Kaffee einfrieren? Kann man machen. Ist dann halt nur scheiße.

Vor ungefähr zehn Jahren habe ich mir mit ein paar Artikeln zum Thema Kaffee lagern und Kaffee frisch halten mehr Ärger eingehandelt als mit meinem Motto „Wer Kapsel-Kaffee trinkt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren“.

Quickmill Orione Arne Espresso

Vor ungefähr zehn Jahren habe ich mir mit ein paar Artikeln zum Thema Kaffee lagern und Kaffee frisch halten mehr Ärger eingehandelt als mit meinem Motto „Wer Kapsel-Kaffee trinkt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren“.

Ich sagte so pauschal „Kaffee perfekt zu lagern ist eigentlich nicht möglich.“

Ihr sagtet so „Arne, mach den Kopp zu, natürlich ist das möglich! Mach ich immer so und so! Hat noch nie geschadet!“

Ich wieder so „Aber Kaffee einfrieren geht nun echt nicht!“

Ihr wieder so „Warum nicht?! Einfrieren stoppt den Alterungsprozess!“

Den ersten Teil zum Thema Kaffee lagern habe ich bereits im aktualisierten und fundierten Artikel „Kaffeedose oder Tüte? Warum wir unsere Bohnen verstecken sollten. Und worin“ abgehandelt. Jetzt kümmere ich mich um das Einfrieren von Kaffee.

An meiner Meinung hat sich nichts geändert: Wer seinen Kaffee einfriert, hat auch irgendwie die Kontrolle verloren. Denn dann könnt ihr gleich euren teuren Rotwein oder das Wagyu-Steak daneben packen. Klingt absurd? Eben!

Kaffee einfrieren: Warum überhaupt?

Theoretisch wäre es die beste Idee, die Kaffeebohnen immer exakt nach Bedarf direkt beim Röster des Vertrauens zu bestellen, die gebotene Reifezeit abzuwarten und die Bohnen dann schnellstmöglich zu verbrauchen. Das Problem ist natürlich:

  • erstens, dass eine gerade bei Single Origins beliebte Packungsgröße von 250 Gramm nicht lange vorhält.
  • Zweitens verursacht jede einzelne Bestellung beim Röster einen Rattenschwanz an Logistikaufwand und Verpackungsmüll.
  • Drittens entstehen schnell mal Versorgungslücken,
  • viertens ist der Kilopreis für größere Packungen besser, fünftens …

Wir kommen also nicht drumherum, uns gute Lagermöglichkeiten für Kaffee zu überlegen, die das Aroma so weit wie möglich erhalten. Doch genau in diesem Aroma liegt der Knackpunkt.

In einer Kaffeebohne stecken rund 800 Aromen und mehr als 1.000 Bestandteile. Viele davon sind hochgradig flüchtig und machen sich mit jedem Tag der Lagerung schneller vom Acker.

Im Grunde „stirbt“ der Kaffee in der Sekunde, in der wir die Packung öffnen. Doch Gott sei Dank gibt es die Gefriertruhe. Bei Gemüse haben wir inzwischen gelernt: Werden Erbsen und Co erntefrisch direkt eingefroren, wird der Verfallsprozess deutlich verzögert und das TK-Gemüse ist deshalb meist frischer und nährstoffreicher als das Zeug aus der Gemüseabteilung.

Da es sich bei Kaffee auch um ein Naturprodukt handelt, sollte diese Logik auch für eure Bohnen funktionieren. Das tut sie auch. Nur leider nicht in der Art und Weise, wie wir es gern hätten.

Denn eine Erbse ist eben weitaus weniger komplex als eine Kaffeebohne.

Das zeigt sich schon am genetischen Kern: Die Erbse hat 14 Chromosomen, eine Robusta-Kaffeebohne 22, die Sorte Arabica besitzt sogar 44 Chromosomen. Mehr zur Genetik erfahrt ihr im Artikel „Arabica und Robusta Kaffee: Gemeinsamkeiten, Unterschiede und der Tanz um den Qualitätsbegriff“.

In einer durchschnittlichen Erbse stecken vor allem Proteine, Kohlenhydrate, wichtige Aminosäuren und ein Gemisch an Mikro- und Makroelementen. All diese Stoffe sind ziemlich robust, wenn es um Licht, Luft, Wasser und Temperatur geht. Außerdem wird damit erst einmal nichts weiter angestellt, um die Erbse zur Erbse zu machen.

Kaffeebohnen haben diese robusten Elemente ebenfalls an Bord. Aber hier kommen noch ganz andere Kandidaten ins Spiel. Das Alkaloid Koffein zum Beispiel. Oder die „gefürchtete“ Chlorogensäure. Auch hätten wir noch Trigonellin, Saccharose oder Kaffeeöle an Bord. Nicht zu vergessen die so wichtigen Proteine und Kohlenhydrate.

Gerade diese beiden Bestandteile werden erst beim Rösten in der Maillard-Reaktion so entschlüsselt bzw. umgebaut, dass daraus überaus spezifische Farb-, Geschmacks- und Aromastoffe entstehen, die dem Kaffee sein jeweils typisches Gesicht verleihen.

Die Aromastoffe machen zwar nur 0,1 Prozent der Kaffeebohne, aber praktisch 100 Prozent des Geschmacks aus. Und sie sind überaus flüchtig. Flüchtig im chemischen Sinne bedeutet, dass die organischen Stoffe bereits bei niedrigsten Temperaturen als Gas vorliegen und deshalb auch schnell verschwinden.

Wie das in der Praxis aussieht, bemerkt ihr schon, wenn ihr eine versiegelte Packung Kaffee das erste Mal öffnet. Der spezifische Geruch des Röstkaffees springt euch praktisch ins Gesicht. Beim nächsten Öffnen ist die Erfahrung schon nicht mehr ganz so intensiv.

Wenn wir also Kaffee einfrieren wollen, dann können wir zwar die robusten Bestandteile der Kaffeebohne haltbarer machen. Aber die Gase können wir damit nicht „gefangen nehmen“.

Was wir nach einer Gefrierperiode von nur wenigen Tagen oder Wochen wieder aus der Tiefkühltruhe holen würden, wäre im Grunde nichts weiter als das Gerippe des ursprünglichen Kaffees. Das Grundgerüst ist noch erkennbar, doch der Charakter ist vollkommen verschwunden.

Das Problem Wasser

Eine grüne Kaffeebohne vor der Röstung besteht zu 10 bis 13 Prozent aus Wasser. Nach der Röstung ist dieser Anteil auf rund ein bis 2,5 Prozent geschrumpft. Im „natürlichen Reifeprozess“ nach der Röstung kann die Bohne diesen Anteil durch die Feuchtigkeit aus der Luft wieder auf rund fünf Prozent steigern. Dies ist übrigens auch die gesetzliche „Wassergrenze“ für Kaffee.

Wir alle wissen, was mit Wasser beim Gefrieren passiert: Es wird zu Eis und dehnt sich aus. Das passiert natürlich auch beim Kaffee, wenn wir ihn einfrieren. Das Eis sprengt dann die Zellen der Kaffeebohnen auf und macht damit die „Umbauarbeiten“ aus der Röstung bis zu einem gewissen Punkt wieder zunichte.

Damit haben wir beim Einfrieren also nicht nur keine Aromastoffe gerettet, wir schaffen sogar so etwas wie einen Frankenstein-Kaffee. Zwar passiert dies nur in begrenztem Maße. Aber es passiert.

Tauen wir den Kaffee dann wieder auf, wird das Eis wieder zu Wasser. Auch das ist problematisch. Denn die zerstörten Zellwände machen es dem Wasser leicht, voreilig noch mehr Bestandteile aus dem Kaffee zu lösen, die wir eigentlich erst bei der Zubereitung in die Tasse bringen wollten.

Noch einmal: Der Kaffee ist zwar immer noch Kaffee. Aber wir haben ihm durch das Einfrieren inzwischen dreimal Gewalt angetan.

Welche Alternativen zum Kaffee einfrieren sind sinnvoll?

Ich habe aus gutem Grund einen langen Artikel über die Kaffeedose geschrieben. Ist sie lichtundurchlässig und gut schließend, ist euer Kaffee oder Espresso darin recht gut aufgehoben. Allerdings nur, wenn ihr die Bohnen NICHT UMSCHÜTTET und die Dose an einem gleichbleibend kühlen, duftneutralen und dunklen Ort lagert. Und das für möglichst kurze Zeit.

Das Umschütten sorgt dafür, dass mehr Sauerstoff an die Bohnen kommt. Licht und zu viel Wärme starten den Verfallsprozess und die Feuchtigkeit in der Luft sorgt für eine „Mini-Extraktion“.

Und es versteht sich von selbst, dass ihr eure Bohnen immer im Ganzen aufbewahren solltet. Wollt ihr sie gemahlen lagern, macht ihr jedes einzelne Problem, das ich oben beschrieben habe, nur noch schlimmer. Denn Mahlen heißt Aufschlüsseln und Vergrößerung der Angriffsfläche.
Zum Schluss noch eine Anmerkung: Was glaubt ihr wohl, was ich vom Kühlschrank als Alternative zum Kaffee einfrieren halte? Richtig: Nix.
Im Kühlschrank haben wir im Grunde ähnliche Probleme wie im Tiefkühler und hier kommt noch eine weitere Sache hinzu: Der Kühlschrank enthält auch die Mortadella, den Harzer Käse und alle anderen Dinge, die stark riechen.

Auch das sind flüchtige Aromastoffe, die im Mikrokosmos Kühlschrank fröhlich zwischen den organischen Materialien ausgetauscht werden. Da schmecken die Erdbeeren schon mal nach Cervelatwurst und der Kaffee dann leider auch nach Gruyère. So gut könnt ihr eure Produkte gar nicht luftdicht einpacken, dass dieser Austausch verhindert wird.

Kaffee einfrieren: Don’t!

Kommen wir kurz noch einmal zurück zum Thema Rotwein und Wagyu. Und zur Frage, warum diese beiden Luxusgüter nicht im Traum fürs Einfrieren gemacht zu sein scheinen, während sich das Gerücht um den gefrorenen Kaffee immer noch so hartnäckig hält.

Ich glaube, auch das ist wieder ein Ausdruck dafür, wie gering wir das Luxusgut Kaffee im Vergleich zu anderen Luxusgütern schätzen. Und ja, das hat auch was mit dem Preis zu tun. So gesehen könntet ihr eure Supermarkt-Mische von mir aus gern im Tiefkühler versauern lassen. Da macht das Einfrieren auch keinen Unterschied mehr.

Für den guten Kaffee, den ihr liebevoll ausgesucht und mit einem anständigen Preisschild vom Röster gekauft habt, gilt indes eine Maxime:

Don’t freeze. Ever.

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