Wenn ein Lebensmittel nach Farbe und Funktion statt einer Zutat benannt ist, kann etwas nicht stimmen. Kaffeeweißer soll Kaffee weiß machen – so wie Milch, nur eben anders.
Wenn ein Lebensmittel nach Farbe und Funktion statt einer Zutat benannt ist, kann etwas nicht stimmen. Kaffeeweißer soll Kaffee weiß machen – so wie Milch, nur eben anders.
Aber was ist Kaffeeweißer überhaupt und warum existiert diese absurde Idee? Was sagen die Nährwertinformationen und was soll diese absurde Mischung aus Zucker, Milcheiweiß und Milchpulver tun? Finden wir es in diesem Kaffee-Wiki heraus.
Inhaltsstoffe & Verwendung von Kaffeeweißer: Der Preis der Convenience
Um Kaffeeweißer zu verstehen, zäumen wir das Pferd von hinten auf und betrachten zunächst die Zutaten. Diese können je nach Produkt zwar etwas variieren, laufen aber immer auf dieselben Grundbausteine raus:
Glukosesirup, Milcheiweiß, Kokosfett, Milchzucker
Stabilisatoren wie Kaliumphosphate, E340 oder E452
Trennmittel wie Calciumphosphate, E341 oder E551 (Siliciumdioxid)
Emulgatoren wie Mono- und Diglyceride von Speisefettsäuren oder E472
Farbstoffe wie Beta Carotin
Evtl. Aroma
Zusammen ergibt das ein eher undefiniertes, weißes, süßes Pulver mit Noten von Milch und reichlich Pflanzenfett. Selbst der Wikipedia-Artikel zu Kaffeeweißer sagt eher, was er nicht ist oder wem er ähnelt. Mehr Industrie und Künstlichkeit ohne klare Eigenschaften ließen sich kaum in eine Substanz packen. Warum das alles?
Bessere Aufbewahrung & Haltbarkeit: Welche Funktion hat Kaffeeweißer?
Wir alle wissen: Menschen mögen Kaffee mit Milchschaum. Allerdings hat das Kuh-Produkt ein Problem: Milchfett wird auf Dauer ranzig, ohne Emulgator oder Stabilisator kippt das Produkt schon nach kurzer Zeit.
Café au lait oder Cappuccino kommen aber nicht immer aus einem menschlich bedienten, täglich gereinigten Kaffeevollautomaten – sondern genauso oft aus Kaffeevollautomaten mit Bezahlsystem zum Selbstbedienen.
Damit ihr auch in der hinterletzten Bahnhofshalle jederzeit einen Kaffee mit Milcheindruck erhaltet, ist Kaffeeweißer bisher der einzig machbare Milchersatz. Kaffeeweißer soll den Geschmack und das Mundgefühl von Milch nachahmen, ohne die hygienischen Nachteile von Vollmilch und Co zu liefern.
Der viele Zucker und das Fett helfen außerdem dabei, den eher fragwürdigen Geschmack von typischem Automatenkaffee zu übertünchen. Nicht zuletzt ist der Mix auch deutlich billiger als anständige Milch – und sorgt so dafür, dass ihr einen „Milchkaffee“ für einen Euro ziehen könnt.
Der Mix aus Milchpulver, Milchfett und Fettsäuren ist aber nicht nur am Kaffeevollautomaten im Einsatz. Als sogenannte Creamer sind Varianten von Kaffeeweißer in der gesamten Industrie zu finden – zum Beispiel in Instant-Suppen und anderen Instant-Gerichten, als Zugabe zu Gewürzmischungen oder zur Zubereitung von Sportnahrung.
Ist Kaffeeweißer Milchpulver?
Kaffeeweißer ist kein Milchpulver. Dieses enthält zwar auch etwa ein Viertel Fett, ein Viertel Eiweiß und fast 40 Prozent Zucker in Form von Milchzucker. All das sind aber natürliche Bestandteile von Vollmilch, der für Milchpulver einfach das Wasser entzogen wird.
Diese dehydrierte Milch hat dieselben Vorteile in Sachen Haltbarkeit und Co, enthält aber keinen einzigen Emulgator, keinen Farbstoff, kein Kaliumphosphat oder andere Extrakte und E-Nummern. Darum darf Milchpulver auch für Babys eingesetzt werden.
Kaffeeweißer ist im Vergleich dazu quasi Milchpulver auf chemischen Steroiden. Hier geht es nicht um die Inhaltsstoffe, sondern um die funktionellen Prozesseigenschaften.
Milch vs Pulver: Was ist drin, wie viel Kalorien & was ist besser?
Während Milch genau eine Zutat hat, hat Weißer den ganzen chemischen Kühlschrank ausgeleckt. Und wer sich einen Milchkaffee aus einem Kaffeeautomaten in der Tiefgarage am Stadtrand zieht, sollte nichts anderes erwarten.
Auch sollte niemand glauben, dass die Mischung aus Milchpulver, Kokosnussöl und Glucosesirup tipptopp Nährwerte liefert. Rund 500 Kalorien auf 100 Gramm Pulver machen den Zusatz nicht gerade günstig für die Energiebilanz. Bei Vollmilch führt ihr eurem Körper bis zu 60 Kalorien pro 100 Milliliter zu.
Auch wenn ich Stoffe nicht nach dem bloßen Gehalt an Kalorien bewerte, zeigt uns dieser krasse Unterschied doch, was ein 24/7-Kaffeevollautomat an jeder Ecke bedeuten kann.
Obendrauf bieten echte Milch oder nicht-tierische Milch aus Pflanzen dem Körper „echte“ Nährstoffe, Mineralstoffe usw. In Weißer wurde all das industriell denaturiert.
Laktosefrei & vegan: Geht das bei Kaffeeweißer überhaupt?
Bei Laktoseintoleranz oder Verzicht auf tierische Produkte sind Milcheiweiß und Milchzucker natürlich tabu. Also fällt Kaffee mit Weißer flach? Nicht im Jahr 2024.
Eine vegane Weißer-Zubereitung setzt auf Palmfett und Dextrose, E-Emulgatoren, E-Stabilisatoren und Stärke. Ob die Zutaten nun aus Soja oder Sonja der Kuh kommen, ist für die Nährwertangaben egal. Pflanzlicher Kaffeeweißer für Veganer ist genauso wenig ein „Fit Food“ wie sein Laktose-Kollege.
Gesund, ungesund, krebserregend oder keine Nebenwirkungen?
Kaffeeweißer gehören zu den „ultrahochverarbeiteten“ Lebensmitteln, die eben nicht nur Polyphosphate, sondern auch (möglicherweise) Trans-Fettsäuren enthalten.
Auch wenn abschließende Beweise ausstehen, dürfte jeder der wissenschaftlich etablierten Meinung folgen, dass solche Lebensmittel auf Dauer keine gute Idee sind.
Ich warne davor, den Kaffee jeden Tag auf diese Art zu weißen. Ich räume aber auch ein, dass große Studien zu Risiken wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Alzheimer vorsichtig mit ihren Schlussfolgerungen sind.1
Es gibt doch Alternativen …oder?
Als ich mit der Recherche für diesen Text angefangen habe, ist mir erstmal aufgefallen, wie oft Menschen täglich mit Weißer in Kontakt kommen (könnten) – ohne ihn selbst bei Lidl, Aldi und Co zu kaufen.
Selbst jeder Supermarkt stellt inzwischen SB-Kaffeevollautomaten auf. Solltet ihr keinen Behälter mit flüssiger Milch in direkter Umgebung dieser Maschinen sehen, ist Kaffeeweißer oder mindestens Milchpulver im Einsatz.
Aber warum sieht der Cappuccino häufig trotzdem so echt aus? So mit Milchschaum und allem drum und dran? Die Chemie kommt erneut zu Hilfe: Man kann Creamer mit sogenannten Foamern ergänzen, die das Milchgefühl um eine Schaumoptik erweitern.
Sobald ihr Krüger-Cappuccino oder ähnliche Formen von Instantkaffee in der Tüte kauft, ist natürlich immer Weißer drin. Er wird hier nur nicht so genannt, sondern als einzelne Zutaten aufgeführt.
Oder sagen wir es so: Wenn eine Art von Kaffee der Luftfeuchtigkeit und dem Zahn der Zeit widerstehen soll, kommt Weißer zum Einsatz. Egal, was eine Werbung behauptet. Wir leben im Jahr 2024, das muss doch auch anders gehen?!
Nur in der Theorie. H-Milch, Frischmilch, selbst Kondensmilch sind einfach nicht Convenience-geeignet und nur dann für die Kaffeezubereitung brauchbar, wenn sie abgepackt angeboten oder von einem Mitarbeiter verantwortet werden.
Sobald Personal und richtige Kaffeemilch im Einsatz sind, wird der Latte Macchiato aber plötzlich teurer und der Automat plötzlich nicht mehr so automatisch. Sind wir also selbst schuld? Ja, sind wir.
Kaffee mit Geschmack: Am besten ohne Kaffeeweißer
Kann Kaffeeweißer schlecht werden? Das hoffe ich doch. Dann könnt ihr nämlich Omas Dose aus dem Küchenschrank werfen und ihr richtige Milch oder Sahne für ihren Kaffee kaufen. Ich würde den Weißer-Mix nicht einmal zum Backen verwenden.
Dieses Kaffee-Wiki lehrt uns aber auch, dass wir selbst daran Schuld sind, dass Weißer existiert. Also können wir selbst dafür sorgen, dass er es nicht mehr tut.
Wenn ihr trotzdem einmal an einem Weißer-verseuchten Kaffeevollautomaten steht und kein Barista in der Nähe ist, bleibt nur eins: den Knopf für schwarzen Espresso oder Kaffee drücken und geschmacklich aufs Beste hoffen.
Kaffee weißen oder lieber nicht? Ich freue mich auf eure Kommentare!
Quelle:
- siehe Übersicht Chazelas et al (2021) Science Report: Exposure to food additive mixtures in 106,000 French adults from the NutriNet-Santé cohort ↩︎