auf dem Schirm haben, so ist Indonesien doch genauso ein von Armut und schlechten Erzeugerbedingungen gebeuteltes Land wie praktisch jede andere Kaffeenation auf der Welt.
Eigentlich steht Indonesien für exklusive Luxuskaffees aus Regionen wie Java oder eben Sumatra. Aber mit dem Wandel der Kaffeewelt änderten sich die Geschmäcker und Indonesien wurde ein wenig in die Nischenecke abgedrängt.
Dieses Problem hatte ein Vertreter des indonesischen Kaffeevertreibern Q.U.B.E Coffee auf dem Coffee Festival 2018 ziemlich gut auf den Punkt gebracht:
Wir sind der viertgrößte Kaffeeproduzent der Welt. Wir liefern den teuersten Kaffee der Welt. Wir waren der Ursprung für Kaffee in Europa. Doch unser Geschmacksprofil passt weder in die eine noch in die andere Ecke, die auf dem Markt gerade gefragt ist.
Man musste also aus dem, was man hatte, möglichst den letzten Cent rausquetschen. Deswegen ging man irgendwann dazu über, die Schleichkatzen entweder zu fangen oder gleich in Gefangenschaft zu züchten. Sie hocken in ihren Käfigen und fressen den lieben langen Tag nichts anderes als Kaffeekirschen.
Als Carnivore mit omnivoren Tendenzen läuft dies natürlich auf eine Mangelernährung hinaus, die unweigerlich zum Tod führt. Aber dafür stimmen die Produktionsmargen, der Preis lässt sich grundsätzlich bequemer den Marktbedingungen anpassen.
Doch warum nicht einfach beim Super-Luxus-Status bleiben? Das hat die Welt dem Briten Anthony „Chocfinger“ Ward zu verdanken, einem Paten der Kaffee- und Kakaogroßhandelswelt. Den Typen solltet ihr euch übrigens mal näher anschauen. Er trägt seinen Bösewicht-Spitznamen nicht umsonst.
Ward jedenfalls brachte ein Kilo Kopi Luwak in den frühen Neunzigern aus Indonesien mit nach London. Die Spezialität hatte zuvor nur einheimische Fans. Danach allerdings nicht mehr. Plötzlich folgte jeder dem Trend und wollte ein Stück vom Katzenklo-Kuchen.
Und schon ging das große Goldfieber los, die freiheitsliebenden und nachtaktiven Einzelgänger namens Schleichkatzen wurden zusammen in Käfige – oder höchstens noch Freigehege – gepfercht. Weil zwei Einnahmequellen besser sind als eine, dürfen sich Touristen die süßen Kaffeekacker dann auch noch aus der Nähe anschauen.
Es wundert also nicht, dass nicht nur die Tierschutzorganisation Peta, sondern auch Tony Ward selbst inzwischen zum Kopi Luwak-Boykott aufrufen. Petas Artikel hat ob seiner großen Verbreitung durchaus erheblich dazu beigetragen, dass das Thema durch alle Medien gejagt wurde.
Doch obwohl alle Bedingungen für Tierquälerei und Massentierhaltung wie bei Hühnern, Schweinen oder Kühen erfüllt sind, schert sich die Welt darum nicht. Denn was sind schon ein paar unbekannte Katzenviecher im weit entfernten Dschungel, den sowieso niemand auf der Landkarte findet?
Und außerdem, für echten Luxus müssen manchmal kleine Opfer gebracht werden. Foie Gras steht schließlich auch immer noch auf vielen Speisekarten und wird mit Verve bestellt.
Wie schmeckt der Katzenkaffee?
Auch wenn sich alles in mir dagegen sträubt, solche „Machenschaften“ wie beim Katzenkaffee zu unterstützen, habe ich ihn doch einmal bei einer Verkostung getrunken. Schließlich ist es meine Aufgabe als aufklärender Coffee Blogger, euch alle Informationen zu liefern, damit ihr selbst eine Entscheidung treffen könnt.
Das Aromenprofil von Kopi Luwak wird an mehr als einer Stelle immer als „Geschmack des Dschungels“ oder ähnlich beschrieben. Was soll man sich darunter vorstellen? Neblig? Feucht? Lianen-artig? Keine Ahnung. Geschmackvoll ist „Kopi“ nur als Kaffee-Hundename.
Etwas weniger lyrisch sind die Zuschreibungen mild, vollmundig, erdig – gerne auch mal „modrig“. Klingt wie eine sanftere Version der Robusta-Stilistik, oder? Zu meiner Verkostung hatte ich eine French Press anstelle des Kaffeevollautomaten genutzt und damit einen Tassenpreis von ca. 20 Euro umgesetzt. In meinen Notizen stand:
- Mittlerer Körper, leichte Würze, ein Hauch Schokolade
- „Grüne“ Elemente im Sinne von Gräsern (Ist das der Dschungel?)
- Kaum bis keine Säure
- Merkwürdig pelziger Film im Abgang
- Zwar komplex, aber zu beliebig
Bei jedem anderen Kaffeebohnen Test hätte es von mir für eine solche Performance von vornerein nur eine mittlere Sternebewertung gegeben. Denn der Kaffee hält aber auch nicht im Geringsten, was die Story um ihn herum verspricht. Hätte ich nicht gewusst, was ich da trinke, hätte ich ihn praktisch sofort wieder vergessen und mich dabei gefragt, was die Rösterei da versiebt hat.
Der große Katzenjammer um einen überflüssigen Kaffee
Ein paar schlaue Vermarkter betonen inzwischen extra, dass ihre Kaffee-Verdauer wild leben oder aus Freigehegen stammen oder sonstwas. Glaubt mir: Ihr könnt euch praktisch komplett sicher sein, dass euch hier ein gutes Gewissen zu einem problematischen Produkt verkauft wird. Preis, Anspruch und Wirklichkeit bewegen sich hier in einem Kosmos reiner Geldmache mit einem Mythos.
Und nachdem ich euch jetzt alles zum Kopi Luwak erzählt habe, frage ich euch: Kommt euch dieser Mythos nicht auch von Anfang bis Ende bescheuert vor? Es gibt keinerlei Grund, warum dieser Kaffee existiert. Es gibt Millionen bessere Angebote – auch aus Indonesien – die nicht nur keine Tiere sinnlos ausbeuten, sondern auch die Kaffeebauern anständig entlohnen.
Nicht einmal geschmacklich ist dieser Kaffee in irgendeiner Weise besonders oder überzeugend. Er ist einfach Blah. Und für Blah haben wir weder das Geld noch die Nerven noch die Zeit, oder?
Bei Risiken und Nebenwirkungen zu Sch … Kaffee fragen Sie unbedingt auch gerne in den Kommentaren nach!