Stiftung Warentest im Kaffeevollautomaten Universum: Von Tuten und Blasen …

Hach ja, Rituale – so wichtig!

Hach ja, Rituale – so wichtig!

Seit 2016 veröffentlicht die Stiftung Warentest jährlich einen neuen Kaffeevollautomaten-Test. Und jedes Mal steigt mein Blutdruck.

Warum ich mich beschwere?

  1. Die Stiftung Warentest zeigt immer wieder eine fragwürdige Nähe zur Industrie.
  2. Jeder Test ist lückenhaft, falsch konstruiert und beruht auf totaler Ignoranz zum Thema „Kaffee“.
  3. Obwohl sie was von Objektivität und Transparenz faselt, sind die Bewertungen und Testergebnisse oft nicht nachvollziehbar.
  4. Die Stiftung Warentest nutzt ihre Macht nicht für Aufklärung, sondern oft für Panikmache.

In diesem aktualisierten Beitrag will ich auf alle Hauptpunkte meiner Kritik genauer eingehen. Anlass für das Update ist der Kaffeevollautomaten-Test der Stiftung von Dezember 2020.

Dieses Mal wurden 11 Geräte von Herstellern wie Jura, Philips, Melitta und DeLonghi verglichen. Damit ist die gesamte Testauswahl auf 67 „Espressomaschinen“ angewachsen – ihre Aussage, nicht meine.

Schon an dieser völlig undifferenzierten Beschreibung zweier völlig unterschiedlicher Maschinenwelten erahnen wir, dass bei der Stiftung Warentest etwas gewaltig schiefläuft.

Bei allen Kaffee-bezogenen Themen verfolgt die Stiftung Warentest augenscheinlich Industrie-Interessen und beweist sich als sehr undurchsichtig. Die Testsieger müssen zwar nicht vollkommen angezweifelt werden, das Testdesign jedoch schon.

Das Stiftungsvermögen wird vom Staat finanziert. Die Testsiegel werden gegen eine hohe Jahresgebühr an Unternehmen verkauft. Zieht eure eigenen Schlüsse.

Laut Stiftung Warentest ist es der Jura E6. Hab ich nichts dagegen. Ich persönlich habe keinen allgemeingültigen Testsieger, da die besten Vollautomaten jeweils andere Zielgruppen bedienen. Die besten Vollautomaten für 2021 stelle ich euch im Video vor.

Eines muss ich allerdings festhalten: Meine Kritik bezieht sich ausschließlich auf meine Expertengebiete – also Kaffeevollautomaten Tests, die Kaffeewertschöpfung und alles, was irgendwie mit Espresso, Kaffee und Latte Macchiato zu tun hat.

Vieles, was die Stiftung Warentest macht, finde ich richtig gut. Zum Beispiel, dass die Prüfer ins Labor gehen und nach der Schadstoffbelastung oder Schwermetallen in Kaffeevollautomaten fahnden.

Auch wenn sich dazu ebenfalls Kritikpunkte finden lassen: Solche Laborprüfungen können wir Kaffeeblogger kaum leisten. Aber wir tun auch nicht so, als ob wir es könnten. Außer bei meinem Koffein-Test, da habe ich es zumindest schonmal vor das Labor geschafft.

Projekt Koffeinkick Fertige Proben Nah

Die Koffeintests haben richtig Spaß gemacht, auch wenn ich mich etwas an den Kittel gewöhnen musste

Das Prüfinstitut ist sich unterdessen nicht zu schade, von Expertise und Unabhängigkeit zu faseln, dafür aber keine Beweise zu erbringen. Im Gegenteil.

Wer ist die Stiftung Warentest überhaupt?

Um zu verstehen, warum die Stiftung Warentest in mancher Hinsicht kritisch gesehen werden sollte, müssen wir uns kurz die Struktur anschauen und dabei eine wichtige Frage stellen:

Quis custodiet ipsos custodes – Who watches the watchmen?

Nicht jede Prüfinstanz braucht eine Prüfinstanz, die die Prüfinstanz überprüft. Sonst kämen wir aus dem Prüfen nicht mehr raus. Doch die Stiftung Warentest ist nicht einfach irgendein Institut. Sie schafft mit ihren Testurteilen Fakten und Wettbewerbsvorteile auf dem Markt.

Prangt auf irgendeinem Produkt ein Aufkleber mit dem TESTURTEIL der Stiftung Warentest, vertraut ihr diesem Produkt mehr. Das schafft eine Machtposition, die man hinterfragen sollte. Vor allem, wenn es um die Prüfkriterien oder auch die Auswahl der Geräte geht.

Die Stiftung muss sich diese Skepsis gleich nochmal so sehr gefallen lassen. Denn auch wenn sie wie eine komplett unabhängige Verbraucherorganisation wirkt (und es zu großen Teilen auch ist), „gehört“ sie dem Staat.

Sie wurde in den Sechzigern von der Adenauer-Regierung gegründet und bezieht einen Großteil des Stiftungsvermögens bis heute aus der Staatskasse.

Daran ist nichts Verwerfliches. Doch wenn eine Verbraucherorganisation mit dem Staat kuschelt, der seinerseits in jeder Legislaturperiode immer wieder im Bett mit irgendwelchen Industrie-Interessen erwischt wird, muss man fragen, wie das alles zusammenpasst.

Eine gute Zusammenfassung liefert der ZEIT ONLINE Artikel „Die Anti-Postfaktiker“ von 2016:

„Obwohl keine Instanz die Testmethoden der Stiftung wirklich kontrolliert, haben ihre Noten für Produkte und Dienstleistungen eine enorme Auswirkung auf die Käufer und natürlich die Hersteller.“

Einstmals kostete es nur eine einmalige Bearbeitungsgebühr, wenn ein Hersteller ein Test-Siegel auf Kaffeemaschinen oder Staubsauger klatschen wollte. Inzwischen werden mehrere tausend Euro fällig – pro Jahr.

Die Bundesregierung hat die Stiftungsfinanzierung umgebaut, die StiWa ist auf weitere Einnahmequellen angewiesen …

Muss ich diesen Gedanken ausführen oder seht ihr auch eine lukrative mögliche Verzahnung von Stiftung, Herstellern und Bewertungen?

Es gibt mehrere Vorfälle, bei denen diese Verzahnung zumindest vermutet werden kann: Die Stiftung Warentest wurde etwa 2017 dabei „erwischt“, wie sie Mobilfunktarife total positiv bewertete, die die Netzneutralität verletzen.

Das führt mich zurück zum Anlass für dieses Textupdate. Der aktuelle Vergleichstest zu Kaffeevollautomaten aus dem Heft 12/2020 wirkt auf den ersten Blick recht neutral. Ich kann sowohl mit dem generellen Testurteil als auch mit der Bestenliste leben. Zumindest in Teilen.

Womit ich nicht leben kann: der schon fast frechen Werbung, die als neutraler Beschreibungstext getarnt ist.

„Dieser Test wird präsentiert von Tchibo …“

Wenn ihr die Heftausgabe von Dezember 2020 auf Seite 58 aufschlagt, liegt es nahe, die Vorrede zu überspringen und gleich zur Tabelle mit den Bewertungen zu gehen. Würde ich auch so machen. Allerdings entgehen euch dann ein paar „kleine“ Details:

Filterkaffee und Cappuccino werden als liebste Kaffeespezialitäten der Deutschen bezeichnet. Grundlage für die Aussage ist eine „Umfrage im Auftrag von Tchibo“ (S.58).

Damit ist garantiert der Kaffeereport gemeint, den der Riesenröster seit mehreren Jahren zusammen mit dem Wirtschaftsmagazin brand eins veröffentlicht.

Er wird später im Text noch einmal zitiert, ich nutze ihn ebenfalls als statistische Quelle. Dass brand eins als Urheber nicht erwähnt wird, lassen wir an dieser Stelle noch durchgehen.

Allerdings stolpern wir ein paar Zeilen später über folgende Aussagen:

Drei Geräte haben keine Milchschaumfunktion, sind dafür aber günstig: Die gute Tchibo Esperto Caffé ist mit rund 222 Euro weniger als halb so teuer wie …“

Bis zu diesem Punkt wurde kein anderer Testsieger, kein anderer Hersteller, kein anderes Gerät genannt. Besonders merkwürdig an dieser Textkonstruktion: Wer leitet einen KaffeeVOLLautomaten Test ausgerechnet mit einem Gerät ein, dem eine wesentliche (und beliebte) Funktion der Maschinenkategorie fehlt?

Tchibo Esperto Caffè Kaffeevollautomat alle Kaffeegetraenke

Während wir noch über dieses Storytelling den Kopf schütteln, gibt es wiederum ein paar Zeilen später noch einen Tchibo-Nachschlag:

 „Wer auf die Schaumkrone nicht verzichten mag, kann sich zur Tchibo einen separaten Milchaufschäumer stellen.“

Danke für den krassen Tipp! Tchibo wird sich über die Doppelgelegenheit zum Geräte-Verkauf freuen!

Bis hierhin haben wir immer noch nicht erfahren, wer der eigentliche Testsieger ist – also mit Milchbehälter, Milchsystem und allem, was die Deutschen für ihre liebsten Kaffeespezialitäten benötigen.

Insgesamt fällt der Name Tchibo allein auf den ersten beiden Seiten an fünf Stellen. Der Testsieger Jura E6 wird zweimal erwähnt. Der „Preis-Leistungs-Sieger“ von Philips darf ebenfalls zweimal auftreten. Allerdings erfahrt ihr nicht, um welches Gerät es sich handelt.

Genauso wenig findet ihr heraus, welche Version von „die Krups“ auf dem letzten Platz gelandet ist. Ihr erfahrt allerdings, dass dieses schlechte Testergebnis auf schlechten Schwermetall-Werten beruht. Beim Entkalken soll sich Nickel gelöst haben.

Auch Maschinen von Melitta, Nivona und Siemens hätten ähnliche Probleme gehabt. Wie gesagt: In diesen Punkten kann und will ich nicht widersprechen.

Wenn wir schon fragen, warum dieser Testbericht so dermaßen nach Sponsoring müffelt, müssen wir auch fragen, nach welchen Kriterien das Ganze abgefrühstückt wurde.

Das Testdesign auf dem Prüfstand

Die Stiftung gibt auf ihrer Seite zur Methodik an, dass sich die Kriterien seit 2016 nicht verändert haben. 35 Prozent entfallen auf eine wirklich hanebüchen lückenhaft beschriebene „sensorische Beurteilung“ durch „ein auf Kaffee­verkostung geschultes Panel aus acht Personen“.

Was ich davon halte, dass keine Namen genannt oder Nachweise zur Expertise erbracht werden, könnt ihr ausführlich in meinem Rant gegen die Kaffeetests der Stiftung Warentest nachlesen.

Von dort kennen wir auch schon „Barista-Meister“ Eric Wolf, der in der Bezahl-PDF des 12/20-Tests mit einem wirklich großartigen Foto zu sehen ist:

Stiftung Warentest Der Maestro Nimmt Mass

Wir allen wissen, wie wichtig der Tangens einer Milchschaumhaube für den Geschmack ist, oder?!

Eric hatte dieses Mal die undankbare Aufgabe, eine „Cappuccino-Kritik“ zu jedem Vollautomaten zu schreiben, die aber nicht in die Bewertung eingeflossen ist. Warum eigentlich nicht?

Milchschaum allein ist schließlich keine wirkliche Aussage. Erst als Latte Macchiato oder Cappuccino zeigt sich oft, wie eine Maschine mit den wichtigen Komponenten Konsistenz, Temperatur, Mengenverhältnis etc. umgeht.

Über die Prüfmethodik heißt es weiter: „Der Test ist Teamarbeit. Neben technisch versierten Prüfern untersuchten sensorisch geschulte Verkoster die Qualitäten von Espresso und Milchschaum, fünf Tester begutachteten zudem die Handhabung.“

Handhabung bedeutet für die Stiftung, dass ein „Experte“ die Gebrauchsanleitung beurteilt und fünf „erfahrene Nutzer (Frauen und Männer unterschiedlichen Alters) […] das Zubereiten der Getränke [bewerteten]. Sie stellten unter anderem verschiedene Getränke ein, hantierten mit dem Wasser­tank, befüllten den Bohnenbehälter.“

Alles richtig, alles gut. Aber kann mir mal jemand erklären, wie man „Befüllen des Bohnenbehälters“ in eine Zahl übersetzt?

Die Testurteile im Expertencheck

Geht es um die Geräte selbst, habe ich eher Fragen als Einwände zum Testbericht. Ich drösel meine Anmerkungen mal auf:

  • Die Kaffeevollautomaten von Jura und Krups wurden nach „etlichen Tassen Kaffee“ zerlegt, um die Geräte mit nicht herausnehmbarer Brühgruppe auf Kaffeerückstände zu untersuchen.

Das finde ich natürlich prima, zumal die Stiftung unterschwellig deutlich macht, warum es für das Reinigen besser ist, wenn ihr die Brühgruppe herausnehmen könnt.

Das Ergebnis: Die Jura E6 soll „kaum Kaffeereste“ enthalten haben, in der Krups landete wesentlich mehr Kaffee, „der sich nicht entfernen lässt“. Meine Frage ist, wie viel „etliche Tassen Kaffee“ sind und was als „kaum Kaffeereste“ gilt.

  • „Nur Jura und Melitta gelingt sehr guter Espresso“

Diese Gesamtüberschrift für das Warentest-Urteil klingt etwas sehr fundamental, aber sie ist zumindest in ihrer positiven Aussage nicht falsch. Ich habe den Testsieger Jura E8 bisher nicht selbst geprüft.

Jura Z8 Kaffeevollautomat Arne schluerft Espresso

Aber der Jura Z8 hat den besten Espresso und Kaffee produziert, den ich jemals aus einem Kaffeevollautomaten getrunken habe. Melitta Kaffeevollautomaten machen immer feinen Kaffee.

Bloß gibt es keinerlei nachvollziehbare Begründungen, wie die Stiftung zu diesem Urteil kommt. Wie viel ist objektiv messbar, was ist persönlicher Geschmack? Später werden wir außerdem noch sehen, dass unter den Testbedingungen der Stiftung eigentlich kein gescheiter Espresso entstehen KANN.

Hier wird der Milchschaum „gut“, der Espresso ebenso. Ich würde etwas Einspruch erheben: Allein schon aufgrund der vielen Mahlstufen und wegen der Einstellbarkeit der Schaumkonsistenz sollte es bessere Noten geben.

Diese Geräte-Entscheidung muss man mir erklären. Der Avanza ist nur ein Melitta Purista, an den ein Milchschaumsystem drangeknüppert wurde. Der Purista wäre also der eigentliche Kandidat gewesen.

Dann hätte der Tchibo Esperto Caffé jedoch einpacken müssen. Und das hätte (eventuell, vermutlich, unter Umständen) jemandem so gar nicht geschmeckt. Doch der Purista macht rundum besseren Espresso. Punkt.

Stattdessen wurden als Tchibo-Vergleichspartner zwei Kaffeevollautomaten von Beko und Grundig herangezogen. Also „ungefährliche“ Marken, die in diesem Segment keine Rolle spielen. Just sayin’.

Ansonsten bleiben folgende Erkenntnisse:

  1. Mit dem Siemens EQ.300 wurde zwar ein ziemlich alter Siemens-Vertreter ins Rennen geschickt, aber diese Wahl untermauert einmal den Klassiker-Status der gesamten Markenreihe – wie ich finde.
  2. Den Verlierer Krups EA817810 habe ich noch nicht getestet. Aber er ähnelt sehr stark dem Krups EA8108, der in meinem Test ebenfalls nur halb überzeugen konnte.
  3. Gegen den Preis-Leistungs-Sieger Philips EP3246/70 habe ich nichts. Ich finde nur, dass sich DeLonghi Kaffeevollautomaten preislich besser positionieren.
DeLonghi Kaffeevollautomaten Vergleich nach Preisklasse

Was haben Kaffeemaschinen schon mit Kaffee zu tun?!

Im Grunde können wir uns die Testergebnisse der Stiftung zu einem Vollautomaten oder einer Siebträgermaschine direkt schenken. Denn sie beruhen auf einer fundamental katastrophalen Einstellung zum eigentlichen Kernpunkt aller Test.

In meinem Rant über die Kaffee-Tests der Stiftung Warentest habe ich ein Zitat von 2009 recycelt, das für die Stiftung bis heute Bestand hat:

Das sensorische Einheitsprofil der Kaffees im Test mag Kaffeegourmets nicht schmecken. Sie zahlen viel Geld für Kaffee einer bestimmten Herkunft und Sorte. Doch solche Spezialitätenröstungen haben mit dem Alltagskaffee von heute wenig gemeinsam. Handelsübliche Kaffees orientieren sich gezielt am populären Geschmack.

Über die industriell motivierte Arroganz, die aus diesem Zitat spricht, will ich an dieser Stelle gar nicht mehr weiter reden. Kaffeegourmets, unite!

Viel wichtiger ist, was sich daraus für die Vollautomaten-Tests ergibt. Seit dem ersten Test 2016 kippt die Stiftung ausschließlich Illy-Bohnen in die Maschinen – nachzulesen unter „sensorische Beurteilung“ auf der Methodik-Seite.

Das Lustige daran: Diese Illy-Bohnen landeten beim hauseigenen Espresso-Test 2016 auf dem 15. Platz – als klares Schlusslicht. Gleichzeitig wurde aber ihre „besonders fein-porige Crema“ gelobt, auch wenn sie „stärker bitter“ schmeckten (12/2016 Test S. 21).

Noch wesentlich lustiger: Die Stiftung spricht von der Sorte Caffè in grani. Das ist keine Sortenangabe. Das heißt einfach nur „Kaffeebohnen“.

Die Stiftung Warentest sagt euch also weder, womit sie genau getestet hat, noch warum dieser für schlecht befundene Kaffee gewählt wird. Und zwar immer und immer wieder.

Testsieger war damals übrigens der Lavazza Espresso Cremoso. Der ist zwar genauso schrecklich, aber ließe sich immerhin begründen. Da wären wir wieder bei der Intransparenz und der eklatanten Ignoranz grundsätzlicher Kaffeefaktoren!

Damit es richtig wehtut, gelten folgende Testbedingungen: „Das Kaffee­volumen wurde auf 40 Milliliter einge­stellt, ansonsten die Werks­einstellung belassen.

DeLonghi ECAM 22.110.B Kaffeevollautomat Espresso beziehen

Fassen wir die Einstellung der Stiftung Warentest zu Kaffee zusammen:

  1. Es ist völlig egal, welche Kaffeebohnen ihr in den Bohnenbehälter kippt. Hauptsache, sie schmecken schön einheitlich und sind schön billig.
  2. Werkseinstellungen sind natürlich für alle Modelle und Hersteller identisch. Klaro. Und sie sind natürlich total super.
  3. Brew Ratio? Pffft. Wer einen Espresso aus dem Vollautomaten trinkt, will einen ordentlichen Schluck! 40 ml sind auf jeden Fall sinnvoller als 25 ml oder so. Damit haben wir auch das Problem gelöst, dass ein paar Geräte keine Getränke unter 30 ml zulassen. Psssst, merkt keiner!

2018 ist mir zuletzt der Hintern geplatzt und ich habe die Prüfer mit verschiedenen Fragen zu ihren Kaffee-bezogenen Tests gelöchert:

  1. „Ihr habt geschrieben, dass es ein Qualitätskriterium sei, wenn Zucker auf der Crema liegen bleibt. Woher kommt diese Info? Ich hätte gerne eine Quelle. Von Experten höre ich immer wieder, dass die Crema eigentlich für die Sensorik egal ist.“
  2. „Ihr schreibt auch ‚Der Espresso sollte kräftig, stark geröstet und bitter sowie deutlich säuerlich schmecken.‘ Wer sagt das? Hört sich wie die Beschreibung von jemandem an, der keinen Espresso mag. Und warum bringt ihr hier ‚stark geröstet‘ rein? Das liegt doch an der Röstung und nicht der Zubereitung.“

Immerhin habe ich Antworten bekommen:

Die Crema geht mit ihrem Aussehen und ihrer Beschaffenheit in unsere sensorischen Beurteilung des Espressos mit ein. Unsere Aussage, dass idealerweise aufgestreuter Zucker auf der Crema liegen bleiben und nicht sofort untergehen soll, zielt dabei auf die geforderte Konsistenz der Crema ab: Sie sollte möglichst fest und beständig sein.

Als Basis für die sensorische Beurteilung gleicht ein auf Kaffeeverkostung geschultes Panel aus acht Personen die Espressi anonymisiert und randomisiert mit einer bereits bestehenden Attributliste zur Beschreibung der Produkte ab.

Das Panel aus acht Personen beschreibt die Kategorien Aussehen, Geruch, Geschmack und Mundgefühl anhand einer stufenlosen Intensitätsskala und wir werten die Ergebnisse statistisch aus.

Wichtig ist beim Geschmack, dass durch die Maschinen kein Fremdgeschmack an den Espresso abgegeben wird – etwa nach Metall oder Kunststoff.

Darüber hinaus wurden Geschmacksattribute wie Gesamtintensität, geröstet, bitter und säuerlich überprüft. Im Vergleich bewerten wir intensiv schmeckende Espressi als positiv. Dazu zählt auch das Röstaroma der Bohnen. Es sollte im Espresso deutlich wahrnehmbar sein, aber das Getränk sollte nicht verbrannt schmecken.

Natürlich können geschmackliche Vorlieben bei nicht auf Kaffeeverkostung geschulten Personen durchaus individuell ausfallen oder anders wahrgenommen werden.

Beantwortet das meine Fragen? Eigentlich nicht. Vor allem würden mich die Quellen für die Thesen interessieren. Aber hey … mit Nachweisen hält sich die Stiftung selten auf. Sie muss schließlich trompeten!

Alarmismus, Industrie-Nähe & der Tellerrand

Die kuschelige Nähe der Stiftung Warentest zur Industrie wird nicht nur bei Kaffeebohnen deutlich. So mancher Vergleichstest wird auch auf Schadstoff-Ebene angezweifelt:

Demnach schüre die Stiftung Warentest „Ängste unter den Verbrauchern, die teils völlig unberechtigt sind“, wie das Hamburger Umweltinstitut in einem Artikel der WirtschaftsWoche von 2014 zitiert wird.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung ergänzt:Problematisch kann es sein, wenn die Stiftung ihre Testergebnisse so kommuniziert, dass diese zu vermeintlichen Gesundheitsrisiken aufgeblasen werden.“

Auf der einen Seite gut für uns: Die Testmaßstäbe sind oft deutlich strenger als die gesetzlichen Werte. Aber die gesetzlichen Werte sind an sich schon streng.

Tanzt ein Kaffeeautomat auch nur ein bisschen aus der Reihe, wird er aber nicht einfach mit „leicht erhöhten Werten“ angezählt, sondern gleich zur lebensbedrohlichen Tötungsmaschine hochgejazzt.

Diesen Eindruck vermittelt (mir) auch der 2020-Test, der sich intensiv mit Nickel im Kaffee als Folge der Automatennutzung auseinandersetzt. In meinem Team sind Menschen mit Nickel-Allergie und Neurodermitis. Sie trinken Kaffee aus Kaffeevollautomaten. Es geht ihnen gut.

Ich kann die generellen Ergebnisse der Stiftung Warentest in dieser Hinsicht nicht anzweifeln. Ich will nur den zweifelhaften Alarmismus, der an ganz anderer Stelle (nämlich bei den Kaffeebohnen) wirklich angebracht wäre, abdämpfen.

Dann müsste man nämlich ernsthaft die Preisfrage stellen. Wenn die Stiftung überhaupt mal von Bio- oder Fairtrade-Produkten spricht, schaut sie ebenfalls nicht über den Tellerrand der Industrie hinaus. Siehe Kaffee-Test von 2016 oder Nachhaltigkeits-Siegel-Test 2016.

Das letzte Mal hat sich die Stiftung Warentest mit Kaffeebohnen im Jahr 2009 beschäftigt. Damals galt ein Bio-Kaffee für 10,60 Euro als „teuer“. Nicht nur der Kaffeegourmet in mir möchte weinen.

Quijote Kaffee zur Stiftung Warentest: „Diese Aussage ist eine Frechheit“

Ich habe die Stiftungs-Testberichte und die Quarkantworten auf meine Fragen zum Anlass genommen, und mich mit Pingo, Gründer der Direktimportrösterei Quijote-Kaffee, über die Stiftung Warentest und ihren Blick auf Kaffee unterhalten.

Arne: Was sagst du zu der Aussage, dass ein fair gehandelter Bio-Kaffee für 10,60 EUR pro Kilo „teuer“ sei?

Pingo: Diese Aussage ist eine Frechheit. Teil unserer Firmenpolitik ist es, unsere Kunden nicht über den Preis sozial zu selektieren. Wir kaufen unseren Kaffee so „teuer“ wie möglich direkt beim Produzenten und geben ihn so preiswert wie möglich an unsere Kunden weiter. Unser „billigster“ Kaffee kostet trotzdem 11,50 Euro pro Pfund. Wer sich jemals damit beschäftigt hat, wieviel Arbeit in dem Produkt steckt, käme niemals dazu, 10,60 Euro für „teuer“ zu halten.

Arne: Die Stiftung Warentest hat mir auf Nachfrage mal erklärt, dass sie bei der Bohnenauswahl auf ein Mindesthaltbarkeitsdatum von 12 Monaten in der Zukunft achtet. Reicht das als Frische-Faktor aus?

Pingo: Wir empfehlen, die Espressi frühestens 10 Tage und spätestens 6 Wochen nach der Röstung zu konsumieren. Dafür drucken wir das Röstdatum auf. Danach wird Kaffee alt, flach und bei dunklen Röstungen (wie im Test verwendet) definitiv ranzig. Klassische Espressi, die älter als 6 Wochen sind, schmecken mir persönlich wie in ranziger Butter gesottenes Hammelfleisch. Kann man mögen, ist aber nicht das, was ich mir von einem Kaffee erwarte.

Arne: Würdest du dieser Aussage zustimmen: Ein Qualitätskriterium für guten Espresso ist es, dass Zucker auf der Crema liegen bleibt.

Pingo: Ich kenne den Wunsch vieler frisch gebackener Espressomaschinenbesitzer, dass ihr Espresso so aussehen soll wie in alten Werbespots von klassischen süditalienischen Espressomarken. Eine dicke Crema kann ein Indikator für halbwegs frische Bohnen sein und ist häufig ein Indikator für einen Anteil an Robusta-Bohnen – oder zumindest reichlich Naturals im Blend. Über die Qualität des Kaffees sagt Crema freilich gar nichts aus.

Arne: Was hältst du von dieser Aussage: Espresso sollte kräftig, stark geröstet und bitter sowie deutlich säuerlich schmecken?

Pingo: Bei kräftig und stark gehe ich noch mit. Das gefällt mir persönlich auch. Vor allem in Kombination mit einer deutlichen Süße. Säuerlich hört sich nicht schön an. Vielleicht verwechseln die Redakteure es mit fruchtig? Bitter mag ich gar nicht, bitter soll mir wegbleiben. Kaffee soll meiner Meinung nach niemals bitter sein. Hört sich für mich so an, als würden die Leute von der Stiftung Warentest zu viele alte Krimis lesen, in denen sich echte Kerle ihren Kaffee genau so wünschen.

Weitere wichtige Gesprächsthemen rund um den Wert von Kaffee werden im Videointerview mit Pingo und Katze von Quijote Coffee behandelt:

Was ist ein Test der Stiftung wirklich wert?

Mir ist es vollkommen egal, ob die Stiftung Warentest ein Gerät von Miele, Philips, Saeco, Jura, Melitta oder Siemens zum Testsieger erklärt. Mir ist sogar fast wurscht, ob diese Maschine überhaupt Milch schäumen kann oder ein Display hat, das keine Sau lesen kann.

Ich möchte nur wissen, wie die Stiftung Warentest zu diesem Ergebnis kommt. Und zwar nicht nur Wischiwaschi und mit irgendwelchen leeren Floskeln. Sondern genau von Mahlwerk bis Wassertank.

Außerdem hätte ich gern mal eine Info, warum sie beim wichtigsten Thema im Zusammenhang mit dieser Testkategorie (Kaffeebohnen und ihre optimale Zubereitung) dümmer als fünf Meter Feldweg agiert.

Seit 2016 werden alljährlich immer wieder dieselben Dummheiten gemacht, die Kriterien haben sich nicht verändert und überhaupt gibt es keinerlei Entwicklung.

Zwar ist es nicht doof, aktuelle Testergebnisse mit älteren Testergebnissen vergleichbar zu machen.

Wer aber stur an seinen Abläufen, Kriterien und Maßstäben festhält, kann nicht besser werden. Ihr kennt das von mir: Früher habe ich nur Espresso und Milchschaum getestet, bis ihr mir (zurecht) gesagt habt, dass ihr in meinen Kaffeevollautomaten Tests auch alles zum Kaffee wissen wollt.

Kaffeevollautomaten Test Testgeraete mit Arne

Zudem ist euch wichtiger geworden, wie leise das Mahlwerk ist und ob der Cappuccino auch wirklich ein Cappuccino ist, oder eher einem Latte Macchiato ähnelt.

Verfälscht irgendwas davon meine vorherigen Aussagen zu älteren Testgeräten? Nein. Solange ihr stets wisst, welche Modelle getestet und welche Parameter im jeweiligen Test umgesetzt wurden, klappt der Vergleich auch ohne identische Ansätze.

Über die Tchibo-Lastigkeit in der aktuellsten Testrunde kann ich nur den Kopf schütteln und frage mich ernsthaft, ob nur ich diesen Zusammenhang sehe. Jemand weitere Ideen? Hinterlasst gern eure Kommentare!

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