Früher gingen Adventskalender so: Türchen auf, Mini-Stück Schoki gemampft, leichtes Gefühl der Enttäuschung, warten auf den nächsten Tag.
Früher gingen Adventskalender so: Türchen auf, Mini-Stück Schoki gemampft, leichtes Gefühl der Enttäuschung, warten auf den nächsten Tag.
Heute gehen Adventskalender so: Man nehme viele verschiedene Luxusdinge, packe sie in schnieke Päckchen und verkaufe das Ganze für wesentlich mehr Geld, als die Produkte eigentlich kosten würden.
Ausgefallene Adventskalender sind der heiße Scheiß der vergangenen Jahre. Und die Anbieter kommen auf immer abenteuerlichere Ideen, was sich so alles hinter den 24 Türchen verstecken könnte. Socken? Klar. Hundefutter? Natürlich. Make-up? Alter Hut!
Auch Kaffeebohnen dürfen da nicht mehr fehlen. 19 grams war in meiner Wahrnehmung eine der ersten Röstereien in Deutschland, die den Trend erkannt hat und früh mit einer Kaffeeversion auf den Markt gekommen ist.
Das Besondere dabei: Statt irgendwelche Kaffeesorten in fragwürdiger Qualität in den Weihnachtskalender zu stecken, hat sich die Kaffeerösterei von Anfang an damit beliebt gemacht, Single Origins aus aller Welt in absoluter Spitzenqualität zu liefern. Und das weder mit hässlichem Weihnachtskitsch noch mit fragwürdigen Bohnen.
Mein letzter Test in Sachen Kaffee Adventskalender liegt bereits Ewigkeiten zurück. Schon damals war der Röster am Start, hieß aber noch Tres Cabezas. Und schon damals steckte der Kalender aus Berlin voller gelungener Sorten, setzte ausschließlich auf ganze Bohnen und machte auch beim Geschmack alles richtig.
In diesem Jahr habe ich eine Testversion des aktuellen Filterkaffee-Adventskalenders erhalten und bin nach ersten Vorbehalten dann doch begeistert.
Ja, der Preis hat sich gewaschen. Ja, ihr kauft die teure Katze (ein wenig) im Sack. Aber falls ihr schon immer mal eine koffeinhaltige Weltreise mit Single Origin Kaffees aus der Luxusklasse machen wolltet, seid ihr hier goldrichtig.
Außerdem: Es ist bald Weihnachten, das Arschloch-Jahr 2020 ist bald vorbei und wir haben echt ein bisschen Luxus verdient. Oder?!
Inhaltsverzeichnis
Der 19grams Kaffee-Adventskalender in der Übersicht: Verpackung, Design & die Preisfrage
Ließe sich der Wert des Inhalts allein an der Verpackung messen, hätte der Kaffee-Adventskalender von 19grams bereits gewonnen. Das Ding ist riesig, schick und wirkt (Gott sei Dank) so gar nicht nach Weihnachten.
Solche Maße sind auch notwendig, denn es braucht Platz für 24 kleine Dosen, in denen ihr jeweils 50 Gramm Bohnen findet.
Dass die Dosen aus Aluminium sind, mag im ersten Moment etwas problematisch erscheinen. Schließlich wettere ich gegen dieses Material seit meinem ersten Rant über Kaffeekapseln von Nespresso.
Allerdings sind die Dosen hier nicht nur ausnehmend hochwertig, sie sind auch wiederverschließbar und können für tausend kleine Dinge verwendet werden, sobald ihr den Kalender ausgetrunken habt.
Die Röstung: Facettenreich
Das Wichtigste sind natürlich die Bohnen in diesen schnieken Dosen. Und hier wird es nicht nur hochwertig, sondern auch ausgesprochen vielseitig:
Keine Röstung wiederholt sich, es gibt ausschließlich Single Origins, die „Kaffeespezialitäten“ stammen aus der ganzen Welt. Allein das macht diesen Kaffee-Adventskalender bereits zu einer spannenden Sache für echte Kaffee-Fans.
24 Shades of Kaffee
Falls ihr es gar nicht erwarten könnt, hebt die Dosen einfach schon vor Dezember aus ihren Halterungen um darunter alle Angaben zu Herkunft, Varietät und Aufbereitung schonmal zu studieren. Diese Angaben sind auf den Boxen-Boden gedruckt.
Damit will euch 19grams vermutlich davon abhalten, die Packungen wild aus dem Kalender zu ruppen und auf die vorgegebene Reihenfolge zu pfeifen. Kann ich gut verstehen, schließlich macht das den halben Spaß an Adventskalendern aus.
Trotzdem hätte ich es großartig gefunden, diese Angaben zum Beispiel im Dosendeckel zu finden. Nicht jeder will schließlich 50 Gramm Kaffee auf einmal verbraten. Und dann wird es schwer, den Überblick zu behalten.
Genauso vermisse ich ein Röstdatum, eine Zubereitungsempfehlung – und einen generellen Hinweis darauf, ob ihr gerade Bohnen für Filter oder Espresso vor euch habt.
Denn der 19grams Adventskalender ist in zwei Ausführungen erhältlich, die sich jedoch bis aufs Haar gleichen. Passt beim Bestellen also gut auf.
Da ich ein Vorab-Modell für den Test erhalten habe, kann sich das alles bis zum Verkaufsstart im November noch (leicht) ändern. Das wäre vielleicht ganz gut.
Auch wenn dieser koffeinlastige Adventskalender offensichtlich für Fortgeschrittene und Experten konzipiert wurde, sind mehr Informationen direkt auf dem Produkt immer besser als zu wenige.
Aufgepasst: Und täglich grüßt der Newsletter?
Vielleicht will die Rösterei aus Berlin aber auch nur das Design clean halten. Denn zusätzlich zu den Kalendern gibt es einen eigenen Newsletter, der noch mehr Infos zum Inhalt, den Sorten, der Zubereitung und dem Geschmack liefern soll. Dafür müsst ihr allerdings eure E-Mail-Adresse rausrücken. Nö.
Es ist zwar eine schöne Idee, wenn ich zum Kaffee des jeweiligen Tages gleich noch eine nette Mail bekomme. Aber haben wir nicht alle schon genug Zeug im Postfach? Wie wäre es stattdessen mit einem Booklet zum Kalender? Das würde auch besser zum Style passen. Finde ich zumindest.
Kosten: Auch hier obere Liga
Für den Kalender mit Bohnen für Filterkaffee zahlt ihr jedenfalls 68,90 Euro. Für die Version mit Espresso werden 69,90 Euro fällig. Autsch, das tut weh.
Der Kilopreis von knapp unter 60 Euro ist jedoch typischer Single Origin-Durchschnitt – nicht nur bei 19grams. Und wir müssen hier einkalkulieren, dass ihr 24 verschiedene Kaffees in einer Portion erhaltet, die zum Beispiel für eine volle Ladung Kaffee aus der Chemex vollkommen ausreicht.
Rechnen wir dann noch die Dosen, den Look und das Image à la Specialty Kaffee obendrauf, erklärt sich der Preis praktisch von selbst. Auch wenn ich gut verstehen kann, dass er viele von euch abschreckt.
Die 19grams Bohnen im Geschmackstest: So muss das sein!
Ganze Bohnen können sich nicht verstecken. Schon gar nicht, wenn es so viele verschiedene Sorten auf einen Haufen sind und ihr sehr genau vergleichen könnt.
Ich glaube jedenfalls, dass die Vorabexemplare des Kalenders für den Test ein bisschen hastig bzw. früh geröstet wurden. Direkt vor dem Kalender habe ich den 19grams Sonora Typica Espresso getestet und war vom schnuckeligen Bohnenbild schwer überzeugt.
Dagegen wirkten meine Stichproben hier mitunter etwas runzelig und ein bisschen trocken. Allerdings kam aus jeder geöffneten Dose dennoch ein reicher, vielseitiger – und vor allem unterschiedlicher – Duft.
Wollte ich den gesamten Inhalt und alle 24 Kaffees einem detaillierten Test unterziehen, säßen wir im Januar noch hier. Darum habe ich blind zwei Dosen herausgegriffen und beide Stichproben mit dem Handfilter und einer Brew Ration von rund 7 Gramm auf 100 Milliliter Wasser zubereitet.
Um euch nicht die Überraschung zu verderben, sage ich weder die Dosennummer noch den genauen Namen.
Bei Kaffee Nummer 1 handelt es sich jedenfalls um einen gewaschenen Indonesier aus Sumatra der Varietäten Tim-Tim und Ateng. Kaffee Nummer 2 kommt aus Uganda und wurde aus den Varietäten Nyasaland, SL 14 und SL 48 komponiert.
Ihr seht schon: Hier wird es wirklich speziell. Gerade die Varietäten-Vielfalt halte ich für eine großartige Sache, weil ihr damit unterschiedlichste Grundstilistiken kennenlernt, die im Zusammenspiel mit den Herkunftsländern wirklich zu einer 24-teiligen Kaffeekarte der Welt werden.
Kennt ihr diese Menschen, deren Anwesenheit euch gute Laune macht – ohne, dass ihr genau wisst, warum? Genau so ist dieser Kaffee. Er ist überaus freundlich, weich und angenehm süß, läuft zart durch Mund und Rachen und animiert immer und immer wieder zum nächsten Schluck.
Bei meinen Kaffeebohnen Tests stelle ich normalerweise (Pflanzen-) Milch bereit. Bei diesem Single Origin habe ich sie nicht angerührt. Dieser Kaffee ist pur hervorragend und es wäre eine Schande, ihn zu verpanschen. Ich garantiere: Selbst Leute, die ihren Kaffee sonst nie ohne Milch trinken, werden hier bekehrt!
Dieser Kaffee geht in eine ganz andere, aber nicht minder hervorragende Richtung. Hier dominiert ein ausgesprochen klassisches Schoko-Kakao-Profil, das in seiner Filterausprägung jedoch weder dominant noch bitter ist. Auch dieser Kaffee kommt völlig ohne Milch am besten zum Tragen – und niemand wird sie vermissen …
Weitere Kaffeesorten im Überblick
Noch macht 19grams ein Geheimnis aus allen enthaltenen Kaffees. Und auch ich werde ganz sicher nicht hart spoilern. Doch um die Vielfalt zu verstehen, will ich dennoch ein paar Beispiele nennen:
Caturra-Bourbon aus Peru
Red Bourbon aus Burundi
Typica aus Panama
Typica-Caturra aus der Dominikanischen Republik
Catuai aus Brasilien
Blue Mountain aus Papua-Neuguinea
Geisha aus Costa Rica
Der finale Mix könnte sich noch ändern. Aber es wird auf jeden Fall dabei bleiben, dass ihr herausragende, teils legendäre Kaffeebohnen mit jeweils eindeutiger Stilistik erhaltet. Und ich bin mir hundertpro sicher, dass ihr wirklich jeden Kaffee pur genießen wollt und dabei spannende neue Bohnen entdeckt.
Ihr merkt einfach bei jedem Schluck, dass hier eine Rösterei mit echter Expertise am Start ist. Ihr merkt auch, warum Single Origin Kaffees so gehypt werden und so teuer sind. Ob Schokonote oder Aroma von Früchten: Ein Single Origin, der etwas auf sich hält, zieht seine Linie gekonnt, geradlinig und vor allem blitzsauber durch. Und wie das funktioniert, beweist dieser Adventskalender für Erwachsene.
Lohnt sich der 19grams Kaffee-Adventskalender?
Geht es euch nur darum, morgens Bohnen mit halbwegs anständiger Qualität durch den Kaffeevollautomaten oder den Handfilter zu jagen, solltet ihr den 19grams Kaffee Adventskalender nicht bestellen. Denn das Ding hat mit „Kaffeekonsum“ in dem Sinne nix zu tun.
Hier dreht sich alles ums Entdecken, Genießen, Ausprobieren, Lernen und neu bewerten. Es geht um Bohnen als Luxus und Aroma als facettenreiche Herausforderung. Hier werden Röstungen angeboten, die als bester Kaffee der Welt gelten:
Blue Mountain, Geisha, Bourbon … aus Äthiopien, Brasilien, Honduras oder sonst wo … Wann findet man die sonst alle in handlichen Ausprobier-Einheiten auf einem Haufen?
Aber ja, auch dieser Kalender ist ein wenig eine Gelddruckmaschine. Doch allein der Geschmack der beiden Testkaffees und die Vielfalt der Kaffeesorten setzt diesen koffeinhaltigen Adventskalender meilenweit vor andere Anbieter wie zum Beispiel den Adventskalender von der Kaffeerösterei Rabenschwarz.
Look, Feel and Taste sind allererste Sahne. Der Preis leider auch. Allerdings entspricht er absolut den Ansprüchen, die ihr an einen solch exklusiven Mix aus Kaffeebohnen in schicker Verpackung stellen könnt.
Dennoch: Nicht jede Röstung ist eine Sensation. Nicht jeder Single Origin wird euch das Geld wert scheinen. Aber das ist die Gefahr bei jedem Adventskalender. Ob nun mit Socken, Sextoys oder Kaffeebohnen.
Der 19grams Kaffee-Adventskalender ist limitiert und wird ab Mitte November verschickt. Aus den Vorjahren weiß ich, dass ihr euch schnell entscheiden solltet, wenn ihr ein Exemplar abhaben wollt.