Hario – Hipster Falle oder Topp Zubehör Hersteller?

Moin! Ich bin Arne. Nach einigen Jahren als Barista habe ich mich einer Mission verschrieben: mehr guten Kaffee unter die Leute zu bringen. Dafür stellen mein Team und ich eine breite Wissensbasis zum Thema Kaffee für euch bereit.

Wie wir testen | Unser Team

Eigentlich bin ich überhaupt kein Fan davon, zu jedem Trend oder Hype meinen Senf dazu zu geben. Soll doch jeder machen, was er will. Okay, wie ihr wisst, habe ich zum Trend Kaffeekapseln eine ziemlich eindeutige Meinung, aber auch nur, weil ich diese Entwicklung für reinen Wahnsinn halte.

Im Falle des überall gehypten japanischen Herstellers Hario will ich allerdings eine Ausnahme machen und mich intensiver mit den Produkten beschäftigen. Sobald auf Instagram oder Twitter der Hashtag „pour over“ oder „coffee“ auftaucht, sind #Hario und #V60 nicht weit.

Allein in den ersten zehn Tagen des Jahres 2017 erreichte #Hario eine Reichweite von über 520.000 Unique-Usern bei Twitter und Instagram. Für die Flaggschiff-Modellreihe V60 waren es etwa 521.373 (Werte über den Tracker Keyhole, 10. Januar 2017).

Worauf ich hinaus will: Wer die Sache mit der Kaffeekultur, der Third Wave und der anständigen Handarbeit auch nur halbwegs ernst nimmt, kommt um die Japaner von Hario nicht herum – zumindest, wenn man dem Buzz in den sozialen Netzwerken glaubt.

Ich fand es also höchste Zeit, den Mythos Hario einmal genauer zu betrachten. In meinem Testberichten war bisher schon das ein oder andere Hario-Produkt dabei, aber die Produkt-Range ist noch weitaus größer als Kaffeemühlen oder der Hario Buono V60 Wasserkessel.

Doch was taugt der ganze Kram von Hario denn nun wirklich und was lohnt sich, was nicht? Ich habe dazu meine eigene Meinung – und die ist durchaus zweigeteilt. #Dontbelievethehype, zumindest nicht uneingeschränkt.

Wer ist eigentlich dieser Hario und warum kann der so gut mit Kaffee?

Beim Thema kommt man um die Huhn-Ei-Frage nicht herum: Was war zuerst da, die Third Wave in den USA oder das Equipment von Hario, das die Rückkehr zu Pour Over und Handarbeit bei der Kaffeezubereitung befeuert hat?

Fest steht nur, dass die Welle vermutlich schon längst wieder versiegt wäre, hätten die Japaner mit einigen ihrer Bestseller, besonders aus der V60-Range, nicht genau den Nerv aller Kaffeepuristen getroffen.

Ursprünglich war Hario eine reine Glaswarenfirma. Und die meisten von uns assoziieren Japan mit Tee. Wo kommt also die Expertise her? Ganz einfach: Japan ist einer der wichtigsten und größten Kaffeeimporteure der Welt.

Das Land war schon verrückt nach handgemachtem Filterkaffee mit hervorragenden Kaffeebohnen, als der Rest von uns noch schlecht geschäumten Cappuccino aus dem Vollautomaten mit reichlich Sirup für das Nonplusultra hielt. Ein Klischee stimmt aber: Die Japaner treiben alles bis zur Perfektion. Und Hario bildet da keine Ausnahme.

Solltet ihr mir nicht glauben, wird euch vielleicht dieser aufschlussreiche Artikel aus dem New York Times Magazine von 2011 zur lebendigen Kaffeeszene Japans ein bisschen mehr überzeugen.

Weil es in den USA kaum bzw. keine Hersteller gab, die auch nur ansatzweise passendes Equipment für Third Wave-Kaffee im Angebot hatten, konnten die Japaner in der erblühenden Szene schnell Fuß fassen. Der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte.

Hario V60 Handfilter: Womit der Hype begann

Dass Hario und V60 im Sprachgebrauch so austauschbar wie „Tempo“ und „Taschentuch“ sind, ist natürlich kein Zufall. Denn der Handfilter V60 hat die ganze Sache mit dem handgebrühten Kaffee überhaupt erst wieder ins Rollen gebracht.

Falls ihr euch schon immer gefragt habt, wofür die Bezeichnung steht: Das V symbolisiert die Form des Filters, der eine Seitenneigung von 60 Grad hat. Das allein ist natürlich nichts besonders. Schließlich ist auch das offensichtliche Vorbild, der Melitta-Filter, so ähnlich aufgebaut.

Der Clou versteckt sich in der Bodenöffnung, die beim Hario V60 erstens größer und zweitens spitz zulaufend geformt ist, während bei Melitta der Kaffee am Boden rumlungert und sich nach und nach durch eine Mini-Öffnung quetschen muss. Das Ergebnis bei Hario ist ein gleichmäßig und sauber extrahierter Filterkaffee. Melitta ist im direkten Vergleich eher Mittelklasse.

Preislich nehmen sich beide Dripper-Versionen aus Porzellan überhaupt nichts, allerdings sind die Filtertüten für den Hario teurer als die Melitta-Kollegen – weil anders geformt und noch nicht von Drittmarken erhältlich.

In all meinen Artikeln zu Zubereitungsmethoden im Allgemeinen und Handfilterkaffee im Besonderen weise ich immer wieder auf den Hario Handfilter V60 hin – denn dieses Ding ist wirklich rundum überzeugend und vollkommen zurecht das Fundament, auf dem der Hario-Erfolg steht.

Heimlicher Star der V60-Familie: Der Buono Wasserkessel

In meinem Artikel zu den besten Wasserkesseln 2017 habe ich ihn bereits in den höchsten Flötentönen gelobt und meine Küche wäre ohne ihn vollkommen aufgeschmissen: der Hario Buono V60 Wasserkessel.

Dieses Teil ist in wirklich jeder anständigen Kaffeebar mit nennenswerter Kaffeekultur zuhause und (noch) vollkommen alternativlos. Das hat noch nicht einmal besonders viel mit dem Edelstahl-Gehäuse oder den Wasserkoch-Eigenschaften zu tun.

Diese Liebe bezieht sich einzig und allein auf den wunderbar schlanken und langen Ausguss und die perfekte Handhabung, mit der ich so präzise Wasser in meinen Handfilter gießen kann, als würde ich gerade eine Operation am Herzen vornehmen.

So nehmen viele Kaffeefans den Umweg vom Wasserkocher über den Buono in Kauf, nur um das perfekte Handgefühl beim Übergießen des Kaffeemehls zu haben.

Bescheuert? Kein bisschen. Vielmehr ein Zeichen dafür, wie sehr Hario einen speziellen Bedarf für perfekten Kaffee erkannt und aufgenommen hat.

Hario Kaffeemühlen: Dellen fürs perfekte Image?

Fassen wir also bis hierhin zusammen: Hario Handfilter V60 – hammer. Hario Buono – alternativlos. Doch wie sieht es mit dem inzwischen ziemlich großen Sortiment an Kaffee Zubehör für den ambitionierten Barista aus? Geht es hier aus so überfliegermäßig weiter?

Jein. Kleine Dellen im „Wir machen alles perfekt“-Image zeigt Hario zumindest beim Thema Kaffeemühlen. Die sind natürlich ausschließlich manuell. Wie ihr sicher wisst, steht und fällt mit der richtigen Mühle das gesamte Ergebnis: Ist das Kaffeemehl Mist, ist der Kaffee Mist.

Folgende Hario Kaffeemühlen habe ich bereits mehr oder minder ausführlich für euch getestet:

Hario Small Test
Hario Slim Handkaffeemühle Test
  • Small Kaffeemühle im Test.

  • Slim Kaffeemühle im Test.

  • Skerton Kaffeemühle im Test.

An allen drei Mühlen hatte ich etwas auszusetzen – zu klein, zu heterogene Ergebnisse, umständliche Mahlgradeinstellungen usw. Versteht mich nicht falsch: Für rund 25 bis 30 Euro sind die Hario Mühlen in ihrer Kategorie sicherlich keine schlechten Vertreter.

Aber es gibt weitaus bessere Kollegen, wie etwa die Porlex Tall Handkaffeemühle, die ich fast so gut finde wie meine Commandante. Aber nur fast!

Die neu-designte (und ultra-schicke) Canister Kaffeemühle hatte ich bisher noch nicht am Wickel, werde mich aber demnächst natürlich auch ihr noch einmal widmen, wenn ihr das möchtet!

Handkaffeemühlen Test 2017

Hario Kannen: Braucht man die?

All der gute Filterkaffee aus dem Porzellanfilter muss irgendwo reinlaufen können. Und Hario hätte hier für euch zum Beispiel die V60 Range Server Kaffeekanne in verschiedenen Versionen oder auch den Hario Coffee Decanter 1800 (bei Amazon nicht erhältlich) im Angebot.

Natürlich argumentieren die Japaner, dass bei diesen Produkten die Filter und die Kanne perfekt zusammenpassen und nichts daneben geht. Aber das kann ich euch auch mit fast jeder anderen handelsüblichen Kaffeekanne versprechen.
Natürlich machen die hauseigenen Produkte im Hario-Design optisch viel her und sehen auf der Theke viel besser aus als so manches 0815-Produkt. Ob ihr sie allerdings wirklich braucht, steht auf einem anderen Blatt.

Gleiches gilt für die edle Auswahl an Hario French Press-Kannen, die sich mit Woodneck-Look oder hübschen Holzdetails von der Konkurrenz abheben. Hier sehe ich aber keinen Grund, von meinem geliebten Bodum Kaffeebereiter abzuweichen.

Never change a winning team, oder? Zumal ich nicht einsehe, teilweise weit über 80 Euro auszugeben, wenn ich weiß, dass ich mit meiner 30-Euro-Bodum perfekte Ergebnisse erzielen kann.
Kalter Kaffee nach meinem Geschmack: Der Hario Cold Brew Coffee Pot

Ein bisschen anders sieht die Sache aus, wenn ihr Lust auf Cold Brew habt. Wie ich euch in meiner ausführlichen Anleitung für kalten Kaffee deluxe bereits beschrieben habe, braucht ihr für Cold Brew zum Einstieg nicht viel mehr als einen Handfilter und ein Einweckglas.

Kalter Milchkaffee

Das wurde mir aber auf Dauer zu nervig und ich habe mich an den Cold Brew Coffee Pot gewendet, der seitdem bei mir häufig im Einsatz ist. Hier zeigt sich wieder das Geniale im Einfachen, für das der Hersteller bekannt ist:

Die Kanne ist hoch und schmal und passt so in fast jeden Kühlschrank, der Filter ist wiederverwendbar und genau auf die lange Ziehzeit von 12 Stunden (meine Empfehlung) abgestimmt. Und bei einem Preis von rund 20 Euro macht ihr nun wirklich nichts falsch.

Der Woodneck Drip Pot

In einer etwas eigenen Kategorie an Hario Zubehör spielt der Woodneck Drip Pot, den ich für euch bereits ausführlich getestet habe (sogar mit Video!). Hier filtriert ihr den Kaffee durch einen speziellen, wiederverwendbaren Stofffilter und benutzt dafür eine speziell geformte Kanne mit der namensgebenden Holzmanschette am Hals.

Das ganze Konzept ist nicht neu und der Stofffilter war in unserer Großelterngeneration Gang und Gäbe. Aber mit dem neuen Umweltbewusstsein und der Lust am Experimentieren mit Zubereitungsmethoden ist der Woodneck-Kaffee eine tolle Alternative.

Hier spielt aber Chemex trotz Papiertüten und damit anderem Kaffeearoma weiterhin die erste Geige, aber das ist vermutlich ebenso ein Hype-Ding wie die Hario-Sache. Schließlich verbietet euch niemand, einen Stofffilter von Hario auf die Chemex zu setzen.

Hario Kaffee Zubehör für echte Nerds

Ich möchte euch auch nicht einige eher abenteuerliche Vertreter der Hario-Familie vorenthalten, wenn wir uns auf die Suche nach dem Kern des Mythos machen. Eine der interessantesten Vertreter dieser Kategorie ist sicher der Hario Syphon, den es in verschiedenen Größen gibt.

Dem Siphon-Kaffee habe ich (zumindest hier) noch nicht so viel Aufmerksamkeit geschenkt, weil ihr dafür a) einen ganz speziellen und nicht ganz günstigen Apparat und b) ziemlich viel Können und Feingefühl mitbringen müsst.

Ein Siphon bereitet Kaffee mit Unterdruck und damit mit einem Vakuum zu. Dabei wird das Kaffeepulver vollständig aufgelöst und ein Papierfilter ist auch am Start. Der Look einer solchen Apparatur ist unschlagbar, auch der Kaffee schmeckt hervorragend – wenn man alles richtigmacht.

Aber das erfordert Übung und eben eine spezielle Vorrichtung, die es bei Hario in durchaus guter Qualität gibt. Aber ganz ehrlich: Das ist mir (und wahrscheinlich vielen von euch) im Alltag dann doch ein bisschen zu nerdig und widerspricht meinem Empfinden von „minimaler Einsatz-maximale Wirkung“.

Wer aber trotzdem Lust darauf hat, kann sich zum Beispiel bei den Spezialisten von Siphon Lab rundum zum Thema informieren. Und wenn ihr wollt, erkläre ich das Siphonieren (Siphongen? Siphon-Machen?) demnächst ausführlicher.

Der Kleinkram: Was gibt es an Zubehör?

Als Rundum-Sorglos-Ausstatter hat Hario all den Klein- und Großkram im Angebot, den ihr an eurer persönlichen Kaffeetheke so braucht. Von der Waage bis zum Thermometer ist alles dabei, was ihr euch nur wünschen könntet.

Es wäre müßig, jetzt auch noch jede einzelne Drip Station, den Thermobecher Uchi Mug oder den Drip Dekanter einzeln vorzustellen, denn die Hälfte von euch wird dieses ganze Zeug vermutlich nie brauchen.

Die andere Hälfte von euch kann sich genauso gut bei anderen, ebenso guten und manchmal günstigeren Marken umschauen. Solange eine Waage präzise wiegt, ist es doch vollkommen egal, ob Hario draufsteht oder nicht. Gut sind die Sachen, aber eben nicht alternativlos.

Spätestens hier kommt ein bisschen das Apple-Syndrom zum Tragen: Wenn die Marke stimmt, sind Fans bereit, jeden Mist zu kaufen. Das gilt zum Beispiel für die Hario Filter Bottle speziell für Eistee. Ich komme gut ohne Eisteeflasche aus, wie sieht’s mit euch aus?

Bei einer Sache bin ich mir noch nicht ganz sicher, ob ich Fan bin oder nicht: Der Hario Wasserkocher vereint das gelungene Design des Hario Buono Wasserkessels mit der Bequemlichkeit eines elektrischen Wasserkochers.

Und alle so „yeah“? Naja, mit nur 0,8 Liter Füllmenge kriegt ihr eine anständige Kaffeerunde nur in mehreren Schritten versorgt. Der Wasserkocher kostet mit rund 70 Euro außerdem mehr als doppelt so viel wie der Kessel und ist auch unter den Wasserkochern selbst nicht gerade günstig.

Hario und Kaffee: Gute Freunde kann niemand trennen? Mein Fazit.

Am Ende unserer kleinen Marken-Revue erwartet ihr jetzt von mir als (*hüstel*) Experte wahrscheinlich das ultimative Urteil: Hario – top oder flopp? Bringer oder Bullshit?

Wenn ihr meine Videos und Fotos zu den Testberichten genau studiert, seht ihr, dass auch bei mir mehr als ein Hario Produkt im Einsatz ist. Und das hat einen guten Grund:

  • Sie bietet mitunter die beste Hardware für die Kaffeebereitung mit Handfilter und Co.

  • Sie haben ein überzeugendes Preis-Leistungsverhältnis. Zumindest meistens.

  • Sie konzentriert sich auf wenige Sortimente und baut hier die Expertise lieber aus. Darum gibt es wohl auch keinen Hario Kaffee.

  • Das Design und die Handhabung bieten Vorteile, die andere Marken nicht haben.

Bis hierher sind wir uns sicher einig: Der Hario-Hype ist gerechtfertigt. Weil so ein Pauschalurteil aber nicht mein Ding ist, will ich auch kurz noch einen Überblick über die Produkte geben und sie vollkommen objektiv 😉 in eine Muss- bis Muss-Nicht-Liste unterteilen:

MUSS (wenn euch Handfilterung wichtig ist)

  • Buono Wasserkessel V60

  • V60 Porzellanfilter

KANN (wenn alles zusammenpassen soll)

  • Waage und der ganze Kleinkram

  • Kannen

KÖNNTE (Wenn man die Zubereitungsmethode mag)

  • Cold Brew Coffee Pot

  • Woodneck Drip Pot

  • Syphon

KÖNNEN ANDERE BESSER (Weil ist so)

  • Kaffeemühle

  • Wasserkocher

  • French Press

MUSS NICHT (Weil das so kein Mensch braucht)

  • Thermobecher

  • Eisteeflasche

Schauen wir uns diese Liste kurz noch einmal genauer an, beruht der Hype um Hario einzig und allein auf dem Erfolg (und Können) von V60. Den sollte man jedoch nicht zu gering einschätzen. Allerdings tritt langsam so mancher Nachahmer auf den Plan und macht das Hario-Grundgerüst noch besser.

Das kann aber nicht schaden, schließlich sorgt das für mehr Innovationen und preisliche Bewegung auf dem Markt. Und dafür sind wir doch alle, oder?

Mein Fazit lautet also insgesamt: #Hario – Do believe the Hype ruhig ein bisschen.

Wie steht ihr zu Hario, V60 und der ganzen Third Wave-Sache? Ich freue mich auf einen Kommentar!

Dein Kaffee-Experte
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Arne Preuss

Moin! Ich bin Arne. Nach einigen Jahren als Barista habe ich mich einer Mission verschrieben: mehr guten Kaffee unter die Leute zu bringen. Dafür stellen mein Team und ich eine breite Wissensbasis zum Thema Kaffee für euch bereit.

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Moin! Ich bin Arne. Nach einigen Jahren als Barista habe ich mich einer Mission verschrieben: mehr guten Kaffee unter die Leute zu bringen. Dafür stellen mein Team und ich eine breite Wissensbasis zum Thema Kaffee für euch bereit.

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