Es geht voran: Waren gute Kaffeebohnen aus handwerklicher Herstellung mit Know-how und Direkthandel noch vor wenigen Jahren eine Ausnahme (zumindest in Deutschland), hat heute gefühlt jeder Landkreis von Kiel über Cuxhaven bis Stuttgart und Bremen eine eigene Kaffeerösterei quasi direkt vor der Haustür.
Es geht voran: Waren gute Kaffeebohnen aus handwerklicher Herstellung mit Know-how und Direkthandel noch vor wenigen Jahren eine Ausnahme (zumindest in Deutschland), hat heute gefühlt jeder Landkreis von Kiel über Cuxhaven bis Stuttgart und Bremen eine eigene Kaffeerösterei quasi direkt vor der Haustür.
Dieser Artikel ist der Startschuss für einen kleinen Atlas der besten Kaffeeröstereien Deutschlands. Mit euren Tipps soll er nach und nach zu einem Nachschlagewerk für alle werden, die noch nicht so recht wissen, wo sie ihre Kaffeebohnen kaufen sollen.
Auch, wer Lust auf Neues oder eine besondere Kaffeestilistik hat, wird hier fündig. Denn nach der ersten Welle, in der Direktröster aus dem Boden geschossen sind, machen sich die Kaffeezauberer nun daran, eine ureigene Unterschrift zu entwickeln.
Wo das klappt, welche Regionen (nach meiner Meinung) den besten Kaffee rösten und in welchen Shops nicht teuerster Kaffee, sondern bester Kaffee zu haben ist, erfahrt ihr hier.
Warum Kaffeerösterei? Eine Checkliste
Wenn ihr so weit seid und Supermarktkaffee gegen Bohnen aus kleinen Röstereien wie Earlybird oder Schwarzwild austauschen wollt, habt ihr bereits den wichtigsten Schritt getan. Dann ist es erst einmal egal, ob ihr euch an Röster à la Kaffeehaus (also in sehr klassischer Stilistik) wendet oder auf Specialty Coffee zurückgreift.
Sobald sich euer Bewusstsein und Geschmackssinn verfeinern, zündet ihr die nächst Stufe und setzt auf Röstereien, die …
… ihren Rohkaffee direkt einkaufen, fair bezahlen und regelmäßig vor Ort überprüfen
… den Preis einer Bohnentüte detailliert rechtfertigen
… zu jeder Kaffee- und Espressobohne die vollständige Aufbereitung und Herkunft erklären
… trotz stilistischer Vorlieben ihr Geschick als Röster in allen Röstgraden zeigen
… Anfängern gegenüber aufgeschlossen sind und Tipps geben
… ein anständiges Preis-Leistungs-Verhältnis haben
… „saisonal“ (also nach Ernteangebot) rösten – Qualität geht vor Quantität
Zwei deutsche Röstereien sind für mich hier führend: Wood Grouse aus Hannover und Quijote aus Hamburg. Ich weiß, dass es noch viele weitere solcher Leuchttürme gibt – nennt sie mir unbedingt in den Kommentaren!
Wood Grouse ist allerdings eher was für Freunde der hellen Third Wave-Stilistik und hat stets nur ein überschaubares, aber exklusives Angebot. Quijote ist sehr breit aufgestellt und bietet nach meiner Ansicht sehr viele Einsteiger-Röstungen.
Die beste Kaffeerösterei in Berlin? Wo soll ich anfangen …
Jeder Kaffeeatlas für Deutschland beginnt unweigerlich mit Berliner Adressen, weil hier das sichtbarste Mekka deutscher Röstkultur zu finden ist. Nirgendwo kommen mehr Röstereien auf den Quadratmeter. Mit der World of Coffee und anderen Szene-Events bietet Berlin immer irgendeinen Grund, sich intensiv mit Kaffee zu beschäftigen.
Wenn ihr übliche Top 10-Listen der besten Röstereien in Berlin anschaut, stehen meist drei Namen ganz oben: die Berliner Kaffeerösterei, Barcomis und Andraschko.
Alle drei habe ich bereits (privat) gekostet, umgehauen hat mich daran jedoch nicht viel. Es fehlt definitiv an Transparenz, die Stilistik geht ganz klar in Richtung klassischer Massengeschmack (make it dark, baby!). Der Barcomi’s Kaffee ist ordentlich, aber nicht amtlich.
Die echten Perlen aus Berlin heißen nach meiner Ansicht anders. Die Flying Roasters nenne ich immer wieder, weil ich das Konzept, den Kaffee und die Macher großartig finde.
Hier erhaltet ihr ausgezeichnete Röstungen in allen Schattierungen, die nicht nur fair, sondern auch direkt und transparent gehandelt werden. Der Stil ist sehr breit, allerdings dominiert klar der süß-fruchtige Mittelweg.
Damit sind die Fliegenden Röster ein lupenreiner Gegenentwurf zu (manchmal versnobten) Third Wave Buden wie Fjord Coffee. Dunkle Kaffees mit starker Süße findet ihr dort garantiert nicht. Günstige übrigens auch nicht. Es gibt durchaus ein paar Namen, die Berlin die Zuschreibung als arroganter Kaffeearsch eingehandelt haben. Und viele (Einsteiger) sind davon berechtigterweise etwas abgestoßen.
Doch die Szene wird langsam freundlicher und weniger special. Von Kaffeekirsche in Kreuzberg sind mir vor allem die Brasilianer in Erinnerung geblieben. Sie schmecken ausgesprochen fruchtig-cremig-süß, entsprechen also dem Yogurette-Stil. Sehr lecker, sehr füllig und preislich vertretbar!
19grams (früher Tres Cabezas) hat sich von einer bescheidenen Bude in Friedrichshain zu einem stadtweiten Player gemausert. Ich habe vor einiger Zeit mal wieder im Angebot gewühlt und bin immer noch ein ziemlicher Fan.
Sortenrein und regionale Stilistik kriegt diese Rösterei aus Berlin hervorragend hin. Alle Blends, wie den Hausklassiker Wild at Heart Espresso, finde ich hingegen oft etwas platt.
Man kann Third Wave in Deutschland natürlich nicht ohne The Barn und „Nachahmer“ wie die The Visit Roastery schreiben. The Barn ist und bleibt eine Institution, auch wenn das Profil der Rösterei durch Cafes an allen Touri-Hotspots der Stadt nach meiner Ansicht ein bisschen verwässert wurde. Der Kaffee ist immer noch Premium und mit viel Sorgfalt kuratiert.
Nordisch by Nature – Kaffeeröster in Hamburg
Einmal Fischkopp, immer Fischkopp: Trotz meiner langen Berliner Jahre fühle ich mich in der Hamburger Kaffeeszene am meisten zu Hause. Die Stadt ist durch ihren Hafen seit Jahrhunderten ein zentraler Umschlagplatz für Rohbohnen, dementsprechend groß ist die Tradition. Hier steht schließlich auch das Kaffeemuseum.
Diese Tradition war lange Zeit jedoch auch eine Rumpelröstung-Fessel, aus der sich die Specialty Szene erst einmal mühsam befreien musste.
Die Operation ist gelungen, der Patient ist heute quicklebendig und vielseitig. Speicherstadt Kaffee gehört zu den bekannteren Marken und hat seinen guten Ruf zu Recht. Elbgold habe ich bereits offiziell getestet und bewertete den Mischgold als sehr freundlichen Alltagskaffee.
Wenn ich mir meine Lieblinge wie Quijote und andere Röstereien anschaue, fällt mir immer wieder auf, dass Hamburger Kaffee ein ziemlich präzises Abbild der Stadt ist: bloß nicht zu aufgeregt oder hyper-hyper, alltagstauglich, manchmal etwas spröde und dennoch immer wieder eine Rückkehr wert. In mancher Hinsicht also ein Gegenentwurf zu Berlin.
Und: Dank ewig langer Rösttradition und entsprechender Infrastrukturen ist der Preis meist nicht ganz so aufgeblasen wie eben in Berlin – bei gleicher Qualität.
„Provinzkaffee“ – Die heimlichen Stars jenseits von Köln, Düsseldorf, Dresden oder München
Wer eine kleine Kaffeerösterei auf Sylt, in Moers oder in Konstanz unterhält, hat einen klaren Vorteil: Vor Ort gibt es kaum Konkurrenz, in Touristenorten wie Rostock lechzen die Leute geradezu nach besseren Alternativen zum üblichen Großhandelmist.
Ich habe den Eindruck, dass sich die „Provinzröster“ besonders anstrengen, weil sie sonst von den City-Buden in Sachen Wahrnehmung und Sichtbarkeit überrollt würden. Deshalb stammen viele hervorragende Kaffeebohnen der vergangenen Jahre auch aus Orten, bei denen die meisten erst einmal gucken müssen, wo sie eigentlich liegen.
Oft kommt dabei raus: Diese (heimlichen) Stars tummeln sich mit Vorliebe in Bayern. Ein sehr schönes Beispiel ist Martermühle aus Oberbayern, die in meinem Test hervorragend abgeschnitten haben. Neulich habe ich noch einmal eine kleine Auswahl dort bestellt und mochte insbesondere den aktuellen Sidamo.
Hier gibt’s exzellente Preise und der Röstmeister ist ein wahrer Könner in Sachen Alltagskaffee. Selbst Bekannte, die beim Stichwort Säure sonst zusammenzucken, hätten den frischen Sidamo eimerweise trinken können.
Dinzler Kaffee aus Irschenberg ist ziemlich bekannt. Ich persönlich kann mich erinnern, dass ich die KAVA Coffee Roasters aus Rosenheim bzw. Traunstein irgendwo schon mal getrunken habe und gut fand.
Doch der Inbegriff hochwertiger Kaffeekultur (über Bayern hinaus) ist und bleibt für mich die Erste Tegernseer Kaffeerösterei. Die Röstungen sind Premium – sowohl stilistisch als auch beim Preis. Präziser als bei diesen Aromenprofilen geht es eigentlich nicht. Obwohl …
Die beste Kaffeerösterei für Nerds steht in Frankfurt
Es ist ein bisschen merkwürdig, dass Backyard Coffee in meinen Texten selten bis nie auftaucht, aber privat zu meinen absoluten Favoriten gehört. Chef Wolfram bezeichnet sich selbst als Science-Nerd – und das schmeckt man jedem Kaffee an. Ich kann es euch kaum anders beschreiben:
Wenn ihr möglichst alle Nuancen eines Röstprofils oder einer Kaffeeherkunft erlernen wollt, solltet ihr bei Wolfram in die „Schule“ gehen. Niemand ist so gut darin, die Kaffeezubereitung, das Equipment und die Bohnen aufeinander abzustimmen. Niemand. Ein Barista Kurs bei Backyard wird eure Kaffeeansichten auf jeden Fall revolutionieren.
Darum habe ich auch mit ihm kooperiert, um meinen eigenen Coffeeness-Kaffee herzustellen. Herausgekommen ist eine schonende, dunkle Röstung mit schokoladiger Note. Die Bohnen sind extra für Vollautomaten ausgelegt, sodass sie ihr volles Aroma in den Maschinen entfalten. Wir beziehen direkt vom Kaffeefarmer aus Brasilien und achten auf einen fairen Handel entlang der Wertschöpfungskette.
Kaffee entwickelt für den Vollautomaten
Mein Kaffee eignet sich bestens für alle Getränke aus dem Vollautomat.
Täglich frisch geröstet
Schokoladiges Aroma
Fair gehandelt
Für Espresso, Kaffee & Milchgetränke
Kaffee im Pott? Ausgezeichnet!
Selbst Kaffeeblogger sind Gewohnheitstiere und bestellen im Privatleben immer wieder die gleichen Bohnen bei den gleichen Röstereien. Demzufolge entwickeln wir auch blinde Flecken, die sich nur schwer auflösen lassen.
Bei mir heißt dieser blinde Fleck Kaffee ausm Pott. Ich weiß hundertprozentig, dass es zwischen Dortmund und Bonn großartige Röstereien gibt.
Schamong Kaffee aus Köln existiert seit 1949, passt sich jedoch immer wieder an den Zeitgeist an. Die Heilandt Kaffeemanufaktur ist einer der Vielfalt-Kings in der Domstadt. Der Röstmeister 2019 heißt Benjamin Pozsgai und betreibt Benson Coffee in Köln.
Er hat auch die Röstkurve für das junge Projekt Mehrwert Kaffee aus einem Ort bei Wuppertal entwickelt. Diese Röstungen fand ich ziemlich prima. Aus Dortmund kommt Schirmer, in Bochum gibt’s Röst.Art – und so weiter und so weiter.
Blinde Flecken gibt’s bei mir außerdem im Südwesten – und im Osten. Über die ultralebendige Kaffeeszene im konstant gehypten Leipzig ist niemand erstaunt, in Plauen gibt’s inzwischen ebenso einen Specialty Roaster (Neue Kaffeerösterei) wie in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt (Kröm Kaffeerösterei, Magdeburg).
Das Schöne an dieser Entwicklung ist vor allem, dass die Jungunternehmen größtenteils von Anfang an auf Transparenz und eine nachhaltige Wertschöpfungskette achten. Dazu zählt auch die niederländische Rösterei Boot Coffee. Sie alle machen sich Gedanken darüber, wie Trends in der Kaffeeentwicklung sinnvoll und allgemeintauglich umgesetzt werden können (Stichwort Canephora-Revival).
Das schafft für mich nur ein Problem: Bis ich mich einmal detailliert durch Deutschland gesüppelt habe, vergehen vermutlich Jahre bis Jahrzehnte. Dagegen habe ich nichts – nur merke ich immer, was ich noch nicht kenne und welche Stars mir entgehen. Die besten Sorten werden übrigens alljährlich durch die deutsche Röstergilde gekrönt.
Darum bin ich auf euch angewiesen: Schreibt mir in den Kommentaren, welche Bohnen die Leute unbedingt kennenlernen sollten, welche Stilistik die Rösterei hat und in welcher Ecke der Republik sie zu finden ist. Neugierig bin ich auch darauf, welche Lebensmittel ihr zu den jeweiligen Bohnen im Food Pairing empfehlen könnt – auch das ist ein spannendes Thema, wie ihr u.a. im Bosque Lya Kaffee-Test nachlesen könnt.
Ich schreibe sie parallel auf meine To-Do-Liste und teste die vielversprechendsten Bohnen aus den transparentesten (!) Röstereien nach und nach durch. Deal? Dann los!